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SozialversicherungAus Golflehrer-Urteil Schlüsse ziehen: Wann ist ein Sportlehrer im Verein selbstständig tätig?
| Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat sich mit der Frage beschäftigt, wann ein Golflehrer sozialversicherungsrechtlich als Selbstständiger gilt. Die Entscheidung zeigt exemplarisch, welche Kriterien für Sportlehrer in Vereinen allgemein angelegt werden müssen. |
Der Fall vor dem LSG Baden-Württemberg
Der Fall betraf einen Golflehrer mit einem vom Verband der Berufsgolfer anerkannten Status (PGA-Status). Ein Golfclub überließ ihm die Anlage inklusive sämtlicher Nebeneinrichtungen. Außerdem stellte er ihm ein Büro zur Verfügung. Zudem durfte der Golflehrer u. a. den Namen der Golfanlage und das Logo nutzen. Dafür zahlte er ein jährliches Entgelt. Er trainierte neben eigenen Schülern auch die erste Herren- und Damenmannschaft sowie das Jungendleistungsteam des Clubs. 95 Prozent seiner Tätigkeit bestand darin, Mitgliedern, Nichtmitgliedern und Gästen Einzelunterricht zu geben.
Im Training setzte er eine Schwunganalysesystem ein, das er selbst angeschafft hatte. Er beschäftigte seine Mutter als Bürohilfe für Trainingsdokumentation, E-Mail-Verkehr, Stundenbuchungen, Listen erstellen, Kassenbuch führen, Rechnungen schreiben und sonstige Bürotätigkeiten. Laut Vertrag war der Golflehrer in der Einteilung seines Unterrichts frei. Das Entgelt konnte er mit seinen Schülern selbst vereinbaren. Er rechnete aber mit dem Club ab und nicht direkt mit den Schülern.
Darum hat das LSG die Selbstständigkeit attestiert
Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens bewertete die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) die Tätigkeit des Golflehrers als abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die Rechnungen würden belegen, dass die Leistung mit dem Golfclub und nicht mit den einzelnen Spielern abgerechnet werde. Wie schon die Vorinstanz folgte das LSG nicht der Auffassung der DRV. Das LSG bestätigte den Selbstständigkeitsstatus des Golflehrers. Neben der Prüfung der relevanten Bewertungskriterien traf es dabei grundsätzlich Feststellungen zur Statusfeststellung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2023, Az. L 5 BA 1650/22, Abruf-Nr. 240451).
So geht das LSG bei der Prüfung vor
Die Prüfung solcher Verhältnisse erfolgt in zwei Schritten.
Wie sehen die vertraglichen Verhältnisse aus?
Ausgangspunkt der Prüfung sind die Vereinbarungen, die die Beteiligten – schriftlich oder ggf. auch nur mündlich – getroffen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, muss geprüft werden, ob sie mit geltendem Recht vereinbar sind und ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind.
Praxistipp | Das zeigt, wie wichtig gut ausgearbeitete schriftliche Verträge sind. Nur wenn sie erkennbar unrealistisch sind oder die tatsächliche Umsetzung von einer der Vertragsparteien bestritten wird, kann die DRV Bund sie in Frage stellen. Von kontrafaktischen Vereinbarungen ist deshalb abzuraten. |
Wird der Vertrag auch so gelebt?
Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Ein „Etikettenschwindel“, der als Scheingeschäft des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen führen kann, muss ausgeschlossen werden können. Erst auf der Grundlage dieser Feststellungen über den tatsächlichen Inhalt der Vereinbarungen ist das Rechtsverhältnis zu bewerten. In einem weiteren Schritt muss dann geprüft werden, ob besondere Umstände vorliegen, die eine abweichende Beurteilung notwendig machen.
Die Entscheidungskriterien
Die Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status – so das LSG – setzt voraus, dass alle im Einzelfall als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet und nachvollziehbar abgewogen werden.
Allgemeine Hinweise auf Selbstständigkeit
Als Hinweise auf eine selbstständige Tätigkeit bewertete das LSG auf diese Weise, dass der Golflehrer,
- die Mannschaften, die er trainierte, nicht zu den Spieltagen begleitete,
- selbst jeweils Zeitfenster für das Training vorschlagen konnte,
- die Termine für die jugendlichen Spieler direkt mit den Eltern vereinbarte,
- Anfang des Jahres dem Abteilungsleiter des Golfclubs sein mögliches Stundenkontingent mitteilte, der mit dem Verein abklärte, ob dies möglich und gewünscht ist (das sprach für das LSG gegen eine zeitliche Weisungsgebundenheit und für eine völlig freie Gestaltung der Tätigkeit),
- auf jeweilige Anfrage des Vereins selbst entscheiden konnte, welche Aufgaben er wahrnahm,
- keinen Urlaub mit dem Verein abgestimmte,
- das vereinbarte Training der Mannschaften gelegentlich ersatzlos ausfallen lassen konnte,
- dabei keine Pflicht hatte, für Ersatz zu sorgen.
