Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage
VBVereinsBrief

GemeinnützigkeitMildtätige Zwecke: Wann sind Personen wirtschaftlich hilfsbedürftig?

Abo-Inhalt30.01.2024174 Min. Lesedauer

| Die Abgrenzung von gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken führt in der Praxis immer wieder zu Fragen. VB macht Sie deshalb in einer Beitragsreihe mit den besonderen Anforderungen bei mildtätigen Satzungszwecken vertraut. In Teil 2 der Reihe geht es um die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit. Neben der Unterstützung persönlich hilfsbedürftiger Personen fällt auch die Hilfe für wirtschaftlich hilfsbedürftige Menschen unter die mildtätigen Zwecke. |

Die Einkommensgrenzen für wirtschaftlich Hilfsbedürftige

Die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit knüpft an die Regelsätze der Sozialhilfe an. Als wirtschaftlich hilfebedürftig gilt eine Person nach § 53 Nr. 2 AO, wenn ihre Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Regelsatzes der Sozialhilfe. Bei Alleinstehenden oder Alleinerziehenden gilt als Maßstab das Fünffache des Regelsatzes. Seit dem 01.01.2024 beträgt er für Volljährige, die nicht in einer Partnerschaft zusammenleben (Regelbedarfsstufe 1), 563 Euro im Monat.

Wichtig | Die Höhe der Sozialhilfe wird nach sechs Regelbedarfsstufen ermittelt. Für allein und zusammenlebende Erwachsene gelten unterschiedliche Regelstufen. Weitere Regelbedarfsstufen gibt es für Kinder- und Jugendliche nach den Altersgrenzen bis sechs, vierzehn, bzw. 18 Jahren.

Beispiel

Die Grenzwerte sind recht hoch bemessen. So ergibt sich z. B. für zwei Erwachsene mit zwei Kindern im Alter von zehn und zwölf Jahren, die zusammen in einem Haushalt leben, aktuell insgesamt ein Grenzwert von 7.168 Euro im Monat.

Wichtig | Die hohen Grenzwerte führen u. a. dazu, dass die Bewohner von Altersheimen fast ausnahmslos wirtschaftlich hilfsbedürftig sind und die Heime damit uneingeschränkt als mildtätig anerkannt werden können. In der Regel besteht hier aber bereits eine persönliche Hilfsbedürftigkeit, zumal die Finanzverwaltung diese bei Menschen ab 75 Jahren grundsätzlich unterstellt.

Die Grenzwerte bemessen sich allein an den Sozialhilferegelsätzen. Eventuelle Mehrbedarfszuschläge werden nicht berücksichtigt. Das gilt auch für Leistungen für die Unterkunft (AEAO zu § 53, Ziffer 5).

Bei der Ermittlung der Einkünfte werden die Bezüge sämtlicher Haushaltmitglieder einbezogen. Für Angehörige mit eigenem Hausstand wird die Bedürftigkeit getrennt geprüft.

Hilfsbedürftigkeit von Minderjährigen

Bei Kindern- und Jugendlichen müssen grundsätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern miteinbezogen werden. Minderjährige sind also nicht schon deswegen wirtschaftlich hilfebedürftig, weil sie keine eigenen Einkünfte haben. Nach Auffassung der Finanzverwaltung müssen mildtätige Organisationen die Bedürftigkeit aber nur bei Erwachsenen nachweisen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren werden regelmäßig als pauschal hilfsbedürftig behandelt, ohne dass es auf das Einkommen der Eltern ankommt (OFD Hannover, Schreiben vom 18.10.2000, Az. S 0184 – 8 – StO 214/S 2729 – 703 – StH 233). Die Regelung soll eine Ungleichbehandlung von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft vermeiden, z. B. bei der Schülerverpflegung.

Wichtig | Das FG Köln hat dieser Vereinfachungsregelung widersprochen (19.01.2017, Az. 13 K 1160/13, Abruf-Nr. 195384). Seiner Auffassung nach ist die Hilfsbedürftigkeit von Kindern oder Jugendlichen nach den gleichen Grundsätzen wie bei Erwachsenen zu beurteilen. Lediglich bei Kleinkindern kann die (persönliche) Hilfebedürftigkeit generell unterstellt werden.

