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SozialversicherungDer Vereinsgeschäftsführer: Ist er versicherungspflichtig beschäftigt oder selbstständig?
| Ein Vereinsgeschäftsführer ist in die Organisation des Arbeitgebers eingegliedert und damit nicht selbstständig tätig, wenn er innerhalb der rechtlichen Strukturen des Vereins nicht die Rechtsmacht besitzt, ihm nicht genehme Beschlüsse des Vorstands oder gar der Mitgliederversammlung zu verhindern. Das hat das LSG Hessen klargestellt. |
Um diesen Fall ging es beim LSG Hessen
Im zu entscheidenden Fall hatte ein Verein nacheinander mit zwei Personen einen Dienstleistungsvertrag für Geschäftsführungstätigkeiten geschlossen. Diese übernahmen Aufgaben wie Buchhaltung, Verwaltung, Zahlungsverkehr und weitere Tätigkeiten (Vorbereitung von Arbeitsverträgen, Ausstellung von Arbeitsbescheinigungen). Für einen Arbeitsumfang von ca. zwei Tagen pro Woche erhielten sie je eine feste Vergütung von 2.100 Euro pro Monat. Bei einer Prüfung kam die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) zum Ergebnis, dass es sich um keine selbstständigen Tätigkeiten handele.
LSG entscheidet auf versicherungspflichtige Beschäftigung
Die Klage des Vereins war vergeblich. Das LSG Hessen folgte der Ansicht der DRB (LSG Hessen, Urteil vom 16.01.2025, Az. L 8 BA 36/22, Abruf-Nr. 248301).
Es gab Für und Wider
Das LSG sah zwar Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit. Das waren
- der Abschluss eines Dienstleistungsvertrags ohne Regelungen zu Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie
- vertragliche Regelungen zur Nachbesserung und Haftung.
Es überwogen aber die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprachen; nämlich
- die pauschale monatliche Vergütung,
- der feste Umfang der Arbeitszeit,
- die nicht näher definierten Aufgabenbereiche „Geschäftsführung auf Zeit“ bzw. „kaufmännische Verwaltung“, weil das regelmäßig Absprachen mit dem Verein bzw. dessen Mitarbeiter hinsichtlich der Art und des Umfangs der wahrzunehmenden Tätigkeit erfordert;
- dass den Geschäftsführern Arbeitsplatz und Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt wurden,
- dass die Geschäftsführer kein unternehmerisches Risiko trugen; sie setzten also kein eigenes Kapital ein und bekamen eine feste Vergütung.
Kriterium „Eingliederung in die Arbeitsorganisation“ gab den Ausschlag
Ein wesentliches Merkmal, das für eine Beschäftigung sprach, war, dass die Geschäftsführer in die unternehmerischen Strukturen des Vereins eingegliedert waren, weil ihre Dienstleistungen in einer vom Verein vorgegebenen Ordnung aufgingen. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung seien allein kein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn die erbrachten Tätigkeiten in den Betriebsablauf planmäßig und funktionsgerecht dienend eingebunden seien.
Werden Arbeitsziel und betrieblicher Rahmen vom Auftraggeber gestellt oder auf seine Rechnung organisiert, kann eine Eingliederung selbst dann noch gegeben sein, wenn lediglich der Geschäfts- oder Betriebszweck vorgegeben ist und es dem Beschäftigten – was für leitenden Angestellte typisch ist – überlassen wird, welche Mittel er zur Erreichung der Ziele einsetzt.
Geschäftsführer treten als Teil der Organisationseinheit des Vereins auf
Dass die Geschäftsführer bei der Art der Ausführung ihrer Aufgaben weitgehend weisungsfrei tätig waren, fällt hier nicht ins Gewicht. Bei Diensten höherer Art ist die Weisungsgebundenheit regelmäßig eingeschränkt.
Nach § 26 Abs. 1 S. 2 BGB wird ein Verein gerichtlich und außergerichtlich durch den Vorstand vertreten. Die Angelegenheiten des Vereins werden nach § 32 Abs. 1 BGB, soweit sie nicht vom Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Die von Geschäftsführern wahrgenommenen Aufgaben sind damit nicht isoliert von den sonstigen Tätigkeiten des Vereins erbringbar und in die organisatorischen Abläufe integriert.
Auch wenn die Geschäftsführer teilweise nach außen aufgetreten sind, taten sie das nicht als Geschäftsführer ihres eigenen Gewerbes, sondern als Teil der Organisationseinheit des Vereins. Dabei waren sie weder Teil des Vorstands noch konnten sie als Verwaltungsleiter maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung und Führung des Vereins nehmen. Dafür war die Mitgliederversammlung zuständig.
Geschäftsführer sind qua Vereinsrecht weisungsgebunden
Auf die Geschäftsführung des Vorstands finden über § 27 Abs. 3 BGB die für den Auftrag geltenden Vorschriften (§§ 664 ff. BGB) und damit auch § 665 BGB Anwendung. Daraus ergibt sich schon, dass der Vorstand gegenüber dem Verein weisungsgebunden ist. Erst recht gilt das dann für den untergeordneten Verwaltungsleiter, der einen Teil der Geschäfte des Vorstands erbringt, ohne selbst Vorstandsmitglied zu sein.
Eine Eingliederung besteht regelmäßig, wenn die jeweiligen Personen innerhalb der rechtlichen Strukturen des Vereins nicht die Rechtsmacht besitzen, ihr nicht genehme Beschlüsse des Vorstands oder gar der Mitgliederversammlung zu verhindern.
Rechtsprechung marschiert in die gleiche Richtung Fazit | Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung, wonach Vereinsgeschäftsführer regelmäßig abhängig beschäftigt sind (u. a. OLG Frankfurt, Urteil 06.04.2016, Az. 18 U 10/15, Abruf-Nr. 186960; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2020, Az. L 11 BA 1596/19, Abruf-Nr. 215358; BAG, Beschluss vom 11.07.2024, Az. 9 AZB 9/24, Abruf-Nr. 243379). |
AUSGABE: VB 6/2025, S. 5 · ID: 50433572