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GerichtskostenpraxisAugen auf bei der Gerichtskostenrechnung

Top-BeitragAbo-Inhalt16.02.20222469 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Es gehört zu den anwaltlichen Pflichten, Gerichtskostenabrechnungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und bei Fehlern entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Fehlerhafte Gerichtskostenabrechnungen ergeben sich derzeit häufig in Fällen, in denen der Mahnantrag noch im Jahr 2020 und der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erst im Jahr 2021 gestellt worden sind. Hierzu folgende Praxisfälle: |

1. Die Gebühr des Mahnverfahrens wird angerechnet

Für das Mahnverfahren fällt eine Gerichtsgebühr nach Nr. 1100 GKG-KV an, und zwar zu einem Gebührensatz in Höhe von 0,5. Für das nachfolgende streitige Verfahren entsteht die gewöhnliche 3,0-Gebühr, die auch im Fall einer Klage entsteht (Nr. 1210 GKG-KV). Allerdings ist jetzt nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV die 0,5-Gebühr des Mahnverfahrens anzurechnen.

2. Das Übergangsrecht ist zu beachten

Bei einer Gesetzesänderung wie durch das KostRÄG 2021 ist das Übergangsrecht für die Gerichtsgebühren in § 71 GKG geregelt. Danach ist im Fall einer Gesetzesänderung die Fassung anzuwenden, die zu dem Zeitpunkt galt, als die Rechtsstreitigkeit anhängig gemacht worden ist (§ 71 Abs. 1 S. 1 RVG). Lediglich für Rechtsmittelverfahren findet sich eine Ausnahme in § 71 Abs. 1 S. 2 RVG. Hier kommt es auf den Rechtsmittelantrag an.

Beispiel 1

Antragsteller A hatte im November 2020 einen Mahnbescheid wegen einer Geldforderung in Höhe von 10.000 EUR beantragt, den das Mahngericht antragsgemäß erlassen hat. Das Mahngericht hatte daraufhin eine 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 GKG-KV in Höhe von 120,50 EUR nach altem Recht erhoben. Gegen den Mahnbescheid hatte der Antragsgegner G Widerspruch eingelegt. Daraufhin begründete A den Anspruch im Januar 2021 und beantragte, das streitige Verfahren durchzuführen. Das Gericht verlangte dafür gemäß Nr. 1210 GKG-KV eine 3,0-Gebühr aus 10.000 EUR nach neuem Recht, unter Anrechnung der vorangegangenen 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 GKG-KV, also:

3,0-Gebühr, Nr. 1210 GKG-KV (Wert: 10.000 EUR) (neues Recht)

798,00 EUR

gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV anzurechnen,

0,5 aus 10.000 EUR (altes Recht)

- 120,50 EUR

Restbetrag

677,50 EUR

Lösung: Die GKG-Abrechnung ist insofern zunächst korrekt, als für das Mahnverfahren die Gerichtsgebühr zutreffend noch nach dem alten Kostenrecht erhoben worden ist. Denn der Mahnantrag ist vor dem 1.1.21 gestellt worden.

3. Mahnverfahren und streitiges Verfahren sind eine Einheit

Die entscheidende Frage ist allerdings, nach welchem Recht die 3,0-Gebühr der Nr. 1210 GKG-KV zu erheben ist. Würde man sich auf den Standpunkt stellen, dass mit einem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens ein neues Verfahren anhängig werde, müsste man im Beispiel 1 konsequenterweise – wie geschehen – die 3,0-Gebühr nach dem neuen Recht abrechnen und darauf die 0,5-Gebühr nach dem alten Recht anrechnen. Per Saldo ergebe sich eine 3,0-Gebühr nach neuem Recht für das gesamte Verfahren.

