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GemeinnützigkeitWann ist das Betreiben einer Petitionsplattform ein gemeinnütziger Zweck?
| Das FG Berlin-Brandenburg hat geklärt, unter welchen Voraussetzungen das Betreiben eine Petitionsplattform gemeinnützig sein kann. |
Um diesen Fall ging es vor dem FG Berlin-Brandenburg
Ein Verein mit dem Satzungsweck der Förderung des demokratischen Staatswesens betrieb eine Petitionsplattform. Der Satzungszweck sollte vor allem verwirklicht werden durch die Nutzung und Entwicklung der Möglichkeiten des Internets als Medium, die Organisation und Durchführung politischer Diskussionen, Veranstaltungen und Online-Petitionen und als Instrument zur politischen Beteiligung von Bürgern sowie der Mitwirkung an der Entwicklung von politisch gewollten Vorschlägen und Gesetzentwürfen.
Das Finanzamt hatte die Gemeinnützigkeit zunächst auf Basis der Satzungsprüfung gewährt, dann aufgrund der ersten Steuerklärung wieder entzogen. Die Begründung: Mit der Petitionsplattform verfolge der Verein nicht seinen steuerbegünstigten Zweck. Eine Petitionsplattform diene nur dann der Förderung des demokratischen Staatswesens, wenn es sich um Petitionen im Sinne von Art. 17 GG handele. Soweit der Verein Wissen zur Durchführung von Petitionen und Kampagnen vermittle, handele es sich um Volks- und Berufsbildung; dies sei aber nicht Satzungszweck.
Darum hat das FG die Gemeinnützigkeit gewährt
Gegen den Bescheid des Finanzamts klagte der Verein und bekam vor dem FG Recht. Eine gemeinnützige allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist gegeben, wenn sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt. Sie darf nicht Bestrebungen fördern, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind. Das war aber nicht der Fall (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2023, Az. 8 K 8198/22, Abruf-Nr. 239251).
Verein hatte gemeinnützigen Zweck nach § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO erfüllt
Nach der Auffassung des Gerichts bedeutet „allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens“ nach § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO das aktiv werbende Eintreten für Grundsätze des demokratischen Staatswesens. Sie muss sich dabei, umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befassen und diese objektiv und neutral würdigen. Was die Förderung des demokratischen Staatswesens umfasst, leitet sich aus den Grundprinzipien des Grundgesetzes ab. Zum demokratischen Staatswesen gehören insbesondere Gewaltenteilung, freie geheime Wahlen, Mehrparteienregime, staatlicher Aufbau, Föderalismus, Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie Meinungsfreiheit.
Nach Auffassung des Gerichts ist „das demokratische Staatswesen“ im Sinne einer Orientierung an grundrechtlich verbürgten Prinzipien, Rechten und Werten auszulegen. Dazu gehört insbesondere die Förderung der Ausübung der grundgesetzlich verbürgten Grundrechte, wie im Streitfall der Meinungsfreiheit, sowie der Förderung allgemeiner demokratischer Teilhabe. Dabei sind nicht nur Petitionen nach Art. 17 GG begünstigt. Das würde den Begriff des „demokratischen Staatswesens“ zu sehr verengen.
Zurverfügungstellen der Plattform allein genügt nicht
Zwar bestand die Tätigkeit des Vereins zunächst in der Zurverfügungstellung der Plattform. Dazu gehörte aber auch, dass er dazu Leitfäden, FAQ und Schulungsvideos erstellte und zum Abruf verfügbar machte.
Die eigentliche Fördertätigkeit lag aber darin, die aktiven Nutzer der Plattform zu unterstützen. Damit lag eine aktive unmittelbare Förderung von Meinungsäußerung und demokratischer Teilhabe vor, die die einzelnen Nutzer ermutigen und stärken soll. Außerdem hatte der Verein nicht nur die Plattform „betrieben“, sondern über das Vorhalten einer üblichen Social-Media-Plattform“ hinaus Aktivitäten entfaltet. Die Offenheit der über die Plattform verfolgbaren Ziele und Zwecke – so das FG – führte gerade nicht dazu, dass keine Förderung des demokratischen Staatswesens mehr vorliegt.
Plattform muss offen für verschiedene Anliegen sein
Der Verein hatte über die Plattform vielfältige Kampagnen gestartet. Er war also offen für sämtliche – nicht rechtswidrige oder gar verfassungswidrige – Anliegen. Damit lag auch eine hinreichende „geistige Offenheit“ der Tätigkeit vor. Der Verein hatte sich die Inhalte der Petenten (Kampagnenstarter) nicht zu eigen gemacht hat.
Die Inhalte der einzelnen Kampagnen waren gerade nicht Gegenstand der inhaltlichen Arbeit. Dass die einzelnen Kampagnen auch Einzelinteressen verfolgt hatten (z. B. Nichtabschiebung konkreter Personen in einen Herkunftsstaat, Wiederaufnahme konkreter Strafprozesse), war unerheblich, weil die Tätigkeit des Vereins sich gerade nur auf die „Vorstufe“ der Meinungsäußerung zur Zielerreichung begrenzte. Er bestärkte damit Bürger darin, öffentlich ihre Ziele zu vertreten, zu verbreiten und die Masse in der Öffentlichkeit zu erreichen.
Abgrenzung von politischer Bildung
Es handelte sich bei der Tätigkeit des Vereins auch nicht um Volksbildung im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO. Seine Tätigkeit bestand nicht in Aus- und Fortbildungsleistungen in Bezug auf Grundrechte und deren Gehalt und Grenzen (politische Bildung). Die Bildungskomponente war nur mittelbare Folge.
FG betätigt auch Unmittelbarkeit der Zweckverfolgung
Der Verein verfolgte den Zweck nach Ansicht des FG auch unmittelbar. Es ging ihm nämlich um die Förderung der „Teilnehmer“ in Deutschland, die auf der Plattform aktiv werden wollen. Seine Tätigkeit bestand nicht darin, einzelne Petitionen zu fördern. Auch auf der Plattform wurde für Jedermann ersichtlich, dass die einzelnen Petitionen nicht im Namen des Vereins selbst veröffentlicht wurden.
AUSGABE: VB 2/2024, S. 16 · ID: 49880772