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Steuerförderung des E-Auto-Absatzes: Finanzausschuss ist dafür
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UmsatzsteuerEuGH konkretisiert umsatzsteuerlichen Direktanspruch: Das müssen Unternehmer wissen
| Reemtsma, Schütte und HUMDA – wer mit dem Finanzamt schon mal um zu Unrecht in Rechnung gestellte und entrichtete Umsatzsteuer gekämpft hat und die Erstattung per Direktanspruch durchsetzen wollte, dem sind diese Eigennamen und zugehörigen EuGH-Urteile sicher ein Begriff. Jetzt hat der EuGH seine Rechtsprechung zum Direktanspruch nochmals präzisiert. Erfahren Sie, welche Auswirkungen das neue Urteil auf Unternehmen hat und wann der Leistungsempfänger zu Unrecht bezahlte Umsatzsteuer direkt vom Finanzamt zurückfordern kann. |
EuGH musste Streit um Umsatzsteuererstattung klären
Im aktuellen Fall hatte eine in Deutschland ansässige Unternehmerin in den den Jahren 2007, 2008, 2010 und 2012 von einer in Italien ansässigen Unternehmerin im Zuge eines „Sale-and-lease-back“-Geschäfts mehrere Motorbote gekauft. Die befanden sich zum Zeitpunkt des Verkaufs in Italien. Deshalb löste der Verkauf italienische Umsatzsteuer aus (§ 3 Abs. 7 UStG). Die Rechnungen an die deutsche Unternehmerin wiesen allerdings jeweils deutsche Umsatzsteuer aus. Ergo schuldete die italienische Unternehmerin dem deutschen Fiskus Umsatzsteuer (Art. 203 MwStSystRL und § 14c Abs. 1 UStG).
Unterdessen wurde im Jahr 2014 über das Vermögen der italienischen Unternehmerin Insolvenz eröffnet. Der Insolvenzverwalter berichtigte die Rechnungen. Er strich die deutsche Umsatzsteuer und bekam vom deutschen Finanzamt die Umsatzsteuer erstattet. Die Ausstellung der Rechnungen mit italienischer Umsatzsteuer verweigerte er aber. Daraufhin beantragte die deutsche Unternehmerin beim Finanzamt die Erstattung der deutschen Umsatzsteuer nach § 163 AO aus Billigkeitsgründen. Das Finanzamt lehnte die Erstattung jedoch ab.
Letztlich ging die Sache vor das FG, dann zum BFH und zu guter Letzt vor den EuGH.
Warum der EuGH den Direktanspruch abgelehnt hat
Dieser verwehrte der deutschen Unternehmerin jetzt den Direktanspruch gegen das Finanzamt (EuGH, Urteil vom 05.09.2024, Rs. C-83/23, Abruf-Nr. 243951). Aber warum?
Direktanspruch ist absolute Ausnahme für USt-Erstattung
Der EuGH sieht den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer, wonach der unternehmerische Leistungsempfänger grundsätzlich von der Umsatzsteuer vollständig zu entlasten ist, gewahrt, wenn
- der Leistungserbringer (hier die italienische Unternehmerhin) vom deutschen Fiskus die irrtümlich entrichtete Umsatzsteuer zurückverlangen kann und
- der Leistungsempfänger (hier die deutsche Unternehmerin) gegenüber dem Leistungserbringer einen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung dieser Umsatzsteuer hat.
Es gibt aber eine Ausnahme: Ist die Erstattung der Umsatzsteuer durch den Leistungserbringer unmöglich oder wesentlich erschwert, wie z. B. im Fall dessen Zahlungsunfähigkeit, steht dem Leistungsempfänger ein Direktanspruch gegenüber dem Finanzamt zu (EuGH, Urteil vom 15.03.2007, Rs. C-35/05, „Reemtsma“, Abruf-Nr. 073655).
Direktanspruch besteht nur auf im eigenen Staat zu Unrecht gezahlte USt
Der Direktanspruch besteht aber nur auf die im entsprechenden Mitgliedstaat zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer (EuGH, Urteil vom 13.10.2022, Rs. C-397/21, „HUMDA“, Abruf-Nr. 239593). Ergo: Die deutsche Unternehmerin kann nicht vom italienischen Fiskus die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zurückverlangen.
