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PV-AnlagenbesteuerungErlass aus Schleswig-Holstein: Wurde „ungewollt“ die ultimative PV-Steuergestaltung verkündet?

Abo-Inhalt29.10.20248 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Einzelne – im Garten installierte – Module einer PV-Anlage können die in § 3 Nr. 72 EStG verankerte Steuerbefreiung kosten. Das ist eine der Aussagen im Erlass des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 27.08.2024 (mehr dazu auch ab Seite 26). Gleich im nächsten Absatz ist das FinMin aber zurückgerudert und hat über eine Vereinfachungsregelung den Zugriff auf § 3 Nr. 72 EStG doch gewährt. SSP ist der Auffassung, dass das FinMin mit diesen Äußerungen beiläufig die Grundlage für eine ultimative Steuergestaltung bei PV-Anlagen geschaffen hat. Doch lesen Sie mehr. |

Darum geht es bei § 3 Nr. 72 EStG

Gemäß § 3 Nr. 72 S. 1 EStG steuerfrei sind Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb

  • von „auf, an oder in“ Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen PV-Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 30 kWp und
  • von „auf, an oder in“ sonstigen Gebäuden vorhandenen PV-Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 15 kWp je Wohn- oder Gewerbeeinheit.

Es ist kein Gewinn zu ermitteln, sodass auch keine Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der PV-Anlage abzugsfähig sind (vgl. insoweit auch § 3c Abs. 1 EStG). PV-Anlagen, die unter § 3 Nr. 72 EStG fallen, stellen damit einen steuerfreien Gewerbebetrieb dar. Das Problem: Verluste lassen sich genauso wenig geltend machen wie Sonderabschreibungen und Investitionsabzugsbeträge.

Das steht im FinMin-Erlass vom 27.08.2024

Der Wortlaut von § 3 Nr. 72 S. 1 EStG stellt darauf ab, dass die PV-Anlage „auf, an oder in“ einem Gebäude – einschließlich einem Nebengebäude wie einer Garage – installiert werden muss, damit die Steuerbefreiung greift. Deshalb werden Freilandanlagen nicht von der Steuerbefreiung privilegiert. Doch was gilt, wenn über einen Einspeisezähler der Strom einer PV-Anlage erfasst wird, deren Module sich sowohl „auf, an oder in“ einem Gebäude als auch im Freiland – wie dem zum Grundstück dazugehörigen Hausgarten – befinden?

Dieser Umstand wäre für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG grundsätzlich schädlich. So äußert sich zumindest das FinMin Schleswig-Holstein (Az. VI 3010-S 2240-186). Der Grund: Es besteht insgesamt nur „eine“ PV-Anlage (im mathematischen Sinn), wenn sich die Module auf das Gebäude und den Hausgarten verteilen und der insgesamt erzeugte Strom über einen gemeinsamen Einspeisezähler für alle Module läuft. Die ungünstige Folge: § 3 Nr. 72 EStG ist insgesamt für die PV-Anlage nicht anwendbar.

Dieses Ergebnis – die Nichtanwendbarkeit von § 3 Nr. 72 EStG – wird von der Finanzverwaltung aber nicht gewünscht. Denn mit § 3 Nr. 72 EStG soll ja gerade die Besteuerung von PV-Anlagen vereinfacht werden. Deshalb führt das Ministerium gleich im nächsten Absatz aus: Es wird hinsichtlich der Steuerbefreiung nicht beanstandet, wenn sich Solarmodule mit einer installierten kWp-Leistung von bis zu zehn Prozent der Gesamtleistung der PV-Anlage nicht „auf, an oder in“ einem Gebäude befinden. Daran anschließend präsentiert der Erlass auch ein Beispiel, das die Anwendbarkeit von § 3 Nr. 72 EStG sicherstellen soll:

Beispiel 1

Auf einem EFH befinden sich Solarmodule mit 20 kWp. Im Nachgang werden weitere Solarmodule im Garten mit einer Leistung von zwei kWp installiert.
Lösung: Die PV-Anlage ist insgesamt nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Die im Nachgang installierten Solarmodule im Garten überschreiten nicht zehn Prozent der gesamten „auf, an oder in“ einem Gebäude installierten PV-Anlage.

Was das FinMin aber nicht problematisiert – ob bewusst oder unbewusst –, ist der umgekehrte Fall. Was gilt, wenn die im Garten installierten Module die Grenze von zehn Prozent übersteigen? Dieser Fall kann denklogisch nur dazu führen, dass sich § 3 Nr. 72 EStG insgesamt nicht anwenden lässt und damit ein per se steuerpflichtiger Gewerbebetrieb entsteht. Vorausgesetzt natürlich, das Finanzamt kann durch eine Prognose von einer Gewinnerzielungsabsicht überzeugt werden. Gleiches muss zudem gelten, wenn der Betreiber der PV-Anlage die Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung nicht wünscht. Denn es handelt sich hierbei lediglich um eine Vereinfachung – nicht um eine Verpflichtung.

