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PV-Anlagen PV-Anlagen-Besteuerung: Finanzministerium Schleswig-Holstein klärt Zweifelsfragen
| Mit Erlass vom 27.08.2024 hat das Finanzministerium (FinMin) Schleswig-Holstein wichtige Zweifelsfragen für den Betrieb von PV-Anlagen geklärt. U. a. befasst es sich damit, wie Freilandanlagen von untergeordneter Bedeutung mit Blick auf § 3 Nr. 72 EStG zu behandeln sind und was bei einem Grundstück mit mehreren PV-Anlagen auf mehreren Gebäuden gilt. Zudem gibt das FinMin wichtige Hinweise auf anhängige Musterprozesse. SSP bringt Sie auf den Stand der Dinge. |
Ein Grundstück – mehrere Gebäude und PV-Anlagen
Bisher nicht eindeutig geklärt war die Frage, was mit Blick auf die in § 3 Nr. 72 EStG verankerte Steuerbefreiung gilt, wenn sich auf einem Grundstück nicht nur ein Gebäude mit ggf. mehreren PV-Anlagen, sondern gleich mehrere Gebäude mit mehreren PV-Anlagen befinden und nur ein gemeinsamer Einspeisezähler vorhanden ist. Ist in diesem Fall die Leistungsgrenze des § 3 Nr. 72 EStG von 15 bzw. 30 kWp auf das Grundstück mit allen Gebäuden insgesamt zu beziehen oder auf jedes einzelne Gebäude isoliert? Und was gilt, wenn bei einem Gebäude der Grenzwert überschritten wird – bei den anderen Gebäuden hingegen nicht? Handelt es sich dann noch um (anteilig) steuerfreie PV-Anlagen?
Die Auffassung des FinMin lautet (Erlass vom 27.08.2024, Az. VI 3010-S 2240-186): Für die Frage, ob über einen gemeinsamen Einspeisezähler betriebene PV-Anlagen insgesamt gemäß § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind, ist die Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen maßgebend, auf, an oder in denen sich die PV-Anlage befindet. Aber: Eine PV-Anlage kann nur insgesamt steuerfrei oder insgesamt steuerpflichtig sein. Diese beiden Voraussetzungen verkörpern für die Beratungspraxis eine zweistufige Prüfung:
- 1. Als erstes ist bei mehreren Gebäuden mit einem gemeinsamen Einspeisezähler bezogen auf das jeweilige Gebäude zu prüfen, ob dieses aufgrund der auf, an oder in dem Gebäude installierten Module die Kriterien des § 3 Nr. 72 EStG erfüllt (gebäudebezogene Betrachtung).Zweistufige Prüfung
- 2. Als zweites ist zu prüfen, ob das Ergebnis zu Schritt 1 ergibt, dass bei mindestens einem Gebäude die Grenzwerte überschritten werden. Ist das der Fall, dann werden alle über den gemeinsamen Einspeisezähler laufenden PV-Module als steuerpflichtiger Gewerbebetrieb behandelt. Erfüllen hingegen alle Gebäude isoliert betrachtet die Grenzwerte, dann handelt es sich insgesamt um eine steuerfreie PV-Anlage. Vorausgesetzt natürlich, dass auch der absolute Grenzwert von 100 kWp eingehalten wird.
Beispiel 1 | |
So läuft der Prüfprozess bei landwirtschaftlicher Hofstelle ...
Lösung: Bei der Prüfung von Schritt 1 ergibt sich, dass bei einer gebäudebezogenen Betrachtung die Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen nicht überschritten werden. Isoliert erfüllen alle Gebäude § 3 Nr. 72 EStG. Das führt dazu, dass sich für den Prüfungsschritt 2 ergibt, dass der gesamte Betrieb der PV-Anlage steuerfrei ist. Denn auch der absolute Grenzwert von 100 kWp wird mit den installierten 80 kWp nicht überschritten. |
Abwandlung |
Wie Beispiel 1; auf der Maschinenhalle befinden sich aber nicht 30, sondern 40 kWp. Lösung: Bei der Prüfung von Schritt 1 ergibt sich nun, dass zwar das EFH und das Stallgebäude die Grenzen des § 3 Nr. 72 EStG einhalten, die Maschinenhalle die Grenze von 30 kWp aber überschreitet (§ 3 Nr. 72 Buchst. a EStG). Deshalb ergibt sich in Schritt 2 der Prüfung, dass die Einnahmen aus dem Betrieb der PV-Anlage insgesamt – also für alle 90 kWp – nicht gemäß § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind. |
Praxistipp | Hintergrund für dieses Ergebnis ist, dass nur ein Einspeisezähler vorhanden ist und es sich deshalb nicht um drei, sondern um nur eine PV-Anlage handelt (im mathematischen Sinne). Soll für die auf dem EFH und dem Stallgebäude installierten Module die Steuerbefreiung dennoch gewahrt werden, dann sind folglich für diese Module gesonderte Einspeisezähler zu installieren. |
Zusätzliche Module auf der Gartenfläche – und nun?
