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UmsatzsteuerNeu beim BFH: Ist durch Besteuerung der Mitgliedsbeiträge der Vorsteuerabzug maximierbar?
| Sportvereine können ihre Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterwerfen, um so den Vorsteuerabzug aus dem Bau und der Unterhaltung von Sportanlagen möglich zu machen. Dabei müssen sie aber beachten, dass für Mitgliedsbeiträge – mindestens teilweise – die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG gelten kann. Das hat das FG Niedersachsen entschieden und den Vorsteuerabzug beim Bau eines Kunstrasens gewaltig eingeschränkt. Der Verein lässt aber nicht locker. Er hat Revision beim BFH eingelegt. VB stellt das Urteil vor und ordnet es in den Kontext ein. |
Der Fall: Verein will Vorsteuer für Kunstrasen maximieren
Ein Breitensportverein wollte die Vorsteuerbeträge aus der Errichtung eines Kunstrasen-Fußballplatzes geltend machen. Er nutzte den Platz unter anderem für Spiele der 1. Herrenmannschaft, bei denen er umsatzsteuerpflichtige Eintrittsgelder erzielte. Nach der Fertigstellung sollte der Platz ausschließlich durch den Verein genutzt werden. Eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung erfolgt also nicht.
Um den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, erhob der Verein auf seine Mitgliedsbeiträge Umsatzsteuer – mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent.
Die Auffassung des BMF
Das BMF vertritt zur Umsatzbesteuerung der Mitgliedsbeiträge bei Sport-vereinen folgende Auffassung (Schreiben vom 04.02.2019, Az. III C 3 – S 7180/17/10001, Abruf-Nr. 207414):
Entgegen der Verwaltungsvorgabe zu sog. echten Mitgliedsbeiträgen (Abschn. 1.4 UStAE) kann ein Sportverein mit Verweis auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie seine Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterwerfen. Es greifen dann aber die allgemeinen Regelungen des deutschen Umsatzsteuerrechts. Das gilt insbesondere für § 4 Nr. 22b UStG. Danach sind die Teilnahmegebühren an sportlichen Veranstaltungen umsatzsteuerfrei.
Auch Mitgliedsbeiträge können – so das BMF – solche Teilnahmegebühren sein, wenn die Vereinsangebote an die Mitglieder über eine reine Benutzung die Sportanlagen hinausgehen. Das gilt z. B. im Rahmen des Trainingsbetriebs oder bei Wettkämpfen mit anderen Vereinen. Hier handelt es sich um eine Teilnahme an einer sportlichen Veranstaltung. Damit sind die Mitgliederbeiträge Teilnehmergebühren für diese Veranstaltungen.
Mit der Umsatzsteuerbefreiung für die Nutzung der Sportanlage ist der Vorsteuerabzug aus Kosten für deren Errichtung und Betrieb ausgeschlossen.
So argumentierte das Finanzamt
Das Finanzamt folgte dieser Auffassung, dass Mitgliedsbeiträge, die die Teilnahme am Training und an Sportwettkämpfen betreffen und damit über eine reine Benutzung der Sportanlagen hinausgehen, Teilnehmergebühren für von der Umsatzsteuer befreite Veranstaltungen im Sinne des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG seien. Wegen der Steuerfreiheit der Vereinsbeiträge sei dann für Ausgaben des Vereins, die im Zusammenhang mit Trainingsleistungen (sportlichen Veranstaltungen) stehen, nach § 15 Abs. 2 UStG der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
In der Konsequenz ließ das Finanzamt deshalb lediglich einen anteiligen Vorsteuerabzug zu. Und zwar in dem Umfang, wie die 1. Herrenmannschaft den Kunstrasenplatz zeitanteilig nutzte. Dagegen klagte der Verein.
Und so entschied das FG Niedersachsen
Das FG Niedersachsen ist im Wesentlichen der Auffassung des Finanzamts gefolgt und hat damit den Vorsteuerabzug für den Bau des Kunstrasens nur sehr eingeschränkt gewährt (FG Niedersachsen, Urteil vom 10.01.2023, Az. 11 K 147/22, Abruf-Nr. 239254).
