Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2024 abgeschlossen.
UmsatzsteuerNeues vom BFH: Wann ist die Überlassung von Vereinsanlagen umsatzsteuerpflichtig?
| Die Vermietung von Sportanlagen ist nur dann gemäß § 4 Nr. 12 S. 1a UStG steuerfrei, wenn nur die Sportanlage und ggf. Betriebsvorrichtungen überlassen und sonst keine weiteren Leistungen ausgeführt werden. Das hat der BFH klargestellt. VB nimmt die aktuelle Entscheidung zum Anlass, die umsatzsteuerliche Behandlung der Überlassung von Vereinsanlagen näher zu beleuchten. Betroffen sind nämlich nicht nur Sportvereine, sondern alle Einrichtungen, die Grundstücke und Räume in Kombination mit weiteren Leistungen überlassen; also z. B. auch Bildungs- und Kultureinrichtungen. |
Der aktuelle Fall vor dem BFH
Im konkreten Fall ging es um einen Golfverein. Der hatte ein gängiges Gestaltungsmodell gewählt, mit dem hohe Zahlungen an den Club als gemeinnützigkeitsunschädlich behandelt werden können.
Gängiges Gestaltungsmodell war gewählt worden
Eine GmbH & Co. KG ist Eigentümerin der Golfanlagen (inkl. Gastronomie). Die Kommanditanteile werden von einer Treuhandkommanditistin im eigenen Namen, aber für Rechnung von zahlreichen „Miteigentümern” gehalten, die zugleich Mitglieder des Golfclubs sind. Die KG vermietete die Anlagen an den Verein. Das Entgelt dafür war in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Mitgliedsbeiträge festgelegt.
Die Unterhaltung der Golfanlage (und der Gebäude) oblag der KG. Sie trug auch die Verkehrssicherungspflicht und die öffentlichen Lasten und Abgaben der zur Nutzung überlassenen Grundstücke. Sie erhielt außerdem die Einnahmen aus der Greenfee, der Driving-Range, dem Übungsballverkauf, der Vermietung von Schränken und Boxen sowie aus „reinen Einladungsturnieren” und Werbemaßnahmen.
Alle Leistungen umsatzsteuerpflichtig oder teilweise steuerfrei?
Die KG behandelte die Verpachtung der Gaststätte und des Shops, sowie die Vermietung von Boxen, die Überlassung der Driving-Range und von „Golfcars”, sowie Werbeleistungen als umsatzsteuerpflichtig. Die Überlassung der Golfanlage an den Verein hielt sie für anteilig umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt dagegen vertrat die Auffassung, dass die KG Betreiberin der Golfanlage sei und damit keine Zwischenvermietung vorliege. Die Vermietung der Sportanlage an den Verein sei eine einheitliche steuerpflichtige Leistung. Die KG habe nicht passiv ein Grundstück zur Verfügung gestellt, sondern die Golfanlage an einen anderen Unternehmer (Verein) überlassen. Daher seien sämtliche Ausgangsleistungen umsatzsteuerpflichtig.
Die Klage der KG vor dem FG Hessen war ebenso erfolglos wie die Nichtzulassungsbeschwerde der KG beim BFH.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH hat klargestellt. dass für die umsatzsteuerliche Behandlung weder die Dauer des Nutzungsvertrags eine Rolle spielt und auch keine Aufteilung der Entgelte in eine steuerfreie Grundstückvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung der Anlagen möglich ist (BFH, Beschluss vom 31.08.2023, Az. XI B 89/22, Abruf-Nr. 237459). Im Einzelnen:
Dauer des Vertrags spielt keine Rolle
Die umsatzsteuerliche Behandlung ist von der Dauer der Vermietung grundsätzlich unabhängig. Nicht in Frage kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 S. 1 UStG als bloße Vermietung der Immobilien, wenn die Leistung nicht nur die passive Zurverfügungstellung der Sportanlage umfasst. Erbringt der Vermieter neben der reinen Nutzungsüberlassung weitere Leistungen, spielt die Dauer des Mietvertrags keine Rolle.
Keine Aufteilung von Grundstück und Anlagen
Die Aufteilung in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen ist unzulässig. Der BFH verweist hier auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 04.05.2023, Rs. C-516/21). Danach ist eine solche Aufteilung nicht möglich, wenn die Vermietung eine Nebenleistung zur Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die zwischen denselben Parteien erfolgt und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.
Folge aus BFH-Beschluss: VB klärt grundsätzliche Fragen
Der VB nimmt die aktuelle Entscheidung des BFH zum Anlass, die umsatzsteuerliche Behandlung der Überlassung von Vereinsanlagen vor dem Hintergrund der neuen EuGH-Rechtsprechung systematisch darzustellen. Wie oben erwähnt sind von der Fragestellung bei weitem nicht nur Sportvereine betroffen.
Diese Fragen stellen sich jetzt in der Praxis
Tangiert sind vielmehr alle Einrichtungen, die Grundstücke und Räumlichkeiten in Kombination mit Anlagen und weiteren Leistungen überlassen. Das gilt z. B. auch für Kultureinrichtungen oder Bildungsträger. Ihnen allen stellen sich jeweils folgende Fragen:
- Ab welchem Umfang zusätzlicher Leistungen wird aus der bloßen Immobilienüberlassung eine sonstige Leistung?BetroffeneEinrichtungen sind mit vier Fragen konfrontiert
- Wann liegt eine steuerfreie Vermietung vor, obwohl zusätzlich Betriebsanlagen überlassen werden?
- Wann ist eine steuerliche Aufteilung in Vermietung der Immobilie und Betriebsanlagen zulässig?
- Wann kann auf die Steuerbefreiung nach der Regelung des § 9 UStG verzichtet werden?
