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GemeinnützigkeitMildtätige Zwecke (Teil 4): Wann Einrichtungen der Wohlfahrtspflege ein Zweckbetrieb sind
| Die Abgrenzung von gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken führt in der Praxis immer wieder zu Fragen. VB macht Sie deshalb in einer Beitragsreihe mit den besonderen Anforderungen für Einrichtungen vertraut, die mildtätige Satzungszwecke haben. In Teil 4 der Reihe geht es darum, wann Leistungen für die Versorgung oder Betreuung bedürftiger Menschen im Zweckbetrieb angesiedelt sind. |
Inhaltsverzeichnis
Mildtätigkeit als Zweckbetrieb
Steuerbegünstigte Zweckbetriebe im Rahmen mildtätiger Satzungszwecke sind zum einen durch die Allgemeinklausel des § 66 AO (Einrichtung der Wohlfahrtspflege) geregelt. Daneben definiert § 68 AO einzelne Zweckbetriebe, die oft schon nach § 66 AO begünstigt wären. Hier wird die Zweckbetriebseigenschaft teils erweitert, teils spezifiziert. Das gilt z. B. für Alters-, Altenwohn- und Pflegeheime (§ 68 Abs. 1a AO), Flüchtlingshilfeeinrichtungen (§ 68 Abs. 1c AO), Werkstätten für behinderte Menschen (§ 68 Abs. 3a AO), Einrichtungen für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (§ 68 Abs. 3b AO), Inklusionsbetriebe (§ 68 Abs. 3c AO) und Blindenfürsorge-Einrichtungen (§ 68 Abs. 4 AO).
Wichtig | Die Finanzverwaltung betrachtet all diese Zweckbetriebe hinsichtlich des Gewinnerzielungsverbots einheitlich. Es spielt also praktisch keine Rolle, nach welcher Regelung der Zweckbetrieb im Einzelfall begünstigt ist. Von Vorteil ist regelmäßig aber die Anwendung des § 66a AO, weil hier nur zwei Drittel der Leistungen an Bedürftige erbracht werden müssen.
In allen Fällen handelt es sich um sog. besondere oder Katalogzweckbetriebe. Die steuerliche Begünstigung setzt dabei nicht voraus, dass alle Anforderungen des § 65 AO erfüllt sind. Es genügt, dass die Einrichtung mit der entsprechenden wirtschaftlichen Tätigkeit ihre satzungsmäßigen Zwecke verwirklicht (Zweckbezug). Ein solcher besonderer Zweckbetrieb muss also weder die Zwecknotwendigkeit erfüllen noch das Konkurrenzverbot.
Einrichtungen der Wohlfahrtspflege
Während sich die o. g. Fälle in § 68 AO auf spezifische Zielgruppen beziehen, liefert § 66 AO eine allgemeine Klausel für die Zweckbetriebszuordnung: Eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege ist ein Zweckbetrieb, wenn sie in besonderem Maß den in § 53 AO genannten Personen dient.
§ 68 Abs. 3 AO klärt, wann eine Einrichtung diese Voraussetzung erfüllt: Mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen müssen hilfsbedürftigen Menschen im Sinne des § 53 AO zugute kommen. Ausschlaggebend ist also die Unterstützung solcher Menschen. Das umfasst aus persönlichen Gründe Hilfebedürftige ebenso wie wirtschaftlich Hilfebedürftige.
§ 68 Abs. 2 AO nimmt weitere Einschränkungen vor. Die Hilfe muss danach
- planmäßig sein, d. h. nicht punktuell oder „zufällig“ und
- dem Allgemeinwohl dienen (nicht des Erwerbs wegen ausgeübt werden).
