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GutachterkostenAb sofort ohne Abtretung des Schadenersatzanspruchs auf Erstattung der Gutachterkosten?

Top-BeitragAbo-Inhalt17.07.2024622 Min. Lesedauer

| Als Reaktion auf die Rechtsprechung des BGH zum „Sachverständigenrisiko“ (BGH, Urteil vom 12.03.2024, Az. VI ZR 280/22, Abruf-Nr. 240862) wird nun seitens eines Berufsverbands der Schadengutachter empfohlen, keine Abtretung des Erstattungsanspruchs des Geschädigten an den Sachverständigen mehr zu verwenden. Ein Berufsverband der Kfz-Betriebe hat das ja auch schon so empfohlen, da ist die Problemlage unter dem Stichwort „Werkstattrisiko“ dieselbe. Ein Leser, der Schadengutachter ist, fragt: |

Frage: Ohne Abtretung des Schadenersatzanspruchs auf Erstattung der Gutachterkosten an mich fühle ich mich, als führe ich ohne Sicherheitsgurt Auto. Habe ich Nachteile, wenn ich ohne Abtretung agiere?

Antwort: Die nach Auffassung von UE zweifelhafte Idee des Berufsverbands basiert auf der richtigen Erkenntnis: Wenn der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch an den Schadengutachter abtritt, ist der Vorzug des subjektbezogenen Schadenbegriffs in der Ausprägungsform des Sachverständigenrisikos, also die erleichterte Durchsetzung der Erstattung der Gutachterkosten, verloren. Aber das gilt nur für eine offene, also dem Versicherer vorgelegte Abtretung. Der Versicherer muss ja (zunächst) gar nichts von der Abtretung wissen, dazu die Einzelheiten unten.

Alle Versicherer lieb oder alle Kunden kampfbereit

Die Idee des Berufsverbands, ohne Abtretung zu agieren, wäre dann ohne jede Einschränkung richtig, wenn man zweierlei voraussetzen könnte:

  • Jeder Versicherer reguliert korrekt und ungekürzt nach der BGH-Rechtsprechung und akzeptiert, nicht zu kürzen, wenn der Geschädigte die nicht abgetretene Forderung vorgerichtlich selbst geltend macht.
  • Für den (nach UE-Ansicht sehr wahrscheinlichen und massenhaft bestätigten) Fall, dass vorgerichtlich doch nicht korrekt reguliert wird, ist ausnahmslos jeder Geschädigte bereit, die Restforderung selbst einzuklagen.

Wer daran glaubt, dass im Idealfall die erste Voraussetzung eintritt, oder sich mindestens ganz sicher ist, dass ausnahmslos die zweite Voraussetzung als Auffanglösung eintritt, kann ohne Abtretung agieren. Die braucht er dann ja nie.

Nicht alle Versicherer lieb und nicht alle Kunden kampfbereit

Für alle die, die daran nicht glauben, steht die Erkenntnis:

  • Der Versicherer kürzt. (Beim nicht anwaltlich vertretenen Kunden erst recht.)
  • Der Kunde sieht nicht ein, klagen zu sollen. Er kann oder will den Einwand des Versicherers, dass die Gutachtenkosten allzu sportlich sind, aus dem Bauch heraus nachvollziehen. Und vor allem klingt ihm noch der Serviceberater des Autohauses im Ohr: „Nehmen Sie einen Gutachter. Das kostet Sie nichts, das ist für Sie völlig ohne Risiko…“.

Jetzt gibt es ohne Abtretung drei Möglichkeiten:

  • 1. Den Kunden selbst auf die Differenz in Anspruch nehmen. (Dann steht der morgen beim Serviceberater auf der Matte und der übermorgen beim Schadengutachter: Bist Du verrückt?)
  • 2. Jetzt hinter dem Kunden herlaufen und doch noch eine Abtretung besorgen. (Viel Erfolg, wenn der von Anfang an nicht anwaltlich vertreten war! Aber auch, wenn er anwaltlich vertreten war.)
  • 3. Ausbuchen. Darauf läuft es vermutlich hinaus …

Die „Stille Abtretung“ ist die Lösung für den „Plan B“

Die Lösung, die „Plan B“ („Im Zweifel bin ich selbst handlungsfähig. Dann klage ich aus abgetretenem Recht“) enthält, ist die Stille Abtretung. Sie wird vom Kunden unterzeichnet wie bisher. Man sagt dem Kunden „Die Abtretung bleibt in der Anwaltsakte bzw. bei uns, die ist nur für Notfälle.“ Dann ist eine „Stille Abtretung“ vereinbart, die dem Versicherer gar nicht offengelegt wird.

Es gehört zu den Grundsätzen der Stillen Abtretung, dass der Abtretende (der Zedent, also der Geschädigte) berechtigt bleibt, die Forderung einzuziehen: „Haben die Beteiligten die Nichtaufdeckung der Abtretung vereinbart, handelt es sich um eine sogenannte stille Zession, die den Zedenten berechtigt, Leistung an sich selbst zu verlangen.“ (BGH, Urteil vom 23.03.1999, Az. VI ZR 101/98). Das ist etwas Alltägliches: Wer als Angestellter, Beamter oder Richter für Haus und Hof oder für ein Auto einen Kredit aufgenommen hat, hat in dem Kreditvertrag den pfändbaren Anteil seiner Vergütung an die Bank abgetreten. Trotzdem verlangt er monatlich die Zahlung vom Arbeitgeber an sich.

Man kann auch nicht gezwungen werden, die Stille Abtretung offenzulegen. Im Rechtsstreit, in dem der Versicherer behauptet, die Forderung sei doch abgetreten, kann man durchaus und der prozessualen Wahrheitspflicht entsprechend antworten: „Wenn es eine Abtretung gäbe, wäre es eine stille Abtretung. Denn anderenfalls könnte die Beklagte sie ja vorlegen.“ Damit hat man nicht wahrheitswidrig eine Abtretung verneint, aber man hat eben auch keine eingestanden. Das ist so ganz und gar in Ordnung (OLG Bremen, Urteil vom 18.08.2023, Az. 1 U 18/23, Abruf-Nr. 237278). Da muss man aber aufpassen, dass die Abtretung nicht versehentlich Richtung Versicherer entschlüpft, solange sie still sein soll. Das ist eine Frage konsequenter Abläufe.

Wichtig | Dann kann, wenn alle Stricke reißen, der Plan B aktiviert werden. Eine Klage aus abgetretenem Recht ist nach Auffassung von UE bei Gutachterkosten, die sich im Rahmen der BVSK-Erhebung bewegen, noch sinnvoll. Im Hinblick auf Reparaturkosten ist sie es nicht mehr.

AUSGABE: UE 8/2024, S. 9 · ID: 50097922

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