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LeserforumVerkehrsunfallschadenregulierung in eigener Sache
| Frage: Hat ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen einer Verkehrsunfallschadenregulierung selbst vertritt, einen Gebührenanspruch (Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit) wie im Fall einer geschäftsmäßigen Mandatsvertretung? Zu unterscheiden sind meines Erachtens einmal der Anwalt, der in eigener Sache als Geschädigter tätig wird. Der Fall liegt aber wohl anders, wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Sozietät beauftragt wird mit der Folge, dass der geschädigte Anwalt nicht mit sich selbst einen Vertrag eingeht. Ändert sich bei folgender Variante etwas? Es geht um eine Mischsozietät aus Rechtsanwälten und Steuerberatern. Insoweit würde der Anwaltsvertrag nicht an den geschädigten Einzelanwalt erteilt werden, sondern gegenüber der Sozietät. Im Rahmen der Sozietät erfolgt die Auftragserledigung selbstverständlich durch den (geschädigten) Anwalt. |
Antwort von RA Norbert Schneider (Neunkirchen): Zu unterscheiden ist zweierlei:
- Erfolgt die Regulierung außergerichtlich oder muss ein gerichtliches Verfahren geführt werden?
- Wird das geschädigte Fahrzeug betrieblich genutzt oder handelt es sich um ein privat genutztes Fahrzeug?
Die Frage der Kostenerstattung lässt sich am besten anhand von Beispielen beantworten.
1. Außergerichtliche Regulierung
Beispiel 1: Unfall mit betrieblich genutztem Fahrzeug |
Das betrieblich genutzte Kfz des Rechtsanwalts R wird bei einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall beschädigt. R reguliert daraufhin den entstandenen Sachschaden mit dem Haftpflichtversicherer H des Unfallgegners und möchte hiernach die Kosten seiner Tätigkeit ersetzt haben. |
Häufig wird bei solchen Konstellationen darüber diskutiert, ob und in welcher Höhe dem Anwalt ein Vergütungsanspruch zustehe, der nach § 249 BGB zu ersetzen sei. Doch bereits dieser Ansatzpunkt ist falsch. Denn dem Anwalt kann gar kein Vergütungsanspruch zustehen, da es in eigener Sache an einem Anwaltsvertrag fehlt. Für einen Vertragsschluss sind nach §§ 145 ff. BGB zwei Personen erforderlich. Mit sich selbst kann man keinen Vertrag abschließen. Fehlt es damit aber an einem Anwaltsvertrag, kann sich auch keine Anwaltsvergütung ergeben, schon gar nicht nach dem RVG.
Damit ist aber noch nicht gesagt, dass es keinen Erstattungsanspruch gibt. Der Kostenerstattungsanspruch richtet sich auch hier nach §§ 7, 18 StVG, §§ 823, 249 BGB. Insoweit kann dem Anwalt in eigener Sache durchaus ein Ersatzanspruch zustehen, da er schadensbedingt anwaltliche Tätigkeit in eigener Sache entfalten muss und damit eigenen Aufwand hat. Nach einhelliger Rechtsprechung sind die Kosten einer Unfallschadensregulierung grundsätzlich auch zu erstatten, wenn der Rechtsanwalt sich selbst vertritt, sofern auch ein rechtsunkundiger Geschädigter die Einschaltung eines Anwalts als erforderlich ansehen durfte (AG Köln RVG prof. 18, 44; AG Münster NJW-RR 2011, 760). Zum Teil wird insoweit auf den Rechtsgedanken des § 1877 Abs. 3 BGB (früher § 1835 Abs. 3 BGB) zurückgegriffen, wonach als Aufwendungen eines Betreuers oder eines Vormunds auch solche Dienste zählen, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören.
Beachten Sie | Versicherer versuchen häufig, hier die Notwendigkeit in Abrede zu stellen. Insbesondere wird die Begründung angeführt: Der Anwalt sei hinreichend juristisch geschult, sodass er – im Gegensatz zu sonstigen Geschädigten – keiner fremden Hilfe für die Regulierung bedürfe. Dies wird von der Rechtsprechung jedoch zu Recht abgelehnt. Seine durch den Beruf erworbenen Fähigkeiten können dem Anwalt nicht derart zum Nachteil ausgelegt werden, dass ihm eine anwaltliche Tätigkeit im eigenen Interesse unvergütet bleibt (AG Halle NJW 10, 3456).
Der Anwalt kann also einen Kostenersatz in der Höhe verlangen, in der er für seine vergleichbare Tätigkeit für einen Mandanten eine Vergütung erhalten hätte. Das läuft letztlich darauf hinaus, dass der Anwalt eine Kostenerstattung nach den Sätzen des RVG erhält. Das ist eine Geschäftsgebühr aus dem Erledigungswert nebst Auslagen – ebenso wie diese für die Tätigkeit für einen Mandanten erstattet würde.