Dieses Ergebnis für mehrere Gebäude bei nur einem Einspeisezähler strahlt auch auf Freilandanlagen aus. Gemeint sind allerdings nicht große Anlagen auf landwirtschaftlichen Grundstücken, sondern kleine PV-Anlagen, die im Garten des EFH installiert werden. Denn auch hier besteht in der Praxis regelmäßig nur ein Einspeisezähler, sodass die bereits erläuterte Prüfungsfolge zu einem in der Praxis wohl kaum gewünschten Ergebnis führen kann:
Beispiel 2 |
... Voraussetzungen zur Einstufung als „§ 3 Nr. 72-Anlage“? Lösung: Schritt 1 ergibt, dass die auf dem EFH installierten Module die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllen – nicht hingegen die im Garten installierten Module. Denn diese befinden sich nicht „auf, an oder in“ dem EFH und wurden auch nicht „auf, an oder in“ einem Nebengebäude installiert. Aus diesem Grund erfüllt der Betrieb dieser PV-Anlage insgesamt nicht § 3 Nr. 72 EStG. Es handelt sich um einen insgesamt steuerpflichtigen Gewerbebetrieb (Schritt 2). |
Weil dieses Ergebnis auch von der Finanzverwaltung nicht gewünscht wird, enthält der Erlass eine Kleinbetragsregelung: „Es wird hinsichtlich der Steuerbefreiung nicht beanstandet, wenn sich Solarmodule mit einer installierten kWp Leistung von bis zu zehn Prozent der Gesamtleistung der PV-Anlage nicht auf, an oder in einem Gebäude befinden.“
Beispiel 3 |
Wie Beispiel 2. Lösung: Grundsätzlich ist die PV-Anlage insgesamt steuerpflichtig. Aufgrund der Kleinbetragsregelung ist sie jedoch insgesamt nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Denn die im Garten installierten Module überschreiten nicht zehn Prozent der gesamten auf, an oder in einem Gebäude installierten PV-Anlage. |
Auf anhängige Musterprozesse aufspringen
Rund um die rückwirkend zum 01.01.2022 erfolgte Einführung der Steuerbefreiung für PV-Anlagen (§ 3 Nr. 72 EStG) besteht viel Unmut, vor allem mit Blick auf gebildete Investitionsabzugsbeträge und nachlaufende Betriebsausgaben. Das hat auch SSP erkannt und zu vielen Themen Stellung bezogen. Jetzt hat sich auch das FinMin Schleswig-Holstein positioniert. Für folgende Musterprozesse ist Ihnen auf Ihren Einspruch hin Ruhen des Verfahrens zu gewähren:
Nachlaufende Betriebsausgaben
Hier geht es darum, ob im Jahr 2022 (oder später) gezahlte Betriebsausgaben, die sich wirtschaftlich auf Zeiträume vor dem 01.01.2022 und damit auf den noch steuerpflichtigen Betrieb der PV-Anlage beziehen, noch steuerwirksam geltend gemacht werden können (durch eine Verlustverrechnung). Die Finanzverwaltung versagt den Abzug bisweilen mit Verweis auf § 3 Nr. 72 S. 2 und § 3c Abs. 1 EStG. Zu dieser Frage sind mittlerweile im Hauptsacheverfahren sechs Musterprozesse anhängig (FG Nürnberg, Az. 4 K 1440/23; FG Münster, Az. 7 K 105/24 sowie Az. 7 K 219/24 und FG Niedersachsen, Az. 2 K 45/24, Az. 5 K 52/24 und Az. 3 K 131/24).
Investitionsabzugsbeträge
Streitpunkt zwei betrifft Investitionsabzugsbeträge. Haben Sie vor 2022 einen Investitionsabzugsbetrag für die ab dem 01.01.2022 erfolgende Investition in eine gemäß § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie PV-Anlage geltend gemacht, versagt die Finanzverwaltung rückwirkend den Investitionsabzugsbetrag. Damit bleibt die erhoffte Steuererstattung aus. Auch damit geben sich Steuerzahler nicht zufrieden und führen Musterprozesse. Folgende zwei Hauptsacheverfahren sind anhängig (FG Rheinland-Pfalz, Az. 2 K 1110/24; FG Hessen, Az. 10 K 162/24).
- Mehr zum Thema „PV-Anlagenbesteuerung“ finden Sie auf iww.de/ssp, indem Sie in das Suchfeld „PV-Anlagen“ eingeben.
AUSGABE: SSP 11/2024, S. 26 · ID: 50202108