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EinigungsgebührSo rechnen Sie den Mehrwertvergleich über anderweitig anhängige Ansprüche optimal ab

Top-BeitragAbo-Inhalt20.02.20222068 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Die Ermittlung der anwaltlichen Vergütung beim Abschluss eines sog. Mehrwertvergleichs ist kompliziert, wenn wegen der Einbeziehung anderweitig anhängiger Gegenstände angerechnet werden muss. Der Beitrag zeigt anhand von Beispielen, wie Sie optimal und korrekt abrechnen. |

1. Abrechnung des Verfahrens, in dem verglichen wird

Die Abrechnung in dem Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wird, erfolgt vom Grundsatz her ebenso wie bei Mitvergleichen nicht anhängiger Gegenstände. Es besteht aber die Besonderheit, dass insgesamt nur eine ermäßigte 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG abgerechnet wird.

Ausgangsfall: Berechnung mit Anrechnung

Kläger K hat gegen den Beklagten B unter dem Az. 1/22 eine Klage in Höhe von 10.000 EUR erhoben. B wiederum hat unter dem Az. 2/22 eine Klage gegen K auf Zahlung von 8.000 EUR erhoben. Im Verfahren 1/22 wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Dort wird ein Gesamtvergleich geschlossen, der sowohl das Verfahren 1/22 als auch das Verfahren 2/22 erledigt. Im Verfahren 2/22 war noch nicht mündlich verhandelt worden und die Anwälte hatten noch keine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens geführt.

Abzurechnen ist im Verfahren 1/22 wie folgt:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

798,20 EUR

0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

401,60 EUR

gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 18.000 EUR

1.001,00 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 18.000 EUR)

924,00 EUR

1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 18.000 EUR)

770,00 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

515,85 EUR

3.230,85 EUR

2. Ermittlung des Anrechnungsbetrags

Zu berücksichtigen ist, dass der Anwalt aus den mitverglichenen 8.000 EUR die Verfahrensgebühr nicht „doppelt“ abrechnen darf. Er darf also nicht einerseits im Verfahren 2/22 die volle 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und andererseits im Verfahren 1/22 die ermäßigte 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr (Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG) geltend machen. Vielmehr ist die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr, die im Verfahren 1/22 entstanden ist, bzw. der nach Kürzung gemäß § 15 Abs. 3 RVG hiervon verbleibende Betrag im Verfahren 2/22 gemäß Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV RVG anzurechnen.

Verfahrensgebühr: Formel für die Ermittlung des Anrechnungsbetrags
  • 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert des Verfahrens
  • + 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Mehrwert
  • dieser ggf. nach § 15 Abs. 3 RVG gekürzt
  • ./. 1,3-Verfahrensgebühr ohne Mehrwert
  • = Anrechnungsbetrag
Anwendung im Ausgangsfall

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

798,20 EUR

0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

401,60 EUR

gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 18.000 EUR

1.001,00 EUR

abzüglich 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

- 798,20 EUR

= Anrechnungsbetrag nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV RVG

202,80 EUR

Abzurechnen ist im Verfahren 1/22 wie folgt:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV RVG anzurechnen

- 202,80 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

89,26 EUR

559,06 EUR

Addiert man die Vergütung beider Verfahren, ergibt sich die folgende anwaltliche Gesamtvergütung:

Verfahren 1/22

3.230,85 EUR

Verfahren 2/22

559,06 EUR

3.789,91 EUR

3. Alternative einfachere Berechnung

Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man im Verfahren 1/22 „anrechnet“, indem man dort die Verfahrensdifferenzgebühr gar nicht erst abrechnet. Dies folgt aus § 15a Abs. 1 RVG. Danach kann der Anwalt vom Mandanten im Falle einer Anrechnung jede der aufeinander anzurechnenden Gebühren in voller Höhe verlangen, allerdings nicht beide auf einmal, sondern insgesamt nur den um die Anrechnung verminderten Gesamtbetrag. Wo der Anwalt anrechnet, ist dabei unerheblich. Würde er im Verfahren 1/22 die Verfahrensdifferenzgebühr erst gar nicht ansetzen, bräuchte er sie im Verfahren 2/22 auch nicht anzurechnen. Es ergibt sich folgende Berechnung mit demselben Gesamtergebnis:

Ausgangsfall: Alternative Berechnung ohne Anrechnung

Abzurechnen ist im Verfahren 1/22 wie folgt:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

798,20 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 18.000 EUR)

924,00 EUR

1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 18.000 EUR)

770,00 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

477,32 EUR

2.989,52 EUR

Abzurechnen ist im Verfahren 2/22 wie folgt:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV

127,79 EUR

800,39 EUR

Das Gesamtergebnis ist wiederum dasselbe:

Verfahren 1/22

2.989,52 EUR

Verfahren 2/22

800,39 EUR

Gesamt

3.789,91 EUR

4. Anrechnung der Terminsgebühr

Eine vergleichbare Anrechnungsvorschrift sieht das RVG vor, wenn in dem mitverglichenen Verfahren bereits eine Terminsgebühr angefallen ist. Hier ist nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV RVG auch die Differenzterminsgebühr anzurechnen, und zwar nach der folgenden Formel:

Terminsgebühr: Formel für die Ermittlung des Anrechnungsbetrags
  • 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert
  • ./. 1,2-Terminsgebühr aus Verfahrenswert ohne Mehrwert
  • = Anrechnungsbetrag
Abwandlung

Wie im Ausgangsfall. Allerdings ist im Verfahren 2/22 bereits verhandelt worden.

An der Abrechnung im Verfahren 1/22 ändert sich nichts (3.230,85 EUR).

Im Verfahren 2/22 ist jetzt aber der folgende weitere Betrag anzurechnen:

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 18.000 EUR)

924,00 EUR

./. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

- 736,80 EUR

= Anrechnungsbetrag nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV RVG

187,20 EUR

Dies führt im Verfahren 2/22 zu folgender Abrechnung:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV RVG anzurechnen

- 202,80 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV RVG anzurechnen

- 187,20 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

168,15 EUR

1.053,15 EUR

Es ergibt sich folgende anwaltliche Gesamtvergütung:

Verfahren 1/22

3.230,85 EUR

Verfahren 2/22

1.053,15 EUR

4.284,00 EUR

Alternative Berechnung

Auch hier gilt § 15a Abs. 1 RVG. Gegenüber dem Mandanten ist es also gleichgültig, wie abgerechnet wird. Auch hier kann der Anwalt im Verfahren 1/22 die Terminsgebühr einfach nur aus dem Wert der anhängigen Gegenstände berechnen. Dafür braucht er im Verfahren 2/22 wiederum nichts anzurechnen:

Dies führt im Verfahren 1/22 zu folgender Abrechnung:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

798,20 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR)

736,80 EUR

1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 18.000 EUR)

770,00 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

441,75 EUR

2.766,75 EUR

Dies führt im Verfahren 2/22 zu folgender Abrechnung:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

242,25 EUR

1.517,25 EUR

Das Gesamtergebnis ist wiederum dasselbe:

Verfahren 1/22

2.766,75 EUR

Verfahren 2/22

1.517,25 EUR

4.284,00 EUR

AUSGABE: RVGprof 3/2022, S. 44 · ID: 47935458

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