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Fiktive AbrechnungWer repariert hat und fiktiv abrechnet, muss die Rechnung nicht offenlegen

Abo-Inhalt17.04.20254881 Min. Lesedauer

| Bei fiktiver Schadensabrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. So sagt es der Leitsatz einer aktuellen Entscheidung des VI. Senats des BGH (28.1.25, VI ZR 300/24, Abruf-Nr. 247365. |

1. Abgrenzung zur „Gier frisst Hirn“-Entscheidung des BGH

Das ist nicht Neues, dieselbe Formulierung findet sich in BGH 17.9.19, VI ZR 396/18, Rn. 9, Abruf-Nr. 212266. Doch im aktuellen Urteil erläutert der Senat die Abgrenzung zu seiner Entscheidung vom 3.12.13, VI ZR 24/13, Abruf-Nr. 140151. In der Entscheidung hatte der Geschädigte fiktiv die Kosten für die Reparatur in der Markenwerkstatt abgerechnet. Zusätzlich wollte er noch die Mehrwertsteuer erstattet bekommen, die er in einer deutlich preisgünstigeren Werkstatt für die vollständige und fachgerechte Reparatur aufgewendet hat. Dafür hat er die Rechnung für die günstigere Reparatur freiwillig vorgelegt. Und der BGH entschied, dass unter den Umständen des Falles auch bei der fiktiven Abrechnung der Schadenersatz auf den Bruttobetrag der vorgelegten Rechnung beschränkt ist.

Daraus schlossen Teile der Literatur und der Rechtsprechung und – naheliegend – auch viele Versicherer: Wer vorträgt, dass er reparieren ließ, könne nicht mehr auf Gutachtenbasis abrechnen. Er müsse die Kosten der durchgeführten Reparatur nachweisen. Der Hintergrund ist in aller Regel, dass der Geschädigte den Ausfallzeitraum nachweist und dafür Nutzungsausfallentschädigung beansprucht. Der Versicherer kontert, er müsse die Rechnung vorlegen. Tut er es nicht, müsse er davon ausgehen, dass die Rechnung mindestens um so viel geringer war, wie Nutzungsausfallentschädigung verlangt wird. Mit dem Anspruch auf Rückforderung werde gegen den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung aufgerechnet.

2. Der Leitsatz ist deutlich, Risiken verbergen sich im Volltext

Mit der aktuellen Entscheidung ist nun geklärt, dass der Geschädigte die Rechnung nicht vorlegen muss. Doch es lauern dennoch Risiken für den Geschädigten.

Er wollte auf Grundlage deutscher Kosten fiktiv abrechnen, hat aber bei einem Heimaturlaub in der Türkei die Reparatur durchführen lassen. Die Rechnung dafür hat er nicht vorgelegt. Er verlangte neben den Reparaturkosten laut Gutachten auch die Wertminderung und eine Nutzungsausfallentschädigung.

3. Das Risiko: Verweis des VR auf die günstigere Werkstatt

Aus einer weiteren Entscheidung des BGH zur fiktiven Abrechnung kennen wir das Phänomen der Verweisung auf die Reparaturwerkstatt. Es war ein werkstatteigenes Fahrzeug, die Geschädigte rechnete fiktiv ab und machte keine Angaben zur Auslastung der Werkstatt zu der maßgeblichen Zeit. Der Versicherer zog von den kalkulierten Reparaturkosten einen Betrag von 20 Prozent ab. Das kann er nach der Rechtsprechung des BGH nicht, wenn die Werkstatt bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur eine ausreichende Auslastung mit Fremdaufträgen hatte.

Bei der fiktiven Abrechnung muss man sich die Reparatur in der eigenen Werkstatt zeitnah zum Schaden denken. Und dann kommt es auf die Auslastung zum Zeitpunkt der gedachten Reparatur an. Dazu gab es keine Feststellungen. In der Situation kann der Versicherer den Geschädigten auf die gedachte Reparatur in dessen eigener Werkstatt verweisen. Mangels nachgewiesener Auslastung minus 20 Prozent (BGH 26.5.23, VI ZR 274/22, Abruf-Nr. 236279).

4. Der Verweisungsgedanke ist das Maß der Dinge

Der Verweisungsgedanke macht den Unterschied: Der Geschädigte, der die Mehrwertsteuer aus der unterhalb des Gutachtenbetrags liegenden Rechnung für die durchgeführte Reparatur verlangte und dazu die Rechnung vorlegte, hat sich quasi selbst auf die günstige Werkstatt verwiesen. Das liest sich in der aktuellen Entscheidung unter Rn. 18 so: „Im dortigen Fall war ein Verweis der Schädigerseite auf eine gleichwertige, aber günstigere Reparaturmöglichkeit in einer dem Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Werkstatt nicht erforderlich, weil der Geschädigte hierzu selbst – auch zu den Kosten der in einer Fachwerkstatt an seinem Wohnort durchgeführten Reparatur – vorgetragen hatte. Damit hatte der Geschädigte selbst eingeräumt, dass die Voraussetzungen der Schadensminderungspflicht erfüllt sind.“

Demgegenüber ist ausgeschlossen, dass der Versicherer den in Deutschland lebenden Geschädigten auf eine Werkstatt in der Türkei verweisen kann.

5. Aus der Verweisungsmöglichkeit ergibt sich ein Risiko

Stellt man sich den Fall so vor, dass der Geschädigte eine Reparaturdauerbestätigung mit einem Reparaturablaufplan der von ihm in Anspruch genommen Werkstatt vorlegt, aber nicht deren Rechnung, kann der Versicherer die Konditionen dieser Werkstatt ermitteln und – wenn es ihm günstig ist – den Geschädigten auf diese Werkstatt verweisen.

Unklar bleibt mangels Angaben zum Alter und zum „Scheckheftstatus“ des Fahrzeugs, ob für die Verweisung die Verweisungssperren „nicht älter als drei Jahre“ und „zwar älter, aber scheckheftgepflegt“ greifen. Das sind nach der BGH-Rechtsprechung Zumutbarkeitsgrenzen. Es ließe sich durchaus hören, dass in diesem Zusammenhang nicht unzumutbar ist, was sich der Geschädigte selbst zumutet.

AUSGABE: VA 5/2025, S. 77 · ID: 50372065

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