Die Steuerbefreiung der Mitgliedsbeiträge und deren Umfang
Diese Auffassung bestätigt das FG. Demnach sind die Mitgliedsbeiträge umsatzsteuerbefreit, soweit sie darauf entfallen, dass der Verein seinen Mitgliedern die Teilnahme am Training und an Punkt- sowie Testspielen ermöglicht. Seine Mitgliedsbeiträge sind zwar Entgelte für seine steuerbaren Leistungen. Diese Leistungen sind aber nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei und schließen daher insoweit den Vorsteuerabzug aus.
Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge sind nur abzugsfähig, soweit der Verein den Kunstrasenplatz für die Punktspiele der 1. Herrenmannschaft nutzt, aus denen steuerpflichtige Eintrittsgelder erzielt werden.
Praxistipp | Für den Vorsteuerabzug kommt es darauf an, welche Nutzung der Verein zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs – d. h. der Errichtung des Kunstrasenplatzes – beabsichtigt. Ändern sich die Verhältnisse später, muss er eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG vornehmen. |
EuGH- und BFH-Urteile belegen Steuerbarkeit der Mitgliedsbeiträge
Bezüglich der Umsatzbesteuerung von Mitgliedsbeiträgen verweist das FG auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und BFH. Wie der EuGH mit Urteil vom 21.03.2002 (Rs. C-174/00, Abruf-Nr. 051238, Kennemer Golf & Country Club) entschieden hat, können Jahresbeiträge der Mitglieder eines Sportvereins die Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen sein.
Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Mitglieder die Vorteile tatsächlich in Anspruch nehmen (BFH, Urteil vom 09.08.2007, Az. V R 27/04, Abruf-Nr. 072992). Bei Sportvereinen besteht somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Vereins, den Mitgliedern Vorteile wie Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, und den Mitgliedsbeiträgen.
Mitgliedsbeiträge waren für FG steuerbare Leistungen
Deswegen waren die Mitgliedsbeiträge im vorliegenden Fall steuerbare Leistungen, weil der Verein seinen Mitgliedern Sportanlagen wie den Kunstrasenplatz für den Trainings- und Spielbetrieb zur Verfügung stellte. Diese Nutzungsmöglichkeit gewährte der Verein den Mitgliedern aufgrund der gezahlten Mitgliedsbeiträge.
Die Mitgliedsbeiträge sind jedoch gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerbefreit und schließen damit den Vorsteuerabzug aus. Im vorliegenden Fall kam der jeweilige Mitgliedsbeitrag nämlich allgemein dem Verein zugute und wurde nicht überwiegend zur Deckung der Kosten des jeweiligen Trainings- und Punktspiels verwendet.
Dabei greifen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22b UStG. Diese Steuerbefreiung erfasst organisatorische Maßnahmen eines Sportvereins, die es aktiven Sportlern ermöglichen, Sport zu treiben, wobei eine bestimmte Organisationsform oder -struktur nicht vorgegeben ist.
Wichtig | Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an eine sportliche Veranstaltung nach § 4 Nr. 22b UStG sehr niedrig angesetzt. Bereits eine Aufsicht über den Sport- oder Trainingsbetrieb kann den dafür erforderlichen organisatorischen Rahmen liefern (FG München, Urteil vom 29.01.2015, Az. 14 K 1553/12, Abruf-Nr. 144636).