Diese Betrachtung wird häufig von den Gerichten angestellt, ist jedoch unzutreffend. Denn das Mahnverfahren und das streitige Verfahren bilden eine Einheit! Kostenrechtlich wird der Rechtsstreit somit bereits mit Einreichung des Mahnantrags anhängig. Dies erfordert eine einheitliche Kostenbetrachtung. D. h.: Ist der Mahnantrag noch nach dem alten Kostenrecht bei Gericht eingereicht worden, gilt das alte Kostenrecht nicht nur für die Gebühr des Mahnverfahrens, sondern auch für die Gerichtsgebühr der ersten Instanz (OLG München JurBüro 95, 651; OLG Koblenz MDR 96, 969; LG Osnabrück 12.4.13, 7 O 2656/12).

Korrekte Lösung des Beispiels 1

Die richtige Gerichtskostenabrechnung muss im Beispiel 1 daher wie folgt aussehen:

3,0-Gebühr, Nr. 1201 GKG-KV (Wert: 10.000 EUR) (altes Recht)

723,00 EUR

gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV anzurechnen,

0,5 aus 10.000 EUR (altes Recht)

- 120,50 EUR

Restbetrag

602,50 EUR

4. Bei Klageerweiterung bleibt altes Recht maßgebend

Wird im laufenden Rechtsstreit die Klage erweitert oder eine Widerklage erhoben, gilt bei einem Mahnantrag vor dem KostRÄG 2021 auch für die Erweiterung bzw. die Widerklage das alte Kostenrecht. Die Gerichtsgebühr ist dann aus dem Gesamtwert nach altem Recht zu berechnen. Denn weder eine Klageerweiterung noch eine Widerklage lösen einen neuen Rechtsstreit aus, sondern finden vielmehr im bereits anhängigen Rechtsstreit statt.

Beispiel 2

Antragsteller A hatte im Jahr 2021 einen Mahnbescheid über 10.000 EUR erwirkt. Im März 2021 hat

a) A die Klage um 5.000 EUR erweitert,

b) der Beklagte B eine Widerklage in Höhe von 5.000 EUR erhoben.

Lösung

Der Streitwert des Mahnverfahrens beläuft sich nach wie vor auf 10.000 EUR. Der Streitwert des streitigen Verfahrens beläuft sich dagegen auf 15.000 EUR. Abzurechnen ist einheitlich nach altem Recht wie folgt:

3,0-Gebühr, Nr. 1201 GKG-KV (Wert: 15.000 EUR) (altes Recht)

879,00 EUR

gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV anzurechnen,

0,5 aus 10.000 EUR (altes Recht)

- 120,50 EUR

Restbetrag

758,50 EUR

5. Bei reduziertem Streitantrag ist Teilanrechnung zu beachten

Manchmal werden die in einem Mahnverfahren geltend gemachten Ansprüche nur teilweise in das streitige Verfahren übergeleitet, etwa weil eine Teilzahlung erfolgt ist oder weil der Kläger sich seines Anspruchs doch nicht in voller Höhe sicher ist. Nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV wird die 0,5-Gebühr des Mahnverfahrens hier nur insoweit angerechnet, als sie nach dem geringeren Gegenstandswert des streitigen Verfahrens entstanden ist.

Beispiel 3

Antragsteller A hatte in 2020 den Erlass eines Mahnbescheids über 10.000 EUR erwirkt. Nach einem Widerspruch beantragte er im Januar 2021 die Durchführung des streitigen Verfahrens lediglich wegen einer Forderung in Höhe von 6.000 EUR.

Lösung: In diesem Fall wird nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV die 0,5-Gebühr des Mahnverfahrens nur insoweit angerechnet, als sie nach dem geringeren Gegenstandswert des streitigen Verfahrens entstanden ist. Auch hier bleibt es insgesamt beim alten Recht. Abzurechnen ist wie folgt:

3,0-Gebühr, Nr. 1201 GKG-KV (Wert: 6.000 EUR) (altes Recht)

495,00 EUR

Gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KV anzurechnen,

0,5 aus 6.000 EUR (altes Recht)

- 82,50 EUR

Restbetrag

412,50 EUR

6. Diese Rechtsbehelfe/Rechtsmittel gibt es

Hat das Gericht fehlerhaft gerechnet, stehen den Parteien je nach Fallkonstellation verschiedene Rechtsbehelfe und Rechtsmittel zur Verfügung.