Beispiel 2

Herr K beabsichtigt, im Dezember 2025 eine PV-Anlage (zehn kWp) für sein privates EFH zu errichten. Da die Dachfläche nicht ausreicht (Bungalow mit Dachfenstern), werden nur Module mit 7,5 kWp auf dem Dach und die anderen 2,5 kWp im zugehörigen Hausgarten installiert. Der erzeugte Strom wird teilweise eigengenutzt und teilweise eingespeist. Für die Einspeisung existiert nur ein Zähler. K rechnet mit aus Eigenmitteln bezahlte Installationskosten von 10.000 Euro sowie jährlichen Fixkosten (Versicherung) von 100 Euro. Auf der Einnahmenseite ist zu berücksichtigen, dass von den voraussichtlich jährlich erzeugten 10.000 kWh Strom 1/3 eigengenutzt und 2/3 für 7,96 Cent je kWh eingespeist werden.
Lösung: Mit dem Betrieb der PV-Anlage besteht ein Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG. Liebhaberei liegt nicht vor. Denn anhand einer Prognose über 20 Jahre errechnet sich ein Totalgewinn. Die über 20 Jahre zu berücksichtigenden Ausgaben betragen 12.000 Euro (Abschreibung von 10.000 Euro zzgl. 20 Jahre x 100 Euro jährliche Fixkosten) und auf der Einnahmenseite sind 14.613 Euro zu berücksichtigen. Diese setzen sich aus der Entnahme des Stroms zu Herstellungskosten über 4.000 Euro (Gesamtkosten 12.000 Euro/Gesamtertrag von 20 Jahre x 10.000 kWh = 200.000 kWh x Eigenverbrauchsanteil von 1/3 also 66.667 kWh) sowie den
Einspeisevergütungen über 10.613 Euro (Gesamtertrag 200.000 kWh x 2/3 x 7,96 Cent) zusammen. Der Totalgewinn beträgt damit 2.613 Euro. Da die Module zum Teil im Hausgarten und damit nicht „auf, an oder in“ dem Gebäude installiert wurden und nur ein Einspeisezähler besteht, ist die PV-Anlage nicht gemäß § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Der Gewinn muss versteuert werden.

Und dieser Umstand – die fehlende Anwendbarkeit des § 3 Nr. 72 EStG – birgt ein enormes Gestaltungspotenzial. Vor allen wenn über Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen hohe Verluste generiert werden können:

Erweiterung von Beispiel 2

K macht 2024 für die im Dezember 2025 vorzunehmende Anschaffung der PV-Anlage einen Investitionsabzugsbetrag über 50 Prozent der Anschaffungskosten (= 5.000 Euro) geltend. Im Jahr 2025 möchte er durch Sonderabschreibungen einen so hohen Verlust wie möglich erzielen.
Lösung: Weil § 3 Nr. 72 EStG nicht anwendbar ist, kann K den sich für 2024 infolge des Investitionsabzugsbetrags ergebenden Verlust vollständig mit anderen Einkünften verrechnen und so Steuern sparen. Gleiches gilt für das Jahr 2025. Hier errechnet sich ein Verlust von etwa 2.071 Euro. Das liegt daran, dass an Ausgaben neben der Versicherungsprämie (100 Euro) die lineare Abschreibung über 20 Jahre (21 Euro; 10.000 Euro AK ./. IAB = 5.000 Euro/20 Jahre x 1/12) sowie die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG (2.000 Euro; 10.000 Euro AK ./. IAB = 5.000 Euro x 40 Prozent) zu berücksichtigen sind und den Ausgaben nur geringe Entnahmen und Einnahmen für einen Monat von ca. 50 Euro gegenüberstehen.

Wichtig | Effektiv kann K im Jahr 2024 einen Verlust von 5.000 Euro und im Jahr 2025 von 2.071 Euro mit anderen positiven Einkünften verrechnen. Bei einem Steuersatz von 40 Prozent spart das rd. 2.828 Euro an Steuern. Doch hat das Modell nicht einen Haken? Muss K nicht spätestens ab 2026 hohe Gewinne versteuern mit der Folge, dass die darauf entfallende Steuerbelastung den Steuervorteil für 2024 und 2025 neutralisiert? Schließlich wird sich ja insgesamt über 20 Jahre ein Totalgewinn ergeben…

Totalgewinn liegt vor – aber der kann steuerfrei bleiben

Nun kommt der Clou: Während K durch die fehlende Anwendbarkeit von § 3 Nr. 72 EStG die Verluste in voller Höhe steuerwirksam geltend machen kann, streicht er die späteren Gewinne steuerfrei ein. Das funktioniert ganz einfach: Er muss lediglich erreichen, dass die PV-Anlage ab dem Moment, ab dem Gewinne erzielt werden, in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 72 EStG rutscht.

Und das ist überhaupt kein Problem. Denn die im Garten installierten Module, die zuvor zur generellen Nichtanwendbarkeit des § 3 Nr. 72 EStG geführt haben, werden einfach nach kurzer Zeit demontiert – und entweder entsorgt, veräußert oder an anderer Stelle, zum Beispiel auf der Garage, installiert. Die positive Folge: Ab sofort werden die Voraussetzungen für die in § 3 Nr. 72 EStG verankerte Steuerbefreiung erfüllt. Die Einnahmen und Entnahmen sind steuerfrei. K muss einen Gewinn weder ermitteln noch versteuern.

Beispiel 3

K aus Beispiel 2 demontiert bereits am 02.01.2026 die im Garten montierten Module mit einer Leistung von 2,5 kWp. Er hat sich nämlich dazu entschieden, diese auf der Garage neu zu installieren.
Lösung: Ab dem 02.01.2026 unterliegt die gesamte PV-Anlage der in § 3 Nr. 72 EStG verankerten Steuerbefreiung. Das liegt daran, dass sich nun alle Module und damit die komplette PV-Anlage „auf, an oder in“ einem Gebäude befindet. Die positive Folge: Den sich ab 2026 ergebenden Gewinn muss K nicht mehr versteuern.
Praxistipp | Für den zum 02.01.2026 erfolgenden Übergang zur Steuerbefreiung muss für die PV-Anlage (wie auch beim Übergang aller Bestandsanlagen zum 01.01.2022 zur Steuerbefreiung) zudem kein Aufgabe- oder Entnahmegewinn ermittelt werden. Damit bleiben auch die sich infolge von Investitionsabzugsbetrag (2024) und Sonderabschreibung (2025) gebildeten stillen Reserven steuerneutral.

So lauten die Empfehlungen für PV-Anlagenbesitzer

Der Autor vermutet, dass das FinMin Schleswig-Holstein die hier aufgeführte und sich denklogisch ergebende Steuergestaltung im Erlass vom 27.08.2024 nicht im Blick hatte. Ziel des FinMin war es, eine für alle Steuerzahler pragmatische Vereinfachungsregelung mit Blick auf die in § 3 Nr. 72 EStG verankerte Steuerbefreiung zu schaffen. Die vom Gesetzgeber gewollte Steuerbefreiung sollte schlichtweg nicht daran scheitern, dass einzelne Module einer PV-Anlage im Garten installiert werden.

Dennoch gilt: Wer A sagt, muss auch B sagen. Und so lässt der Erlass durchaus das Ergebnis zu, dass die im Garten montierten Module zur Versagung der Steuerbefreiung führen können und sich durch die sich dann ergebende Steuerpflicht ein immenser Gestaltungsfaktor ergibt. Möchten Sie auf das Gestaltungsmodell aufspringen, eine PV-Anlage mit einzelnen im Garten montierten Modulen steuerpflichtig behandeln und so steuerwirksame Verluste generieren, sprechen gute Argumente dafür, dass das Modell anerkannt wird – zumindest in Schleswig-Holstein.

Praxistipp | Ihnen ist das Risiko zu groß, dass Ihr Finanzamt die Gestaltung doch nicht anerkennt? Kein Problem! Stellen Sie bei dem für Sie zuständigen Finanzamt vor Installation der PV-Anlage einfach einen Antrag auf verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO. In diesem Antrag schildern Sie dem Amt Ihr konkretes Vorhaben und nennen die steuerlichen Konsequenzen, die sich aus Ihrer Sicht ergeben. Nun muss das Finanzamt entscheiden und Ihnen verbindlich mitteilen, ob es Ihre Rechtsauffassung teilt – oder nicht. Und das Beste: Die verbindliche Auskunft dürfte in der Praxis kostenlos sein, weil der Gegenstandswert typischerweise weniger als 10.000 Euro betragen dürfte (§ 89 Abs. 5 S. 3 AO).

AUSGABE: SSP 11/2024, S. 29 · ID: 50210409

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