FG wertet Mitgliedsbeiträge als Entgelt in Form einer Teilnehmergebühr
Die Mitgliedsbeiträge – so das FG – sind ein Entgelt in Form einer Teilnehmergebühr und kein Entgelt für die bloße Nutzungsüberlassung von Sportgeräten oder -anlagen. Der Verein bietet den Mitgliedern einen organisierten und strukturierten Trainings- sowie Spielbetrieb – also eine sportliche Veranstaltung im Sinn des § 4 Nr. 22b UStG. Dass einige Mitglieder davon keinen Gebrauch machen und nicht durch einen Trainer angeleitet bzw. nicht am Ligabetrieb teilnehmen ändert daran nichts. Grundsätzlich besteht nämlich die Möglichkeit, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Unerheblich ist, dass die Vereinsmitglieder die Mitgliedsbeiträge für die Möglichkeit entrichteten, an diesen Veranstaltungen (Trainings- sowie Spielbetrieb) tatsächlich teilzunehmen. Das gilt nämlich auch für sportliche Veranstaltungen, für die eine explizite Teilnehmergebühr erhoben wird. Auch hier sind die Gebühren meist im Voraus fällig, ohne dass es auf die tatsächliche Teilnahme ankommt.
Der teilweise Vorsteuerabzug und wie er sich ermittelt
Die Steuerfreiheit der Mitgliedsbeiträge schließt den Vorsteuerabzug für das FG also aus. Zulässig ist er nur insoweit, als der Kunstrasenplatz für die Punktspiele der 1. Herrenmannschaft genutzt wird. Für die Ermittlung des entsprechenden Anteils hält das FG eine Aufteilung anhand der Nutzungszeiten des Kunstrasenplatzes für angemessen.
Dabei unterlegt es, dass die 1. Herrenmannschaft die steuerpflichtigen Eintrittsgelder nur aus bestimmten Punktspielen erzielt, die zudem nur gelegentlich auf dem Kunstrasenplatz stattfinden. Die Spiel- und Trainingszeiten der anderen Mannschaften auf dem Kunstrasenplatz sind dabei nicht zu berücksichtigen, weil sie mit den erzielten steuerpflichtigen Eintrittsgeldern nicht im unmittelbaren Zusammenhang stehen.
Das FG hat dabei folgende Berechnung angestellt:
Praxistipp | Das FG hat nur die Nutzung des Kunstrasenplatzes für Spiele berücksichtigt. Das Training der 1. Herrenmannschaft hat es außer Acht gelassen. Hier könnte der Verein argumentieren, dass auch das Training berücksichtigt werden muss, weil es der Erzielung von steuerpflichtigen Umsätzen – der Vorbereitung auf die Spiele mit Eintrittsgeldern – dient. |
- Der Kunstrasenplatz wurde im betreffenden Zeitraum insgesamt 1.410,5 Stunden genutzt.... im konkreten Fall auf zwei Prozent des maximal möglichen Vorsteuerbetrags
- Die 1. Herrenmannschaft hatte ihn für Punkt- und Testspiele 36 Stunden lang genutzt
- Dieser Nutzungsanteil betrug also 2,55 Prozent.
- Weil nicht bei allen Spielen Eintrittsgelder eingenommen wurden, schätzte das Gericht die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge nur auf zwei Prozent der gesamten Vorsteuerbeträge für die Errichtung des Kunstrasenplatzes.
Was sagt der BFH?
Das FG Niedersachsen hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Revision zum BFH zugelassen. Der Verein hat sie eingelegt. Der Musterprozess ist beim BFH unter dem Az. V R 4/23 anhängig. Vereine, die sich in ähnlichen Vorsteuerabzugsauseinandersetzungen mit dem Finanzamt befinden, können sich auf den Musterprozess berufen und das Ruhen ihres Verfahren beantragen.
Fazit | Bis dato muss man konstatieren, dass die Besteuerung der Mitgliedsbeiträge nur in bestimmten Fällen einen nennenswerten Vorsteuerabzug ermöglicht. Dazu müssen die Leistungen an die Mitglieder, die mit dem Beitrag vergütet sind, zu einem erheblichen Teil in folgenden Bereichen liegen:
Es wird interessant, ob der BFH mit seiner Entscheidung an diesen Maßgaben etwas ändert. VB bleibt für Sie am Ball. |
AUSGABE: VB 2/2024, S. 4 · ID: 49880798