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VerfahrensrechtKammergutachten ist kein ZPO-Beweismittel
| Bei einem nach dem RVG einzuholenden Gutachten des Vorstands einer Rechtsanwaltskammer (RAK) handelt es sich nicht um ein Beweismittel im Sinne der ZPO. Eine Ladung des Gutachters zur Erläuterung des Gutachtens kommt nach dem LG Düsseldorf nicht in Betracht. |
Sachverhalt
Abruf-Nr. 226609
Die Parteien hatten vor dem LG darüber gestritten, ob das vereinbarte Pauschalhonorar unangemessen hoch sei. Das LG holte daraufhin gemäß § 3a Abs. 2 S. 2 RVG a. F. (seit 1.10.21: § 3a Abs. 3 S. 2 RVG) ein Gutachten des Vorstands der RAK ein. Das Gericht stellte das Gutachten den Prozessbevollmächtigten zu und setzte eine Frist zur Stellungnahme. Nach Ablauf der Frist beraumte das LG einen Termin zur mündlichen Verhandlung an und kündigte an, dass es beabsichtige, dem Gutachten zu folgen. Daraufhin beantragte der Kläger, den Vorstand der RAK zum anstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, damit dort das Gutachten erläutert werde und ergänzende Fragen beantwortet würden. Das LG wies den Antrag zurück (LG Düsseldorf 21.10.21, 20 S 97/20, Abruf-Nr. 226609).
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend. Die Voraussetzungen für eine Ladung nach §§ 397, 402 ZPO liegen nicht vor. Nach diesen Vorschriften kann das Gericht einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden, wenn dies rechtzeitig von einer Partei beantragt worden ist (BGH NJW-RR 17, 1144). Hier konnte dahinstehen, ob der Antrag bereits deshalb zurückzuweisen war, weil er erst nach Ablauf der von der Kammer gemäß § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme auf das Gutachten gestellt worden ist und damit verspätet war.
Es besteht jedenfalls kein Anspruch auf Ladung des Gutachters der RAK, weil §§ 397, 402 ZPO nicht anwendbar sind. Die Vorschriften beziehen sich auf Sachverständigengutachten bzw. auf Anträge der Parteien, einen gerichtlich bestellten Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Gebührengutachten einer RAK, die gemäß § 3a Abs. 2 S. 2 RVG oder seit dem 1.1.21 nach § 14 Abs. 3 RVG erstattet werden, stellen keine Sachverständigengutachten in diesem Sinne dar (Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 3a Rn. 142). Vielmehr sollen die Gebührengutachten einer RAK die Kontrolle der Ausübung des anwaltlichen Billigkeitsermessens durch das Prozessgericht unterstützen und unterliegen als Rechtsgutachten der freien richterlichen Würdigung (BGH NJW 10, 1364; NJW 04, 1043).
Sie sind lediglich eine Informationsquelle, die das erkennende Gericht in einem Vergütungsprozess zwischen Anwalt und Mandant berücksichtigen muss. Ein Gericht ist nicht an das Ergebnis des Gutachtens gebunden. Es muss nur die Ausführungen berücksichtigen und sich damit auseinandersetzen. Es kann völlig anders entscheiden, selbst wenn dies in der Praxis selten vorkommt.
AUSGABE: RVGprof 3/2022, S. 40 · ID: 47892284