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FahrerlaubnisentzugAktuelle Rechtsprechung zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG
| Der im Verkehrsrecht tätige Rechtsanwalt muss vor allem auch die Rechtsprechung zu den verkehrsverwaltungsrechtlichen Fragen der Entziehung der Fahrerlaubnis im Auge behalten. Wir haben nachfolgend einige neuere Entscheidungen zu der Problematik zusammengestellt. |
Inhaltsverzeichnis
BayVGH 22.1.24, 11 CS 23.1451, Abruf-Nr. 240264
Der BayVGH hat in seinem Beschluss noch einmal die Frage bejaht, ob einem Fahrerlaubnisinhaber, der ein Fahrrad im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr oder mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat, aufgegeben werden kann, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen (§ 46 Abs. 3 i. V. m. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Aus der Weigerung oder Nichtbeibringung kann dann auf Nichteignung geschlossen werden. Der BayVGH hat zudem festgestellt, dass von einer Trunkenheitsfahrt auch unabhängig von einer strafrechtlichen Ahndung, insbesondere aufgrund eines polizeilichen Sachberichts und der Blut- und Atemalkoholtests, ausgegangen werden kann. Und: Die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153a StPO bringt nicht zum Ausdruck, dass der Tatverdacht gegen den Fahrerlaubnisinhaber damit ausgeräumt wäre.
BayVGH 22.1.24, 11 AS 23.2111, Abruf-Nr. 240263
In diesem Beschluss des BayVGH wird nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad (BAK von 2,35 Promille) zur Fragestellung in einem angeordneten Sachverständigengutachten Stellung genommen. Nach Auffassung des BayVGH kann die Fahrerlaubnisbehörde nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad in einer Begutachtungsanordnung separat nach der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge fragen. Die Frage nach der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist zulässig, wenn die Fragen thematisch klar voneinander abgegrenzt sind, sich nicht überschneiden und nicht aufeinander aufbauen. Sie wird dann nicht von der Rechtswidrigkeit der Frage nach der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge „infiziert“.
BayVGH 15.1.24, 11 CS 23.1639, Abruf-Nr. 240265
Der BayVGH bestätigt die Auffassung der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung, dass die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Eine Weigerung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn der Betroffene die Untersuchung teilweise verweigert oder unmöglich macht, indem er etwa unzureichend mitwirkt.
Davon ist der BayVGH hier ausgegangen. Es lag zwar ein ärztliches Gutachten vor. Dessen Ergebnis war jedoch nicht nachvollziehbar. Die Gutachterin hatte die Frage nach vergangenem oder aktuellem Drogenkonsum beantwortet ohne zu werten, dass der Antragsteller keine Angaben zu dem zur Begutachtung anlassgebenden Vorfall gemacht hat. Insofern war also ein neues Gutachten erforderlich, was der Betroffene anders gesehen hatte.
BayVGH 29.1.24, 11 CS 23.2036, Abruf-Nr. 240266
In diesem Verfahren vor dem BayVGH ist um die Wirksamkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem gestritten worden. Der Fahrerlaubnisinhaber hatte unvollständig gewährte Akteneinsicht vor Erlass des Bescheids und darauf resultierende Nichtigkeit des Verwaltungsakts geltend gemacht.
Der BayVGH hat eine Nichtigkeit verneint. Ein Verwaltungsakt ist gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG bzw. entsprechender sonstiger landesrechtlicher Regelungen nur nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die nicht vorlagen, ist jedoch die nicht (vollständig) gewährte Akteneinsicht kein besonders schwerwiegender Fehler. Vielmehr ist dies vom Gewicht her mit der unterbliebenen Anhörung eines Beteiligten vergleichbar, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann.
BayVGH 9.1.24, 11 CS 23.2041, Abruf-Nr. 241441
In diesem Beschluss bestätigt der BayVGH die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis nach einmaligem Amphetaminkonsum, da es sich um eine sog. harte Droge handelt.
Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtung der Entziehung der Fahrerlaubnis kommt es im Übrigen auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung an. Nach Erlass der Entziehungsentscheidung eingetretene Änderungen der Sachlage können weder im Klageverfahren noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern allenfalls in einem behördlichen Verfahren zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden. Der BayVGH hat damit dem Vorbringen der Fahrerlaubnisinhaberin, die darauf hingewiesen hatte, dass sie seit dem Konsumtag keine Drogen mehr konsumiert habe – Stichwort: Drogenabstinenz – eine Absage erteilt.
OVG Lüneburg 9.2.24, 12 PA 65/23, Abruf-Nr. 240282
Hinzuweisen ist dann noch auf eine Entscheidung des OVG Lüneburg. Danach kann eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie bei fraglicher Drogenabstinenz auch mehr als zwei Jahre nach ihrem nachweislichen Auftreten berechtigte Zweifel an der Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen.
AUSGABE: VA 6/2024, S. 106 · ID: 49958149