Direktanspruch entfällt bei drohender Doppelerstattung
Im konkreten Fall kann die deutsche Unternehmerin die deutsche Umsatzsteuer aber auch nicht vom deutschen Finanzamt zurückverlangen, weil das deutsche Finanzamt die Umsatzsteuer bereits der italienischen Unternehmerin zurückerstattet hatte. Der Direktanspruch besteht nämlich nicht, wenn es zu einer Doppelerstattung – einmal an die italienische und einmal an die deutsche Unternehmerin – käme, denn dann wäre der Fiskus finanziell belastet. Folglich muss das Finanzamt vorrangig dem Leistungserbringer die zu Unrecht bezahlte Umsatzsteuer erstatten.
Wichtig | Dass die italienische Unternehmerin sich im konkreten Fall in Insolvenz befand, ist für die drohende Doppelerstattung unerheblich. Ohne Belang ist im Hinblick auf den Direktanspruch der deutschen Unternehmerin auch, dass die italienische Unternehmerin ggf. italienische Umsatzsteuer verkürzt hat. Vielmehr ist die deutsche Unternehmerin darauf verwiesen, den Ausweis der italienischen Umsatzsteuer durch den Insolvenzverwalter einzufordern, sich in Italien umsatzsteuerlich registrieren zu lassen und dort dann die italienische Vorsteuer geltend zu machen.
Und was folgt jetzt aus der EuGH-Entscheidung?
Der EuGH unterstreicht in seinem Urteil, dass der Direktanspruch die absolute Ausnahme ist. Insofern darf sich der Leistungsempfänger nicht darauf verlassen, beim Finanzamt zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zurückfordern zu können. Er muss sich vielmehr in erster Linie zivilrechtlich an den Leistungserbringer wenden. Der Direktanspruch kommt nur in Betracht, wenn die zivilrechtliche Inanspruchnahme
- unmöglich oder
- übermäßig erschwert ist.
Die Finanzverwaltung engt dies zusätzlich auf Fälle der Insolvenz des Leistungserbringers ein (BMF, Schreiben vom 12.04.2022, Az. III C 2 – S 7358/20/10001: 004, Abruf-Nr. 230987, Rz. 11). Dem hat aber jüngst das FG München eine Absage erteilt, sodass die Insolvenz nur eine mögliche Variante einer Erschwernis ist (FG München, Urteil vom 18.07.2024, Az. 14 K 247/23, Abruf-Nr. 243952). Umgekehrt – und das stellt jetzt der EuGH mit seiner Entscheidung heraus – besteht kein Automatismus zwischen der Insolvenz des Leistungserbringers und dem Direktanspruch des Leistungsempfängers gegen das Finanzamt.
Der EuGH hat nun auch die Finanzverwaltung dahingehend bestätigt, dass der Direktanspruch eben nicht besteht, wenn dies zu einer Doppelerstattung der Umsatzsteuer führen würde. Weil es sich beim Direktanspruch um eine Ausnahme handelt, könne der nämlich nicht zulasten des Fiskus greifen. Die Finanzverwaltung hatte in diesem Zusammenhang schon früher die Ansicht vertreten, dass
- solange kein Direktanspruch gegeben ist, wie der Leistungserbringer aufgrund Rechnungsberichtigung vom Finanzamt die Erstattung der Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 S. 2 und 3 UStG verlangen kann und
- der Direktanspruch endgültig ausscheidet, wenn die Erstattung an den Leistungserbringer erfolgte (BMF, Schreiben vom 12.04.2022, Rz. 12, 17).
Aus dieser Erwägung heraus scheidet der Direktanspruch ebenfalls aus, wenn der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nicht ans Finanzamt abgeführt hat (BMF, Schreiben vom 12.04.2022, Rz. 18).
Im Umkehrschluss besteht der Direktanspruch nur, wenn die Leistung tatsächlich erbracht wurde, also in den Fällen, in denen der Leistungserbringer die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG (und nicht nach § 14c Abs. 2 UStG) schuldet (BFH, Urteil vom 22.08.2019, Az. V R 50/16, Abruf-Nr. 212488; BMF, Schreiben vom 12.04.2022, Rz. 15). Das bedeutet: Die Rechnung muss – bis auf den Steuerausweis – die für den Vorsteuerabzug erforderlichen Voraussetzungen enthalten. Ist das nicht der Fall, besteht kein Direktanspruch (BFH, Urteil vom 22.08.2019, Az. V R 50/16, Abruf-Nr. 212488; BMF, Schreiben vom 12.04.2022, Rz. 16).
Umsatzsteuer-
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AUSGABE: SSP 11/2024, S. 17 · ID: 50179989