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PflichtverteidigungEntschädigung, wenn die Gebührenfestsetzung unangemessen lange dauert
| Immer wieder wird von Pflichtverteidigern beklagt, dass die Festsetzung ihrer Gebühren zu lange dauert. Dass das für die Staatskasse ggf. „teuer“ werden kann, zeigt eine Entscheidung des OLG Hamm. |
Sachverhalt
. 227276
Die klagende Rechtsanwältin verlangte wegen einer überlangen Verfahrensdauer für die Festsetzung von erstinstanzlichen Pflichtverteidigergebühren eine Geldentschädigung. Statt der von ihr beantragten 850 EUR sprach ihr das OLG Hamm immerhin 200 EUR zu (8.9.21, 11 EK 11/20, Abruf-Nr. 227276).
Relevanz für die Praxis
Das OLG ist von einer unangemessen langen Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens ausgegangen, weil das AG dieses bis zur Rückkehr der Akten aus der Berufungsinstanz nicht betreiben wollte (zu § 198 GVG für Festsetzung von Kosten und Vergütungen: OLG Karlsruhe RVG prof. 19, 44; OLG Zweibrücken NJW 17, 1328). Dabei stand außer Frage, dass die Verteidigervergütung Teil der Existenzgrundlage eines Anwalts ist. Ihm kann nicht ohne ausreichenden sachlichen Grund zugemutet werden, auf unbestimmte Zeit auf die Auszahlung warten zu müssen. Dies ist gerade bei Rechtsmittelverfahren evident, deren Dauer oft nicht abschätzbar ist und die im Einzelfall Jahre andauern können.
Zwar hat der Angeklagte ein vorrangiges Interesse, den gegen ihn erhobenen Vorwurf und die erstinstanzliche Verurteilung in angemessener Zeit durch das Berufungsgericht überprüfen zu lassen. Dennoch darf das Festsetzungsverfahren nicht nur zögerlich betrieben werden. Insofern liefert die Entscheidung gute Munition für den Pflichtverteidiger, um die Festsetzung zu beschleunigen: Das OLG verlangt von dem Kostenbeamten ein Tätigwerden, indem er die Akte zurückfordern, daran erinnern bzw. die Rücksendungsaufforderung wiederholen muss. Damit korrespondiert m. E. die Verpflichtung des Rechtsmittelgerichts, dem Ausgangsgericht mitzuteilen, warum nicht/wann mit der Rücksendung der Akten gerechnet werden kann.
Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung liegt die Entscheidung auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, die in Verfahren mit geringem Streitwert eine Abweichung von der Regelentschädigung nach unten bejaht. Das kann bei einer Pauschgebühr nach § 51 RVG allerdings anders aussehen.
So groß die Freude von Verteidigern über die Entscheidung sein wird: Sie sind auch in der Pflicht. Sie sollten Festsetzung bzw. Entschädigung so beantragen, dass der Kostenbeamte nicht nachfragen muss. Erhoben werden muss auch die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG unter Beachtung der Frist des § 198 Abs. 3 S. 3 GVG. Zu beachten ist ggf. auch die Klagefrist des § 198 Abs. 5 GVG (vgl. Burhoff in: Burhoff [Hrsg.], Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., Rn. 3323).
AUSGABE: RVGprof 3/2022, S. 42 · ID: 47750009