Außerdem erweitert § 68 AO sowohl Zielgruppe als auch Inhalt der Tätigkeit. Nicht nur notleidende, sondern auch gefährdete Menschen sind begünstigt. Die Hilfen dürfen zudem auch der Vorbeugung dienen. Die Zweckbetriebseigenschaft von Wohlfahrtpflege wird also bezogen auf die Zielgruppe weiter gefasst als die Definition der Hilfebedürftigkeit nach § 53 AO. Die Unterstützungsleistungen können sich auch auf das gesundheitliche, sittliche und erzieherische – also nicht nur das wirtschaftliche Wohl – erstrecken.
Das Gewinnerzielungsverbot bei der Wohlfahrtspflege
§ 68 Abs. 2 AO verlangt, dass die Wohlfahrtspflege nicht des Erwerbs wegen ausgeübt wird. Das wird im Allgemeinen als Gewinnerzielungsverbot ausgelegt. Rechtsprechung und Finanzverwaltung haben dieses Gewinnerzielungsverbot aber nach und nach immer großzügiger ausgelegt.
Um es zu erfüllen, genügt die Mittelbindung, die aus der Steuerbegünstigung folgt, allein nicht. Der BFH hat klargestellt, dass bei der Prüfung allein auf die Tätigkeit im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abzustellen ist. Entscheidend ist, ob die Bedingungen, unter denen die Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen ausgeübt wird, objektiv geeignet sind, Gewinne zu erzielen (BFH, Beschluss vom 18.09.2007, Az. I R 30/06, Abruf-Nr. 080417).
Gewinn und Finanzierungsbedarf
Die Finanzverwaltung folgt dieser Auffassung. „Eine Einrichtung wird dann ‚des Erwerbs wegen‘ betrieben, wenn damit Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen“ (AEAO, Ziffer 2 zu § 66).
Dabei wird aber nicht der einzelne Betrieb betrachtet, sondern die ganze wohlfahrtpflegerische Sphäre. Dazu gehören
- alle Wohlfahrtspflegeeinrichtungen im Sinne des § 66 AO,
- Zweckbetriebe im Sinne des § 67 AO (Krankenhäuser),
- Zweckbetriebe im Sinne des 68 AO, soweit diese auch die Voraussetzungen des § 66 AO erfüllen (z. B. Altenpflege- und Behinderteneinrichtungen),
- ideelle Tätigkeiten, für die die Voraussetzungen des § 66 AO vorlägen, wenn sie entgeltlich ausgeführt würden.
Die Finanzverwaltung berücksichtigt also ausdrücklich eine Quersubventionierung zwischen den verschiedenen Zweckbetrieben und dem nichtwirtschaftlichen (ideellen) Bereich, soweit er mildtätige Zwecke verfolgt. Dabei kann die Erzielung von Gewinnen in gewissem Umfang – z. B. zum Inflationsausgleich oder zur Finanzierung betrieblicher Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen – geboten sein, ohne in Konflikt mit dem Zweck der steuerlichen Begünstigung zu stehen (BFH, Urteil vom 27.11.2013, Az. I R 17/12, Abruf-Nr. 146727).
Ermittlung des Finanzierungsbedarfs
Den Finanzierungsbedarf betrachtet die Finanzverwaltung dabei bezogen auf einen Dreijahreszeitraum. Werden in drei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen jeweils Gewinne erwirtschaftet, die den konkreten Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre übersteigen, ist regelmäßig von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen.
Mittelverwendungsrechnung und Ermittlung ... Praxistipp | Das ist angelehnt an die zeitnahe Mittelverwendung. Auch hier gilt ein Dreijahreszeitraum (Mittelverwendung der im laufenden Jahr zugeflossenen Mittel bis zum Endes des übernächsten Jahres). Damit decken sich die Mittelverwendungsrechnung und die Ermittlung des Finanzierungbedarfs weitgehend. |
Ebenfalls nicht als Gewinn angerechnet werden Erträge, die für den Betrieb und die Fortführung der Einrichtungen der Wohlfahrtspflege notwendig sind. Das gilt insbesondere für zweckgebundene Rücklagen und Wiederbeschaffungsrücklagen § 62 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO.