Einen Sonderfall stellen unverheiratete minderjährige Schwangere und minderjährige Mütter dar, die Kinder bis zum sechsten Lebensjahr betreuen und im Haushalt ihrer Eltern leben. Hier werden die Bezüge und das Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

Was gehört zu den Bezügen?

Nach Auffassung der Finanzverwaltung zählen zu den Bezügen i. S. d. § 53 Nr. 2 AO die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG sowie alle anderen – für die Bestreitung des Unterhalts bestimmten oder geeigneten – Bezüge aller Haushaltsangehörigen. Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Einnahmen steuerpflichtig oder steuerfrei sind. Die Finanzverwaltung nimmt bei dem Begriff „Einkünfte“ Bezug auf R 32.10 der Einkommensteuer-Richtlinien. Insbesondere gehören dazu auch

  • Einkommen aus Lohn- und Gehalt, abzüglich nachgewiesener Werbungskosten,
  • Unterhaltsleistungen, soweit sie tatsächlich bezahlt werden,
  • Kindergeld,
  • Wohngeld,
  • steuerbefreite Einnahmen und Veräußerungsgewinne und
  • Renten

Aufwendungen, die mit diesen Einnahmen in Zusammenhang stehen, dürfen abgezogen werden. Alternativ ist ein pauschaler Abzug in Höhe von 180 Euro pro Jahr möglich (AEAO, Nr. 8 zu § 53).

Nicht angerechnet werden

  • Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und
  • steuerfreie Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12, 13, 26, und 26a EStG.

Wann und wie Vermögen angerechnet wird

Besitzt die hilfsbedürftige Person Vermögen, fehlt die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit, wenn es zur nachhaltigen Verbesserung des Unterhalts ausreicht und es zumutbar ist, das Vermögen dafür zu verwenden.

Die Finanzverwaltung erlaubt ein Schonvermögen bis zum Veräußerungswert von 15.500 Euro (AEAO Nr. 9 zu § 53). Nicht darauf angerechnet werden

  • Vermögensgegenstände, deren Veräußerung offensichtlich eine Verschleuderung bedeuten würde oder die einen besonderen Wert für die unterstützte Person haben oder zu ihrem Hausrat gehören;
  • ein angemessenes Hausgrundstück i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das die unterstützte Person allein oder mit Angehörigen bewohnt, denen es nach dem Tod der unterstützten Person weiter als Wohnraum dienen soll.

Die Grenze bezieht sich auch bei einem Mehrpersonenhaushalt auf jede unterstützte Person.

Besondere Notlagen

Nach § 53 Nr. 2 AO dürfen bei Personen, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist, die Bezüge oder das Vermögen die genannten Grenzen übersteigen. Das Gesetz verlangt hier ausdrücklich, dass die wirtschaftliche Lage der betroffenen Person aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist. Das gilt z. B. für Opfer von Naturkatastrophen, Unglücksfällen und ähnlichen Ereignissen.

Wichtig | Unterstützungsleistungen müssen aber immer an bedürftige Personen gehen. Leistungen, die sich auf die betriebliche oder berufliche Tätigkeit von Unternehmen oder Selbstständigen beziehen sind – auch in Katastrophenfällen – nicht begünstigt (LfSt Rheinland-Pfalz, Schreiben vom 27.07.2021, Az. S 1915 A – St 33).

Hilfsleistungen im Ausland

Nicht geklärt ist, ob die genannten Obergrenzen zur Hilfebedürftigkeit auch für Hilfeleistungen im Ausland gelten. Zumindest bei Katastrophenfällen spielt das aber keine Rolle, weil hier die Ausnahmeregelung des § 53 Nr. 2 AO greift (Notlage aus besonderen Gründen).

Form der Hilfeleistungen

Für die Art der Hilfeleistung gibt es keine Beschränkung. Sie kann in Sachleistungen bestehen, aber auch in finanziellen Zuwendungen. Denkbar sind auch zinsfreie Darlehen oder die Überlassung von (verbilligtem) Wohnraum.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Wann verfolgt Ihre Organisation einen nach § 53 AO begünstigten mildtätigen Zweck?“, VB 12/2023, Seite 14 → Abruf-Nr. 49806511
  • In der nächsten Ausgabe lesen Sie mehr zum Thema „Nachweispflichten mildtätiger Einrichtungen und Befreiungen von der Nachweispflicht“.

AUSGABE: VB 2/2024, S. 13 · ID: 49886593

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte