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SozialversicherungspflichtLSG Sachsen hält Projektkoordinator einer Stiftung für selbstständig tätig
| Tätigkeiten in der Projektverwaltung und -koordination gehören zu den regelmäßigen Arbeitsfeldern in gemeinnützigen Einrichtungen. Dabei steht meist die Frage im Raum, ob und wann solche Tätigkeiten in Stiftungen selbstständig ausgeübt werden können. Über den Status eines Projektkoordinators in einer Stiftung hat das LSG Sachsen entschieden. SB stellt den Fall vor, aus dem sich gute Lehren für vergleichbare Fälle ziehen lassen. |
Koordination außerschulischer Bildungsmaßnahmen
Ein Projektkoordinator sollte in einem Kooperationsverbund gemeinnütziger Einrichtungen die Durchführung öffentlich geförderter außerschulischer Bildungsmaßnahmen koordinieren. Er war bei einem Verbundpartner, einer Stiftung, auf Werkvertragsbasis beschäftigt.
Seine Aufgaben bestanden in der Projektkoordination, der Stellung und Abrechnung der Förderanträge, der Belegprüfung und Auszahlung der Fördergelder, der Festlegung der Gremien und Gremienarbeit, der Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit und der Sicherstellung der Finanzierung, die Planung, Durchführung, Moderation und Nachbereitung der Treffen mit den Bündnispartnern, die Koordination der Maßnahmen, die Vermittlung von Referenten und Inhalten, die Dokumentation der Ergebnisse und die Pressearbeit.
Er arbeitete zunächst von zu Hause aus, danach in von ihm angemieteten Büros. Die Termine vereinbarte er nach seinem Ermessen oder bei Bedarf bzw. Anfrage der Bündnispartner. Die Vergütung erfolgte mit einer Jahrespauschale, aufgeteilt in monatliche Ratenzahlungen und kalkuliert auf der Basis eines Stundensatzes von 55 Euro. Der Koordinator arbeitete für eine Vielzahl anderer Auftraggeber, wobei diese Umsätze in jedem Jahr die jährlichen Zahlungen der Stiftung für die Projektkoordinator-Tätigkeit zum Teil deutlich überstiegen.
Die Einstufung der DRV Bund
Im Rahmen einer Statusprüfung bewertete die Rentenversicherung Bund die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung. Sie nannte dafür folgende Gründe:
- Der Vertrag war auf Dauer angelegt.Aus diesen Gründen plädierte die DRV auf „abhängige Beschäftigung“
- Die Leistung wurde ausschließlich persönlich erbracht.
- Der Projektkoordinator war in die Arbeitsorganisation tagesgeschäftlich eingebunden gewesen. U. a. hätten regelmäßige Absprachen stattgefunden.
- Der Koordinator habe keine Verantwortung bzw. Haftung getragen.
- Es fehlte ein Unternehmerrisiko, weil er weder eigenes Kapital noch seine Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzte.
- Die Vergütung sei als Jahreshonorar unabhängig von einer tatsächlich geleisteten Arbeit erfolgt. Es bestand kein Risiko eines Entgeltausfalls.
Die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit (Selbstbestimmung von Arbeitsort, -zeit, -dauer, Weisungs- und Gestaltungsfreiheit, eigenständige Konzepterstellung, mehrere Auftraggeber) fielen nach Auffassung der DRV nicht ins Gewicht.
Die Einstufung durch das LSG Sachsen
Das LSG entschied anders. Für das Gericht überwogen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die Indizien für eine Selbstständigkeit. Dabei stellte es in den Vordergrund, dass weder ein Weisungsrecht der Stiftung nach Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Arbeitsleistung bestand noch eine die Tätigkeit prägende Eingliederung in den Betriebsablauf (LSG Sachsen, Urteil vom 20.03.2023, Az. L 4 BA 2739/20, Abruf-Nr. 234854).
- Keine Weisungsbindung: Der Koordinator hatte für das LSG einen großen Entscheidungsspielraum in der Gestaltung seiner Tätigkeit, insbesondere konnte er über seine Arbeitskraft, -zeit und -ort frei verfügen. Seine Arbeitsleistung war im Wesentlichen unabhängig von Vorgaben und Kontrollen der Auftraggeberin. Das spreche entscheidend für seine Selbstständigkeit. Im Einzelnen machte das LSG das an folgenden Merkmalen fest:
- Die Initiative für die Bündnistreffen und Treffen mit den Entscheidungsträgern ging regelmäßig vom Koordinator aus. Er vereinbarte auch die Gesprächstermine.
- Er eruierte die beabsichtigten Projekte, führte sie zu einer Kooperation zusammen, beurteilte ihre Förderfähigkeit und trug deren Inhalte für die Antragstellung zusammen.