Praxistipp | Dazu gehören aber auch Betriebsmittelrücklagen für den Wohlfahrtspflegebereich. Die Einrichtung hat also über den Ausweis von Rücklagen die Möglichkeit, den tatsächlichen Finanzierungsbedarf zu gestalten. |
Ebenfalls unschädlich sind unbeabsichtigte Gewinne aufgrund von Marktschwankungen und Gewinne, die aufgrund staatlich regulierter Preise entstehen (z. B. Gebührenordnung für ambulante Pflegeleistungen nach § 90 SGB XI).
Wichtig | Dieser Finanzbedarf wird für einen Dreijahreszeitraum auch in der Anlage Gem zur Körperschaftsteuererklärung mit einem entsprechenden zahlenmäßigen Nachweis abgefragt.
Berechnungsschema für zulässigen Finanzierungsbedarf
Auf Basis dieser Vorgaben ergibt sich folgendes – grobes – Berechnungsschema für den zulässigen Finanzierungsbedarf:
Berechnungsschema | |
Jahr 1 | Gewinne des gesamten Wohlfahrtspflegebereichs Jahr 1 ./. Zuführung zu zweckgebundenen Rücklagen ./. Zuführung zu Wiederbeschaffungsrücklagen ./. Zuführung zu Betriebsmittelrücklagen = Übertrag ins Jahr 2 |
Jahr 2 | Übertrag aus Jahr 1 + Gewinne des gesamten Wohlfahrtspflegebereichs Jahr 2 ./. Zuführung zu zweckgebundenen Rücklagen ./. Zuführung zu Wiederbeschaffungsrücklagen ./. Zuführung zu Betriebsmittelrücklagen = Übertrag ins Jahr 3 |
Jahr 3 | So ermitteln Sie den maximal zulässigen Finanzierungsbedarf ... Übertrag aus Jahr 2 + Gewinne des gesamten Wohlfahrtspflegebereichs Jahr 3 ./. Zuführung zu zweckgebundenen Rücklagen ./. Zuführung zu Wiederbeschaffungsrücklagen ./. Zuführung zu Betriebsmittelrücklagen |
= Dreijahresergebnis |
Die gebildeten Betriebsmittelrücklagen werden sich in der Regel nur unwesentlich ändern. Sie dienen der Liquiditätssicherung und orientieren sich an den im jeweiligen Jahr erwarteten Ertrags- und Kostenschwankungen.
Das Berechnungsschema wird laufend fortgeschrieben. Das Dreijahresergebnis sollte tendenziell bei null liegen. Auch bei einer Überschreitung erfolgt aber nicht zwingend eine Aberkennung der Zweckbetriebseigenschaft. Allerdings muss die Einrichtung dann darlegen, dass ein zusätzlicher Finanzbedarf besteht oder dass die Überschüsse ihren Grund in unerwarteten Erlösen oder staatlich regulierten Preisen haben.
Die Zwei-Drittel-Regelung
Eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege dient laut § 66 Abs. 3 AO in besonderem Maße den in § 53 genannten Personen, wenn diesen mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen zugute kommen. Dabei kommt es auf das Verhältnis der erbrachten Leistungen an, nicht auf das Zahlenverhältnis von gefährdeten bzw. notleidenden und übrigen geförderten Menschen.
Wichtig | Nicht eindeutig geklärt ist, ob diese Grenze anhand des Geldwerts der Leistungen ermittelt wird oder nach anderen quantitativen Kriterien (z. B. Leistungsstunden). In der Literatur wird aber allgemein von einer wertmäßigen Ermittlung – also anhand der Abgabepreise – ausgegangen.
Diesen Zwei-Drittel-Anteil muss die Einrichtung nachweisen. Dabei muss sie zum einen nachweisen, dass die betreffenden Personen hilfsbedürftig sind. Hier gelten die Vorgaben und Vereinfachungsregelungen nach § 53 AO (siehe VB 3/2024, Seite 12). Oft geschieht das über eine separate Erfassung der Personen und die Ausgabe der entsprechenden Ausweise.