Diese Freiheit, einseitig vereinbarte Trainingstermine ersatzlos absagen zu können, ist – so das LSG – Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Zwar sprach der vereinbarte Mindestumfang an Dienstleistungsstunden von 280 Stunden im Jahr für eine Weisungsgebundenheit bezüglich des Umfangs der Arbeit. Das fiel aber im konkreten Fall nicht entscheidend ins Gewicht, denn diese Klausel wurde von Anfang an nicht gelebt. Im Schnitt war Golflehrer jährlich nur zwischen 200 und 260 Stunden für den Club tätig.
Das Schwerpunktkriterium „Unternehmerrisiko“
Zu den wichtigsten Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit gehört das unternehmerische Risiko. Das LSG stellt klar, dass es nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen ist. Ein solche Kapitalrisiko ist für Dienstleistungen untypisch. Es genügt für ein Unternehmerrisiko, wenn die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird und damit der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel ungewiss ist.
Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Das Unternehmerrisiko darf dabei nicht mit dem Arbeitsplatzrisiko verwechselt werden, das auch abhängig Beschäftigte haben. Ein unternehmerisches Risiko liegt also nicht schon dann vor, wenn die Weiterbeschäftigung ungewiss ist, weil es eventuell an weiteren Aufträgen fehlt.
Für ein Unternehmerrisiko sprach auch, dass der Golflehrer auf eigene Kosten ein Radarmessgerät zur Schwunganalyse im Wert von rd. 19.000 Euro angeschafft hatte, das er im Rahmen der Tätigkeit einsetzte. Dazu kamen jährliche Updatekosten für das Radarsystem in Höhe von ca. 1.000 Euro bis 1.200 Euro. Dieser Kapitaleinsatz sprach für eine selbstständige Tätigkeit.
Das Schwerpunktkriterium „Eingliederung in betriebliche Organisation“
Eine relevante betriebliche Eingliederung war für das LSG nicht erkennbar. Das galt auch, wenn man berücksichtigt, dass bei den hier vorliegenden „Diensten höherer Art“ die inhaltliche Freiheit bei der Ausübung typisch ist und für sich noch kein ausreichendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit darstellt. Der Golflehrer trat auch nach außen nicht als angestellter Mitarbeiter des Clubs auf. Er trug keine Vereinskleidung. Vorgaben des Clubs für die Kleidung der Trainer existierten nicht.
Das Schwerpunktkriterium „Beschäftigung von Arbeitnehmern“
Auch die Kosten für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Mutter des Golflehrers waren nach Auffassung des LSG in die Beurteilung einzubeziehen, weil auch sie das unternehmerische Risiko beeinflussten. Das Gericht hatte auch – anders als die DRV Bund – keine Zweifel, dass sich die Bürohilfstätigkeiten auf alle Tätigkeiten des Golflehrers bezogen. Die sich aus der Beschäftigung ergebenden monatlichen Fixkosten wirkten sich auch auf die Tätigkeit für den Golfclub aus.
Fazit | Das Urteil des LSG Baden-Württemberg zeigt beispielhaft, unter welchen Voraussetzungen Sportlehrer als selbstständig Tätige gelten. Insbesondere die weitgehende freie Gestaltung der Trainingszeiten und das Unternehmerrisiko waren dabei für das Gericht die Hauptkriterien. |
- Beitrag „Übungsleiterverträge zielgerichtet gestalten: Rechtsprechung bestätigt DOSB-Mustervertrag“, VB 2/2023, Seite 11 → Abruf-Nr. 49030381. Den Wortlaut des „770-Euro Selbstständigen-Mustervertrags“ finden Sie auf der Homepage des DOSB und zwar hier: www.iww.de/s10643Muster-DOSB-Vertrag bis 770 Euro/Monat
- VB-Sonderausgabe „SV-Prüfung im Verein- so sind Sie darauf optimal vorbereitet“, vb.iww.de → Abruf-Nr. 49726608
AUSGABE: VB 4/2024, S. 17 · ID: 49972257