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MittelgebührKeine neuen Ansätze bei der Bemessung der Rahmengebühr in einer durchschnittlichen Verkehrssache

Abo-Inhalt18.06.2022615 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Wegen der Bemessung der Rahmengebühren im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren gibt es immer wieder Diskussionen und kaum nachvollziehbare (amts-)gerichtliche Entscheidungen. Insoweit fällt ein neueres Urteil des AG Bad Salzungen besonders aus dem Rahmen. |

Entscheidungsgründe

Das AG Bad Salzungen trifft zwei Kernaussagen (30.9.21, 1 C 121/21, Abruf-Nr. 227272):

  • 1. Die vorliegend von der Rechtsanwältin getroffene Gebührenbestimmung ist nicht verbindlich. Zwar befindet sich die Klägerin mit den geltend gemachten Mittelgebühren noch innerhalb des von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Toleranzrahmens (vgl. BGH NJW-RR 07, 420; AGS 11, 120; 12, 220). Der VIII. Zivilsenat des BGH hat aber am 11.7.12 (VIII ZR 323/11, AGS 21, 373) auch entschieden, dass eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Sie sei deshalb nicht unter dem Aspekt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung vom 20 Prozent der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Damit kann der vorliegende Gebührenansatz gerichtlich überprüft werden.
  • 2. Bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten – wie hier – ist grundsätzlich nur die sog. herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen. Denn durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten gehen typischerweise mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und vergleichsweise wenigen Punkten im Zentralregister ein.

Relevanz für die Praxis

Diese Entscheidung ist in doppelter Hinsicht falsch:

Bei der Anwendung der Entscheidung des VIII. BGH-Zivilsenats übersieht das AG den Zusammenhang, in dem diese ergangen ist. Dort ging es um den sog. Schwellenwert von 1,3, der nur überschritten werden darf, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts „umfangreich oder schwierig“ war. Im Straf- und Bußgeldverfahren gibt es einen solchen Schwellenwert nicht. Hier ist vielmehr von der Mittelgebühr auszugehen und anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ist die (angemessene) Gebühr zu bestimmen.

Weicht die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr nicht um mehr als 20 Prozent von der angemessenen Gebühr ab, ist sie nach h. M. in Rechtsprechung und Literatur verbindlich (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Teil A Rn. 1807 ff. m. w. N.). Diese 20-Prozent-Regel kann in Straf- und Bußgeldverfahren nicht umgangen werden, da dies sonst mit der Systematik des RVG und der h. M. in Rechtsprechung und Literatur nicht vereinbar wäre.

Außerdem gibt es im RVG keine „herabgesetzte Mittelgebühr“ für durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten. Das wäre contra legem, auch wenn das zum Teil von AG und LG anders gesehen wird (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a. a. O., Vorbem. 5 VV Rn. 56 ff.). Man kann das nur immer wiederholen. Legt man diese zutreffende Sichtweise zugrunde, bieten die vom AG mitgeteilten Verfahrensumstände keinen Anlass, die Mittelgebühren zu erhöhen oder zu reduzieren. Es handelte sich hier um ein durchschnittliches (verkehrsrechtliches) Bußgeldverfahren, für das die Mittelgebühr vorgesehen ist.

ID: 47750081

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