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SchenkungssteuerStiftungserrichtung: Sind für Freibetrag nicht geborene Abkömmlinge maßgebend?

Top-BeitragAbo-Inhalt08.03.20241031 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Die Stiftungserrichtung unterliegt der Schenkungsteuer – doch es wird auch ein Freibetrag berücksichtigt. Ein Stifter fragt, ob noch nicht geborene Abkömmlinge bei der Höhe des Freibetrags zum Zeitpunkt der Besteuerung zu berücksichtigen sind. Immerhin hat das eine immense Auswirkung, denn der Freibetrag beträgt je nach Antwort 400.000 oder 100.000 Euro. SB liefert sie nachfolgend. |

Um diesen Familienstiftungsfall geht es

Der Stifter ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind. Er hat eine Familienstiftung errichtet. Sie soll den Stifter, seiner Ehefrau und die leiblichen Abkömmlinge des Stifters finanziell unterstützen und die Grabstätte des Stifters und seiner Familie pflegen. Das Stiftungsgeschäft enthält identische Begünstigungen. Der Schenkungsteuerbescheid für die Errichtung der Stiftung berücksichtigt einen Freibetrag von 400.000 Euro.

Denn nach Auffassung des Finanzamts ist entferntest Berechtigter das minderjährige Kind. Der Stifter fragt sich nun: Was ist mit noch nicht geborenen Abkömmlingen – wie Enkeln?

So wird der Freibetrag bei der Stiftungserrichtung ermittelt

Ohne Sonderregelung würde bei einer Vermögensübertragung auf eine Stiftung immer die Steuerklasse III mit einem Freibetrag von 20.000 Euro gelten. Der Grund: Ein persönliches Verhältnis zwischen Stifter und Stiftung ist nicht vorhanden, denn die Stiftung gehört niemandem.

Allerdings gestattet § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG für die Stiftungserrichtung eine Begünstigung. Für die Steuerklasse und den Freibetrag ist nämlich das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Stifter zugrunde zu legen („Steuerklassenprivileg“). Dieses Privileg ist so zu verstehen, dass es auf die konkreten Bestimmungen innerhalb der Satzung ankommt. Als „entferntest Berechtigter“ ist daher derjenige anzusehen, der – ohne einen klagbaren Anspruch haben zu müssen – nach der Satzung Vermögensvorteile aus der Stiftung erlangen kann (R E 15.2 Abs. 1 ErbStR).

Zurück zum Fall: Laut Sachverhalt sind nach der Satzung neben dem Stifter und dessen Ehegatte die „leiblichen Abkömmlinge des Stifters“ bezugsberechtigt. Diese Formulierung enthält nicht nur das minderjährige Kind des Stifters, sondern auch nachfolgende Generationen. Da sich aus der Formulierung nicht entnehmen lässt, ob Enkelkinder usw. bereits zu Lebzeiten der Kinder des Stifters oder erst nach deren Versterben bezugsberechtigt sind, müssen als „entferntest Berechtigte“ entsprechend Enkelkinder, Urenkel usw. angesehen werden.

Sind noch nicht lebende Abkömmlinge zu berücksichtigen?

Fraglich ist jedoch, ob bezogen auf den Besteuerungszeitpunkt noch nicht geborene Abkömmlinge als „entferntest Berechtigte“ zu berücksichtigen sind. Denn bisher hat der BFH (soweit ersichtlich) noch nicht über diese Frage geurteilt. Die Auswirkungen wären aber immens:

  • Gelten als „entferntest Berechtigter“ nur zum Besteuerungsstichtag lebende Personen, so ist entferntest Berechtigte die Tochter des Stifters, da zu diesem Zeitpunkt keine Enkel oder Urenkel vorhanden sind. Das würde die Steuerklasse I und einen Freibetrag von 400.000 Euro bedeuten.
  • Werden hingegen auch noch nicht geborene Abkömmlinge berücksichtigt, dann gilt zwar weiterhin die Steuerklasse I. Der Freibetrag reduziert sich jedoch auf 100.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – Enkel / Urenkel).

Zurück zum Fall: Da für die Frage nach dem „entferntest Berechtigten“ noch nicht endgültig entschieden wurde, ob noch nicht geborene Personen zu berücksichtigen sind, ist es eine denkbare Variante, einen Freibetrag von 400.000 Euro auf Basis der zum Besteuerungszeitpunkt bereits lebenden Personen zu gewähren. Ein Schenkungsteuerbescheid mit diesem Freibetrag muss folglich nicht falsch sein, sondern sollte als „die beste aller Varianten“ dankbar entgegengenommen werden. Insbesondere ist auch keine Satzungsänderung erforderlich, damit die Stiftung künftig geborene Generationen begünstigen kann. Denn diese werden von der bisherigen Formulierung bereits erfasst „finanzielle Unterstützung der leiblichen Abkömmlinge des Stifters“.

Präzisierung der Rechtsprechung im Blick behalten

Das FG Münster hat am 18.05.2017 (Az. 3 K 3247/17, Abruf-Nr. 239857) aber entschieden, dass für die Frage nach dem „entferntest Berechtigten“ auch noch nicht lebende Generationen zu berücksichtigen sind. Allerdings wurde dieses Urteil vom BFH aufgehoben (BFH, Urteil vom 19.02.2020, Az. II R 32/17, Abruf-Nr. 218454) – ohne dass der BFH seine Rechtsansicht zu der Streitfrage präsentiert hätte. Dazu wird es wohl aber bald kommen. Denn auch das FG Niedersachsen (Beschluss vom 19.07.2021, Az. 3 K 5/21, Abruf-Nr. 223623) urteilte, dass zu den „entferntest Berechtigten“ die Personen gehören, die nach der Satzung – auch nur theoretisch – in Zukunft Vorteile aus der Familienstiftung erlangen können. Ob diese Personen bereits geboren wurden, war für das FG unerheblich. Begünstigt die Stiftungssatzung – wie im Streitfall – auch noch nicht geborene Enkel und Urenkel, so sind nach Auffassung des FG als Freibetrag lediglich 100.000 Euro zu gewähren.

Praxistipp | Das Urteil des FG Niedersachsen ist nicht rechtskräftig. Die Revision läuft beim BFH unter dem Aktenzeichen II R 25/11. Es bleibt also spannend. Betroffene Stiftungen, denen aufgrund noch nicht geborener Personen ein geringerer Freibetrag gewährt wird, sollten deshalb gegen belastende Steuerbescheide Einspruch einlegen und mit Verweis auf das anhängige Revisionsverfahren Verfahrensruhe beantragen (§ 363 Abs. 2 S. 2 AO).

AUSGABE: SB 4/2024, S. 71 · ID: 49919652

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