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Nutzungsausfall„Vermietfahrzeug für Selbstfahrer“: Fehlender Eintrag und der subjektbezogene Schadenbegriff

Abo-Inhalt17.01.2024281 Min. Lesedauer

| Ein Dauerbrenner der Rechtsstreitigkeiten um die Erstattung der Mietwagenkosten ist die Problematik des vom Autohaus vermieteten Fahrzeugs, für das der Zulassungsstelle nicht gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 alt bzw. § 6 Abs. 5 Nr. 1 neu der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) angezeigt wurde, dass das Fahrzeug (auch) zur Vermietung an Selbstfahrer verwendet wird. Entsprechend fehlt die Eintragung des Verwendungszwecks in Zeile 21 der Zulassungsbescheinigung Teil I. |

1. Begriffsbestimmung

Wer § 6 Abs. 4 Nr. 2 FZV bzw. § 6 Abs. 5 Nr. 1 FZV neu nicht kennt, wird häufig bei der Suche unter dem Stichwort „Mietwagen“ fehlgeleitet. Das gilt umso mehr, als aufseiten eines Versicherers in Rechtsstreitigkeiten auch häufig die falsche Vorschrift benannt wird, um vorzugaukeln, dass für einen Mietwagen eine Konzession benötigt werde. Gefördert wird das Missverständnis noch über den umgangssprachlichen Gebrauch des Worts „Mietwagen“, der von der Diktion des Verwaltungsrechts abweicht.

Den „Mietwagen“ findet man in § 49 Abs. 4 PersBefG. Ein „Mietwagen“ ist – salopp gesagt – ein „Taxi ohne Taxischild“, oftmals unter Marken wie „minicar“, „UBER“ oder „VAIO“ am Markt. Der Unterschied zum Taxi liegt darin, dass ein Taxi in seinem Einsatzgebiet jeden potenziellen Fahrgast aufsammeln darf, der sich als mitfahrwillig zu erkennen gibt, beispielsweise indem er am Straßenrand winkt. Ein Mietwagen hingegen darf nur auf vorherige Bestellung Fahrgäste aufnehmen.

In der schadenrechtlichen Thematik geht es aber nicht um einen solchen „Mietwagen“, sondern um das „Vermietfahrzeug für Selbstfahrer“.

2. Das Marktgeschehen und die Begleitmusik

Das schadenrechtliche Problem resultiert daraus, dass viele Autohäuser die zur Mobilhaltung der Kunden verwendeten Fahrzeuge aus verschiedenen Gründen zulassungsrechtlich nicht ordnungsgemäß behandeln. Zulassungsrechtlich denkbare Sanktionen werden nicht ernst genommen („Bis jetzt ist es immer gut gegangen …“). Dasselbe gilt für die wettbewerbsrechtlichen Risiken (KG 12.9.06, 5 U 100/06, Abruf-Nr. 101223; OLG Brandenburg 28.11.17, 6 U 23/16, Abruf-Nr. 206422). Allenfalls wird noch darauf geachtet, dass der eigene Versicherer mit der Vermietung einverstanden ist, um den Obliegenheitsverstoß der ungenehmigten Gefahrerhöhung zu vermeiden. Die autohaustypischen MultiRisk-Policen enthalten regelmäßig das Einverständnis des Versicherers, auf das Autohaus zugelassene Fahrzeuge gelegentlich zu vermieten. Damit ist das existenzbedrohende Risiko gebannt.

3. Probleme des Autovermieters sind keine des Geschädigten

Alles das muss aber den typischen Geschädigten nicht weiter interessieren. Sehr prägnant fasst das AG Stuttgart zusammen:

„Nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage verstößt eine gewerbliche Anmietung von Fahrzeugen ohne Eintragung des Vermietzwecks gegen § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 6 Abs. 4 Nr. 2 FZV und wäre wettbewerbswidrig. Hieraus kann jedoch keine Unwirksamkeit des Mietvertrags abgeleitet werden, da es sich um kein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB handelt. Es spielt damit schadenersatzrechtlich keine Rolle, ob ein Fahrzeug als Vermietfahrzeug für Selbstfahrer zugelassen ist; der Mietvertrag ist deswegen jedenfalls nicht nichtig. Nachdem davon auszugehen ist, dass das überlassene Fahrzeug eine ausreichende Kfz-Versicherung aufweist, ist auch eine Vermietung an Selbstfahrer versicherungsseitig erlaubt. Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer des Schädigers kann dem Geschädigten diese fehlende Zulassung als Mietwagen somit nicht entgegenhalten, da eventuelle Mängel im Mietvertrag im Verhältnis Mieter/Vermieter auf den dem Kläger entstandenen Schaden keinen Einfluss haben.“ (AG Stuttgart 8.10.18, 44 C 3512/18, Abruf-Nr. 204956).

Das AG Büdingen sagt: „Im Übrigen steht der Umstand, dass sich der Autovermieter gegebenenfalls wettbewerbswidrig verhält (…), in keinem Zusammenhang mit der Frage der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Andernfalls würde wettbewerbswidriges Verhalten zulasten des Geschädigten sanktioniert (so OLG Dresden 4.11.20, 1 U 995/20, NJW-RR 21, 98 ff.).“ (AG Büdingen 22.9.23, 2 C 143/23, Abruf-Nr. 238921, eingesandt von RAe Wolff Sauer Martin, Hanau).