Wichtig | Das gilt auch für den Verzicht auf den Nachweis der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit nach § 53 S. 8 AO. So ist z. B. bei Kleiderkammern, Suppenküchen, Obdachlosenasylen und den sog. Tafeln der Nachweis der Zwei-Drittel-Grenze nicht erforderlich, wenn ein entsprechender Bescheid nach § 53 Nr. 2 S. 8 AO vorliegt (AEAO Ziffer 7 zu § 66).
Daneben muss die Einrichtung – mindestens überschlägig – dokumentieren, dass an diese Personen zwei Drittel der Leistungen erbracht werden. Sie muss also neben den Gesamtumsätzen die an diese Personen getätigten Umsätze erfassen.
Die Finanzverwaltung geht von einem einheitlichen Zweckbetrieb aber nur dann aus, wenn die Leistungen unter gleichen Bedingungen sowohl gegenüber hilfebedürftigen als auch nicht hilfebedürftigen Personen erbracht werden (AEAO Ziff. 7 zu § 66). Unterschiedliche Preise und Konditionen für nicht begünstige Personen führen also zu einen eigenständigen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Beispiel |
... wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben möglichst vermeiden Eine mildtätige Eirichtung betreibt einen Second-Hand-Shop. Registrierte bedürftige Personen erhalten die Waren zur Hälfte des angegebenen Verkaufspreises. Der Verkauf zum regulären Preis ist dann ein eigenständig zu behandelnder steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Nur der Verkauf an begünstigte Personen fällt in den Zweckbetrieb – auch wenn er mehr als zwei Drittel des Umsatzes ausmacht. |
Das Gebot der Unmittelbarkeit
Die Leistungen des mildtätigen Zweckbetriebs müssen dem betreffenden Personenkreis selbst zugute kommen. Dabei kommt es aber nicht auf die vertraglichen Beziehungen an, sondern darauf, für wen die Leistungen tatsächlich erbracht werden (BFH, Urteil vom 27.11.2013, Az. I R 17/12, Abruf-Nr. 146727). Nicht begünstigt sind also Leistungen, die an andere mildtätige Einrichtungen erbracht werden und so den begünstigten Personen nur mittelbar zugute kommen.
Werden neben Leistungen an die in § 53 AO genannten Personen noch andere Leistungen für einen Dritten erbracht, sind diese Leistungen, soweit sie nicht zur Organisation des eigentlichen Zweckbetriebs gehören, nicht dem Zweckbetrieb nach § 66 AO zuzurechnen (AEAO, Ziffer 3 zu § 66).
Beispiel |
Eine Pflegeeinrichtung stellt Pflegekräfte entgeltlich anderen mildtätigen Einrichtungen zur Verfügung. Vertragspartner sind zwar die anderen Einrichtungen, die Leistungen kommen aber unmittelbar den Pflegebedürftigen zugute und sind damit begünstigt. Erbringt das bereitgestellte Personal aber z. B. nur Verwaltungsleistungen, liegt kein Zweckbetrieb vor. |
Wichtig | Auch diese Leistungen können aber begünstigt sein, wenn sie im Rahmen einer Kooperation nach § 57 Abs. 3 AO erbracht werden. Das gilt z. B. für die Wäscherei einer Pflegeeinrichtung. Soweit sie Leistungen für die eigene Einrichtung erbringt, sind das Kosten des Zweckbetriebs. Leistungen an andere steuerbegünstige Einrichtungen können im Rahmen einer Kooperation ebenfalls in den Zweckbetrieb fallen.
- Die Teile 1 bis 3 der Beitragsserie finden Sie auf vb.iww.de unter den Abruf-Nrn. 49806511, 49886593 und 49918660
- Im nächsten Teil erfahren Sie alles zu „Einzelfällen von Wohlfahrtspflegeeinrichtungen und mildtätigen Zweckbetrieben“.
AUSGABE: VB 4/2024, S. 10 · ID: 49972229