- Außer bei den Treffen und Gesprächsterminen unterlag er keinen Anwesenheitszeiten, keiner Arbeitszeiterfassung und keinen Vorgaben für den Arbeitsort.... freier Zeiteinteilung
- Wichtig | Zwar kontrollierte die Stiftung den Inhalt der Anträge und konnte den Koordinator anweisen, diese zu überarbeiten und zu ändern. Dabei handelte es sich aber nach Auffassung des LSG um ein rein – werkvertragstypisches – Ergebnis – und nicht um eine leistungsbezogene Tätigkeitskontrolle. Allein daraus könne nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Denn der Koordinator hatte sich gegenüber der Stiftung nicht verpflichtet, sich zur Erledigung der von ihr noch zu bestimmenden Tätigkeiten bereitzuhalten (Direktionsrecht). Er erfüllte lediglich die im Vertrag selbst niedergelegten und abschließend definierten Pflichten.
- Eingliederung in die betriebliche Organisation: Der Koordinator war nach Ansicht des LSG auch nicht in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Organisationsbetrieb der Stiftung eingegliedert. Es fehlte dazu an der Steuerung des Arbeitsablaufs durch organisatorische und koordinierende Maßnahmen des Auftraggebers.LSG verneint „Fremd- bestimmtheit“
- Das zeigte sich darin, dass der Projektkoordinator „die Fäden in der Hand hielt“. Die organisatorischen und koordinierenden Tätigkeiten lagen federführend in seiner Hand. Zwar arbeitete er mit den Verbundpartnern zusammen, aber „auf Augenhöhe“. Er bestimmte die von ihm abzuarbeitenden Aufgaben inhaltlich als externer Spezialist mit einschlägigem Know-how mit gestalterischen Freiheiten selbst mit.
- Diese Art der Zusammenarbeit wirkte sich aber auf die Modalitäten der Tätigkeit nicht wesentlich aus, d. h. es ergab sich daraus keine wesentliche Einschränkung seines Gestaltungsspielraums im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung seiner Tätigkeit, seines Arbeitsorts und der Lage und Dauer seiner Arbeitszeiten. Seine Freiheiten und Flexibilität gingen über die eines leitenden Angestellten hinaus.Höhere Freiheit als bei leitendem Angestellten ist gegeben
- Persönliche Erbringung der Arbeitsleistung: Dass der Projektkoordinator seine Leistung grundsätzlich höchstpersönlich erbringen musste, war zwar ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das relativierte sich aber, weil die höchstpersönliche Dienstleistung für seine Netzwerktätigkeit als Projektkoordinator gerade maßgebend und bestimmend war.
- Tätigkeit für andere Auftraggeber: Der Projektkoordinator führte in relevantem Umfang auch Tätigkeiten für andere Auftraggeber aus. Zwar ist – so das LSG – jedes Vertragsverhältnis sozialversicherungsrechtlich gesondert zu beurteilen. Jedoch stellen die anderweitigen Tätigkeiten hier ein Indiz für eine erhebliche Dispositionsfreiheit dar, schränkten sie doch die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich ein.
- Unternehmerrisiko: Ein nennenswertes unternehmerisches Risiko des Projektkoordinators sah das LSG nicht. Das sei aber für geistige Tätigkeiten typisch, weil nur wenige eigene Betriebsmittel und regelmäßig kein eigenes Personal erforderlich ist. Dass er kaum eine Möglichkeit hatte, die Einnahmen über die vereinbarte Höhe hinaus zu erhöhen, wertete das LSG nicht als gewichtigen – gegen die Selbstständigkeit sprechenden – Punkt.
Diese Lehren lassen sich aus dem Urteil für die Praxis ziehen
Das Urteil zeigt, dass bei Tätigkeiten in der Projektkoordination die Einbindung in die Organisation des Auftraggebers meist das problematische Kriterium ist, das eine selbstständige Tätigkeit ausschließt – aber eben nicht in jedem Fall. Ausschlaggebend waren hier die weitgehende Weisungsfreiheit und die nur geringe Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Stiftung sowie die unternehmertypische Selbstorganisation der Leistungserbringung.
Für eine Selbstständigkeit sprechen daher folgende Kriterien:
- Nur Teilleistungen der Einrichtung werden auf den Koordinator ausgelagert. Er hat also den typischen Status eines externen Dienstleiters.Das spricht für Selbstständigkeit
- Er legt Termine überwiegend selbst fest und ist dabei nicht an bestimmte Orte gebunden.
- Er nutzt das eigene Büro/Homeoffice und keine Ausstattung der Einrichtung.
- Er erhält keine konkreten Vorgaben für die Umsetzung der Tätigkeit, sondern organisiert seine Leistungserbringung weitgehend selbst.
- Er steht nicht für bestimmte Arbeiten bereit, sondern erfüllt nur die vorab vertraglich festgelegten Aufgaben.
Keine oder nur eine geringe Rolle spielt dagegen, dass eine feste Stundenvergütung vereinbart ist, außer sie ist sehr niedrig, und dass der Koordinator auch für andere Auftraggeber tätig ist und werbend auf dem Markt auftritt.
AUSGABE: SB 4/2024, S. 78 · ID: 49772152