Im Beispiel 1 erhält der Rechtsanwalt allerdings keine Umsatzsteuer erstattet. Dies liegt nicht daran – wie häufig argumentiert wird –, dass ein Rechtsanwalt zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Bevor man die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung stellt, muss man erst einmal fragen, ob überhaupt Umsatzsteuer anfällt. Dies ist zu verneinen, da der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird und bei einem sog. Eigenverbrauch (Innengeschäft) keine Umsatzsteuer erhoben wird (BGH NJW-RR 05, 363). Ein Ersatz der Umsatzsteuer scheitert also bereits an § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, weil keine Umsatzsteuer anfällt und abgeführt werden muss.
Beispiel 2: Unfall mit privat genutztem Fahrzeug |
Wie Beispiel 1. Es ist jedoch das private – nicht das betrieblich genutzte – Fahrzeug des R beschädigt worden. |
Hinsichtlich des Erstattungsanspruchs gilt das Gleiche wie zuvor, allerdings ist jetzt die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerpflichtig. Es liegt nämlich kein Eigenverbrauch vor, weil das Fahrzeug nicht gewerblich, sondern privat genutzt wird (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG). R muss also jetzt auf seine Vergütung, die ihm der H ersetzen muss, Umsatzsteuer abführen. Demzufolge kann er in diesem Fall die Umsatzsteuer auch von H ersetzt verlangen.
2. Gerichtliches Verfahren
Im gerichtlichen Verfahren ist die Sache eindeutiger. Hier gilt § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Der Anwalt erhält also eine Kostenerstattung nach den Gebühren aus Teil 3 VV.
Auch hier ist hinsichtlich der Umsatzsteuer wiederum danach zu differenzieren, ob ein Eigenverbrauch vorliegt oder ob das private Fahrzeug betroffen ist. Im Fall von Eigenverbrauch fällt keine Umsatzsteuer an und bei dem privaten Fahrzeug wird Umsatzsteuer abgeführt und erstattet.
Beachten Sie | Soweit sich der Anwalt in einem solchen Haftpflichtprozess – i. d. R. auf eine Widerklage hin – gegen seine Inanspruchnahme wehrt, ist der Haftpflichtversicherer Auftraggeber. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze der Kostenerstattung. In diesem Fall wird der Anwalt hinsichtlich der Abwehr vom Versicherer beauftragt, sodass ein Anwaltsvertrag vorliegt. Insoweit wird die Umsatzsteuer erstattet, da der Anwalt nicht für sich selbst tätig wird, sondern im Namen und auf Rechnung des Haftpflichtversicherers, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 93, 35).
3. Rechtsschutzversicherung
Ist der Anwalt rechtsschutzversichert, kann er die Übernahme seiner Kosten durch den Rechtsschutzversicherer verlangen (BGH RVG prof. 11, 37). Die Kosten einer Selbstvertretung, insbesondere wie sie sich nach § 91 Abs. 2 S. 4 ZPO berechnen, kann er gegenüber dem Rechtsschutzversicherer geltend machen. Auch hier gilt, dass Umsatzsteuer bei gewerblicher Nutzung nicht anfällt und nicht erstattet verlangt werden kann. Bei privater Nutzung dagegen fällt Umsatzsteuer an – diese muss der Rechtsschutzversicherer übernehmen.
Zur Sachverhaltsvariante
Beauftragt ein Mitglied einer Sozietät die Sozietät mit der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens, ist dies streng genommen gar kein besonderer Fall. Es verhält sich hier genauso wie bei einem gewöhnlichen Mandat. Es liegt keine Vertretung in eigener Sache vor, weil die Sozietät als eigene juristische Person den Anwalt als natürliche Person vertritt. Allerdings ist darauf abzustellen, ob der Anwalt hinsichtlich des betreffenden Pkw zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. Das bedeutet also, dass der Anwalt zunächst einmal die Vergütung einschließlich Umsatzsteuer an die Sozietät zahlen muss.
Ist der Anwalt zum Vorsteuerabzug berechtigt, erhält er die Nettokosten vom gegnerischen Versicherer ersetzt und die Umsatzsteuer wird vom Finanzamt im Wege des Vorsteuerabzugs erstattet. Ist der Anwalt nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (etwa, weil es sich um das Privatfahrzeug handelt), muss er die volle Vergütung einschließlich Umsatzsteuer an die Sozietät zahlen und erhält diese vom Haftpflichtversicherer in vollem Umfang ersetzt.
Gehört das Fahrzeug, das der Anwalt nutzt, dagegen zum Betriebsvermögen der Sozietät, wären wiederum die Grundsätze des Anwalts in seiner eigenen Sache anzuwenden. Allerdings handelt es sich nicht um die Selbstvertretung eines Einzelanwalts, sondern um die Selbstvertretung einer Sozietät, die selbst den Schaden an ihrem eigenen Fahrzeug reguliert.
AUSGABE: RVGprof 7/2023, S. 109 · ID: 49487933