Es geht (auch und vor allem) um den Vorsteuerabzug
Die Fragen sind auch deswegen von Bedeutung, weil sie Folgen für den Vorsteuerabzug bei der Anschaffung bzw. Herstellung und der Unterhaltung der Anlagen haben. Dabei kommt dann wiederum eine steuerliche Gestaltungsmöglichkeit ins Spiel – die Erhebung von Umsatzsteuer auf die Mitgliedsbeiträge, um den Vorsteuerabzug zu erhöhen.
Die Steuerbefreiung für Immobilienüberlassung
Für die Vermietung und die Verpachtung von Immobilien gilt grundsätzlich die Befreiungsregelung des § 4 Abs. 12 UStG. Die Regelung gilt dem Wortlaut nach für „Grundstücke“. Sie umfasst aber neben ganzen Grundstücken auch Grundstücksteile.
Was gilt als Grundstück?
Was ein Grundstück ist, definiert sich nicht nach nationalem, sondern nach Gemeinschaftsrecht. Demnach liegt eine Vermietung von Grundstücken vor, wenn dem Mieter vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, dieses Grundstück in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (EuGH, Urteil vom 06.12.2007, Rs. C-451/06, Abruf-Nr. 240517). Nicht als Grundstückvermietung gilt deshalb die Einräumung von Rechten, die nicht exklusiv sind; d. h. Vermieter oder Dritte dürfen das Grundstück ebenfalls nutzen.
Beispiel |
Die Zugangsberechtigung zu einem Sportgelände ist deswegen keine steuerfreie Grundstücksvermietung, wenn zeitgleich auch andere Sportler das Gelände nutzen dürfen. |
Die vermietete Fläche muss dabei grundsätzlich bestimmbar sein. Die Nutzung wechselnder Stellflächen auf einem größeren Grundstück ist deswegen nicht steuerbefreit. Auf die Dauer der Vermietung kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Sie muss auch nicht vertraglich festgelegt sein. Deswegen kann auch eine stunden- oder tageweise Vermietung steuerbefreit sein. Dabei dürfen aber keine anderen Leistungen neben der Vermietung in den Vordergrund treten. Das gilt z. B. für Reinigung, Aufsicht über die Nutzung der Anlagen oder Mitvermietung von Geräten.
Wichtig | Gerade bei einer kurzfristigen Vermietung ist das aber oft der Fall. Deswegen behandelt die Rechtsprechung z. B. die Sportanlagenüberlassung regelmäßig als steuerbare sonstige Leistung.
Zu den Grundstücken im Sinne des § 4 Abs. 12 UStG gehören
- Gebäude und Gebäudeteile wie Stockwerke, Wohnungen und einzelne Räume,
- Räumlich abgrenzbare und individualisierte Grundstücksparzellen (z. B. in Kleingärten),
- Werksdienstwohnungen bei einer Vermietungsdauer von mehr als sechs Monaten,
- Gewässer und Wasserflächen, nicht aber die bloße Einräumung eines Fischereirechts auf diesen Gewässern (EuGH, Urteil vom 06.12.2007, Rs. C-451/06, Abruf-Nr. 240517) sowie
- die langfristige Vermietung von Campingflächen, d. h. für mehr als sechs Monate (UStAE, Abschn. 4.12.3., Abs. 2)
Nicht steuerbefreite Vermietungsfälle
Ausdrücklich ausgenommen von der Steuerbefreiung sind Beherbergungsumsätze (also die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen), Fahrzeugstellplätze und die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen (§ 4 Abs. 12 UStG S. 2). Unter Fahrzeuge fallen auch Boote. Deswegen ist die Überlassung von Bootsliegeplätzen durch Wassersportvereine an Mitglieder und Dritte nicht umsatzsteuerbefreit (EuGH, Urteil vom 19.12.2019, Rs. C-715/18, Abruf-Nr. 213662).
Steuerbefreite Nebenleistungen
Zu den steuerbefreiten Leistungen der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gehören auch übliche Nebenleistungen, die damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Das sind Leistungen, die im Vergleich zur Grundstücksvermietung bzw. -verpachtung nebensächlich sind, mit ihr eng zusammenhängen und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommen (UStAE, Abschn. 4.12.1., Nr. 5).
Zu den steuerfreien Nebenleistungen gehören regelmäßig
- die Lieferung von Wärme und Wasser,
- die Lieferung von Strom,
- die Flur- und Treppenreinigung und
- die Bereitstellung von Internet- und/oder TV-Anschluss.
Was gehört nicht zum Grundstück?
Um keine Grundstücksvermietung handelt es sich bei der Vermietung von Baulichkeiten, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden und daher keine Bestandteile des Grundstücks sind. Das gilt insbesondere für Container, Buden, Kiosken, Tribünen und ähnliche Einrichtungen (wie z. B. Zelte, Wohnanhänger und Mobilheime).
Verträge besonderer Art
Tritt die eigentliche Vermietung des Grundstücks gegenüber anderen Leistungen zurück und liegt somit ein einheitliches Vertragsverhältnis vor, handelt es sich um einen Vertrag besonderer Art. Hier ist eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG weder insgesamt noch für Teilleistungen möglich. Das betrifft insbesondere Fälle im Vereinsbereich, wie
- die Überlassung von Sportanlagen (z. B. auch Schießanlagen) gegen Einzelgebühr,
- die Greenfee bei Golfvereinen und
- die Überlassung einzelner Schwimmbahnen.
Diese Einzelfälle betrachtet VB in der Beitragsreihe genauer.
- In der Mai-Ausgabe geht es weiter mit Teil 2 der Beitragsreihe und dem Beitrag „Vermietung von Grundstück mit Betriebsanlagen und die umsatzsteuerliche Behandlung“.
AUSGABE: VB 4/2024, S. 3 · ID: 49978196