a) Beschwerde nach § 67 GKG gegen Vorauszahlung

Wird der im Mahnverfahren geltend gemachte Anspruch begründet, muss der Antragsteller die Gerichtsgebühr der Nr. 1210 GKG-KV unter Anrechnung der Gebühr der Nr. 1100 GKG-KV vorauszahlen (§ 12 GKG). Hat das Gericht für das streitige Verfahren die Gerichtskostenvorauszahlung fehlerhaft z. B. nach neuem Recht berechnet, kann der Antragsteller/Kläger hiergegen nach § 67 GKG Beschwerde erheben. Denn das Gericht hat die Durchführung des streitigen Verfahrens von einer zu hohen Vorauszahlung abhängig gemacht.

Eine Mindestbeschwer ist für die Beschwerde nach § 67 GKG nicht erforderlich. Es gibt auch keine Beschwerdefrist. Die Beschwerde ist also unbefristet.

Merke | Soweit das LG als Beschwerdegericht entscheidet, ist nach § 67 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde möglich. Eine Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen.

Beachten Sie | Die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei und es ist keine Kostenerstattung vorgesehen. Die Beschwerde löst allerdings für den Anwalt eine 0,5-Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG aus. Maßgeblicher Gegenstandswert ist gemäß § 23 Abs. 2 RVG der vermeintlich zu viel verlangte Betrag, also die Differenz zwischen der verlangten Vorauszahlung und der tatsächlich geschuldeten Vorauszahlung.

b) Erinnerung nach § 66 GKG gegen Schlussrechnung

Werden die Gerichtsgebühren nach Abschluss des Verfahrens abgerechnet, kann hiergegen gemäß § 66 GKG Erinnerung eingelegt werden. Die Erinnerung ist unbefristet und setzt keine Mindestbeschwer voraus.

Merke | Wird die Erinnerung zurückgewiesen, ist hiergegen die Beschwerde möglich (§ 66 Abs. 2 GKG). Diese setzt allerdings voraus, dass der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 EUR übersteigt oder dass die Beschwerde zugelassen worden ist. Eine Frist ist auch hierfür nicht vorgesehen. Soweit das LG als Beschwerdegericht entscheidet, ist die weitere Beschwerde zum OLG möglich (§ 66 Abs. 4 GKG). Eine Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen.

c) Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren

Verlangt die erstattungsberechtigte Partei im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Erstattung der von ihr vorgelegten Gerichtskosten und will die erstattungspflichtige Partei geltend machen, dass die Gerichtskosten zu hoch abgerechnet worden seien, hat sie keine Möglichkeit, unmittelbar gegen die Gerichtskasse tätig zu werden.

Die erstattungsberechtigte Partei ist nicht Kostenschuldner. Sie kann sich nur im Rahmen der Kostenfestsetzung wehren. Hier kann sie einwenden, dass die zu hoch berechneten Gerichtskosten nicht notwendig waren und es die erstattungsberechtigte Partei versäumt habe, sich gegen die fehlerhafte Gerichtskostenrechnung zu wehren (vgl. BGH AGS 13, 433). Dann muss entweder

Merke | Gegen die Kostenfestsetzung ist nach allgemeinen Grundsätzen die Erinnerung oder die sofortige Beschwerde gegeben. Gegen die Beschwerdeentscheidung kann auch noch die Rechtsbeschwerde erhoben werden, soweit sie zugelassen worden ist.

  • das Kostenfestsetzungsverfahren ausgesetzt und die zutreffende Gerichtskostenabrechnung nachgeholt werden oder
  • das mit der Festsetzung befasste Gericht muss inzidenter prüfen, ob die Gerichtskostenabrechnung unzutreffend war und ob sich die erstattungsberechtigte Partei hiergegen hätte zur Wehr setzen müssen.

AUSGABE: RVGprof 3/2022, S. 48 · ID: 47962530

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