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UmsatzsteuerBFH: Gebühren für „Vermittlung“ herrenloser Tiere aus dem Ausland fallen in Zweckbetrieb
| Holt ein gemeinnütziger Tierschutzverein herrenlose Tiere aus dem Ausland nach Deutschland, und „vermittelt“ sie an neue Besitzer, fallen von den neuen Besitzern gezahlte Schutzgebühren in den Zweckbetrieb, wenn sich die Betätigung des Vereins von denen gewerblicher Unternehmen unterscheidet. Das hat der BFH klargestellt. |
Der Tierschutzverein und seine Satzung
Im konkreten Fall ging es um einen gemeinnützigen Tierschutzverein, der u. a. folgende Satzungszwecke verfolgte:
Auszug aus Satzung – § 2 Zweck des Vereins |
... ausländischer Tiere schon in der Satzung Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zweck im Sinne des Abschnittes „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung. Zwecke des Vereins sind insbesondere:
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In den Streitjahren „vermittelte“ der Verein Tiere aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Die inländischen Interessenten zahlten dafür je nach Tierart, Rasse, Alter und Gesundheitszustand eine „Schutzgebühr“ von rund 300 Euro. In Summe kamen in den streitgegenständlichen Jahren so Schutzgebüren von 39.701 Euro und 45.600 Euro zustande. Der Verein versteuerte sie als Umsätze aus einem Zweckbetrieb mit dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt dagegen unterstellte einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Es ging bis zum BFH.
So begründet der BFH die Zuordnung zum Zweckbetrieb
Der BFH gab dem Verein Recht. Ein Zweckbetrieb (§ 65 AO) ist gegeben, wenn
- 1. er in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO),
- 2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und
- 3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO).
Für die Annahme eines Zweckbetriebs müssen alle drei Voraussetzungen erfüllt sein. Das war für den BFH hier gegeben (BFH, Beschluss vom 18.10.2023, Az. XI R 4/20, Abruf-Nr. 240001):
1. Satzungsmäßige Zwecke wurden erfüllt
Die „Vermittlung“ der herrenlosen Tiere diente der Verwirklichung der satzungsmäßigen Zwecke des Vereins (§ 65 Nr. 1 AO). Insbesondere diente die „Vermittlungstätigkeit“ den konkret in § 2 S. 2 Spiegelstriche 3 und 4 der Vereinssatzung genannten Zwecken, in Not geratene Tiere in gute Hände zu „vermitteln“ sowie Hilfestellung bei der „Vermittlung“ von ausländischen Tieren ins Inland zu geben.
2. Zweckerreichung erforderte Geschäftsbetrieb
Diese Zwecke konnten nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden (§ 65 Nr. 2 AO). Vor allem die Vereinnahmung von „Schutzgebühren“ war unerlässlich, um die in Not geratenen Tiere „in gute Hände“ zu „vermitteln“ (Spiegelstrich 3). Sie gewährleistete einerseits einen Kostenbeitrag für die Ausgaben des Vereins, um die herrenlosen Tiere für eine inländische „Vermittlung“ bereitzuhalten. Und sie diente andererseits dazu, bei der „Vermittlung“ ein Minimum an Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit des Erwerbers zu gewährleisten, was dem Tierwohl dient. Dies wird dadurch bestätigt, dass Tierschutzvereine und Tierheime allgemein „Schutzgebühren“ erheben.
3. Kein unsachgemäßer Wettbewerb zu gewerblichen Betrieben
Der Verein trat mit seinem Geschäftsbetrieb auch nicht zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Das habe die tatsächliche Würdigung ergeben, die möglich und nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sei.
Ein Wettbewerb zu gewerblichen Tierhändlern könne gar nicht bestehen, weil der Verein regelmäßig Hunde „vermittele“, die bisher von kommerziellen Züchtern oder Händlern nicht angeboten werden. Der Senat berücksichtigt dabei, dass die unklare Herkunft herrenloser Tiere (z. B. von Hunden) nicht vergleichbar ist mit der klaren Herkunft von Tieren (z. B. von Hunden), die gewerbliche Tierhändler verkaufen. Über die Herkunft der herrenlosen Tiere und die Erfahrungen, die sie in ihrem früheren Leben gemacht haben, ist in der Regel wenig bis nichts bekannt, so dass z. B. nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie an Verhaltensauffälligkeiten oder Ähnlichem leiden. Ob die Eingewöhnung eines herrenlosen Tiers bei einem neuen Tierhalter gelingen wird, ist daher nicht gewiss; ein Teil der herrenlosen Tiere bleibt üblicherweise „nicht vermittelbar“. Tierhändler hingegen handeln insbesondere mit Jungtieren, deren artgerechte Aufzucht lückenlos nachverfolgt werden kann und bei denen solche Gefahren daher nicht in vergleichbarer Weise bestehen. Die Tiere der Tierhändler sind teilweise sogar reinrassig und verfügen über einen entsprechenden Stammbaum. Sie werden daher auch – im Vergleich mit herrenlosen Tieren – zu wesentlich höheren Preisen angeboten.“
AUSGABE: VB 4/2024, S. 15 · ID: 49944538