4. Bisher: Maßstab ist Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten

Bisher galt ziemlich unerschütterlich quer durch die Gerichte: Der „normale“ Geschädigte weiß von all diesen Verwaltungsvorschriften nichts. Er bekommt ein Fahrzeug, das Autohaus nennt es „Mietwagen“. Dass er nun denken müsse „Na, na, na, wenn das mal stimmt. Da schauen wir doch erst mal in der ZB I nach ...“, wäre eine völlige Überspannung der Anforderungen. So sagt mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen das AG Lübeck, der Geschädigte müsse diesbezüglich keine Nachforschungen anstellen und auch nicht Teile der Zulassungsbescheinigung darauf überprüfen, ob das Mietfahrzeug entsprechend zugelassen ist. Er müsse auch nicht nachforschen, ob der Vermieter durch die Vermietung dieses Fahrzeugs gegen gesetzliche Vorschriften verstößt (AG Lübeck 20.12.23, 24 C 1420/23, Abruf-Nr. 238920, eingesandt durch RA Antonio Durán Munoz, Lübeck; sehr ähnlich LG Köln 29.11.23, 13 S 2/23, Abruf-Nr. 238922, eingesandt von RA Matthias Preuss, Dortmund).

5. Das AG Augsburg bringt einen neuen Gedanken ins Spiel

In einer Verfügung des AG Augsburg heißt es nun: „Für die Entscheidung des Gerichts könnte es u. U. einen Unterschied machen, ob und ggf. wann die Mietwagenrechnung bereits bezahlt worden ist. Hierzu ist bislang nichts vorgetragen.“ (AG Augsburg 8.12.23, 21 C 2849/23, Abruf-Nr. 239035).

Soll heißen: Anwendung des subjektbezogenen Schadenbegriffs nur bei bezahlter Mietwagenrechnung. Das ist nicht abwegig, ist doch nach der Rechtsprechung des BGH eine nicht bezahlte Rechnung allein (!) ohne Indizwirkung für die schadenrechtliche Erforderlichkeit.

Dabei kommt es aber auf das „allein“ an, denn im Zusammenspiel mit „anderen Anhaltspunkten“ entsteht die Indizwirkung doch. Der vollständige Leitsatz aus BGH 5.6.18, VI ZR 171/16, Abruf-Nr. 204536, lautet nämlich: „Legt der Geschädigte oder der an seine Stelle getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung über die Sachverständigenkosten vor, genügt ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Geschädigte oder der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt.“

6. Was könnten „andere konkrete Anhaltspunkte“ sein?

Also kommt es darauf an, ob es „… andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten …“ in diesem Sinne gibt. Für die „spezielle Situation des Geschädigten …“ ist im Regelfall auf den Geschädigten mit einem normalen Wissensstand abzustellen. Es mag anders zu beurteilen sein, wenn der Geschädigte Sonderwissen hat, weil er z. B. Fachanwalt für Verkehrsrecht, kaufmännischer Autohausmitarbeiter oder Mitarbeiter eines Autovermieters ist.

In Betracht kommt als Anhaltspunkt zunächst der Mietvertrag. Wenn dem Geschädigten „… in seiner speziellen Situation …“ ein Mietvertrag über ein Mietfahrzeug vorgelegt wird und er mangels Kenntnis der verwaltungsrechtlichen Feinheiten nicht weiß, dass es das Merkmal „Vermietfahrzeug für Selbstfahrer“ gibt, muss er auch nicht danach schauen. Ein weiteres Indiz ist auch die Bezeichnung des Fahrzeugs im Zusammenhang mit der Unfallregulierung. Übergibt ein Mitarbeiter eines Autohauses dem Kunden ein Fahrzeug als dessen Mietwagen für die Ausfalldauer, darf der Geschädigte schlichtweg darauf vertrauen, dass es sich tatsächlich um einen Mietwagen (präzise: um ein Vermietfahrzeug für Selbstfahrer) handelt.

Merke | Wer sich auf den subjektbezogenen Schadenbegriff beruft, muss den Vorteilsausgleich anbieten. Also muss die Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegen das vermietende Autohaus dem Versicherer angeboten werden. Ein Klageantrag muss die Zug-um-Zug-Abtretung beinhalten. Zu guter Letzt sollte der Klageantrag auf Zahlung an das Autohaus lauten, aber mit dem Hinweis, dass es sich dabei um eine Zahlstelle und nicht um eine gewillkürte Prozessstandschaft handelt. Siehe dazu den Beitrag „Neue Erkenntnisse zum Werkstattrisiko bei vom Geschädigten nicht bezahlten Rechnung (BGH)“ in VA 23, 5.

Weiterführender Hinweis
  • Die Musterformulierung „Keine geringeren Kosten bei Vermietung eines nicht als solchen zugelassen Mietwagens“ finden Sie unter Abruf-Nr. 49525952.

AUSGABE: VA 2/2024, S. 25 · ID: 49860524

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