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RechtsprechungsübersichtDas sind die wichtigsten Entscheidungen des BGH zum Steuerstrafrecht aus 2024

Abo-Inhalt28.07.202574 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Jost Schützeberg, OStA a. D., Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, Duisburg

| Der Beitrag gibt einen Überblick über die in 2024 veröffentlichte praxisrelevante Rechtsprechung des BGH zum Steuerstrafrecht. |

1. Grundsätzliches

Der BGH hat zu einigen grundsätzlichen Punkten Stellung genommen:

a) Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG

Die Revision der Staatsanwaltschaft war erfolgreich, da die Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns (§ 17 EStG) und damit des Verkürzungsumfangs nicht nachvollziehbar war. Die Höhe der Steuerverkürzung (§ 370 Abs. 1 AO) ergibt sich aus dem Vergleich der tatsächlich geschuldeten mit der zu niedrig festgesetzten Steuer. Das LG hätte den Veräußerungsgewinn korrekt bestimmen müssen, um die Soll-Steuer zu ermitteln. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt, § 17 Abs. 2 S. 1 EStG. Er entsteht mit Übergang der zivilrechtlichen Inhaberschaft (§ 39 Abs. 1 AO) oder des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) auf den Erwerber und ist in diesem Veranlagungszeitraum zu versteuern. Alle relevanten Faktoren werden zum Zeitpunkt der Veräußerung bestimmt. Auf den Zufluss des Entgelts (§ 11 EStG) kommt es nicht an (Stichtagsprinzip). Unwägbarkeiten sind durch Schätzung zu berücksichtigen. In den relevanten Veranlagungsjahren sind nach dem Teileinkünfteverfahren vom Veräußerungspreis nur 60 % steuerpflichtig, § 3 Nr. 40c EStG; auch die Veräußerungs- und Anschaffungskosten sind mit 60 % anzusetzen, § 3c Abs. 2 EStG. Ein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG ist ggf. zu berücksichtigen.

b) Gewinnermittlungsart

Die Wahl der Gewinnermittlungsart ist auch steuerstrafrechtlich entscheidend, da sich die Betriebsergebnisse nach § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG unterscheiden können. Hinterzogene USt beeinflusst die Gewinnhöhe unterschiedlich, je nach Art der Gewinnermittlung. Nur bei Bilanzierung mindert die nachzuentrichtende USt den Betriebsgewinn in demselben Besteuerungszeitraum. Bei der Einnahmeüberschussrechnung bleibt der Gewinn trotz der gleichzeitigen USt-Verkürzung unverändert, da keine entsprechenden Zahlungen abfließen. Hierzu der BGH (12.12.24, 1 StR 112/24): Der Gewinn bei Gewinneinkünften wird durch Bestandsvergleich ermittelt. Wer nicht buchführungs- und abschlusspflichtig ist, kann wahlweise die Einnahmeüberschussrechnung nutzen. Ohne Wahl bleibt es bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Die Handhabung der Gewinnermittlung ist entscheidend. Auf der Grundlage der insoweit widersprüchlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils war nicht nachvollziehbar, wie der Angeklagte bzw. später seine Ehefrau den Gewinn ermittelte.

2. Umsatzsteuerhinterziehung

a) Notwendige Urteilsfeststellungen

Das LG hatte nicht festgestellt, ob die USt-Jahreserklärungen zu einer Zahllast oder Steuervergütung führten. Der BGH (28.11.24, 1 StR 376/24) klärt: Bei der Steuerhinterziehung, einem Erfolgsdelikt, ist Vollendung erreicht, wenn Steuern verkürzt oder ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden, § 370 Abs. 1 AO. Bei der USt-Hinterziehung durch falsche Erklärungen hängt die Vollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen – USt-Jahreserklärungen oder -Voranmeldungen (§ 150 Abs. 1 S. 3 AO i. V. m. § 18 Abs. 1 S. 1 bzw. § 18 Abs. 3 S. 1 UStG) – zu einer Zahllast oder Steuervergütung führten. Zwar steht eine Steueranmeldung gem. § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt aber die Steueranmeldung dazu, dass die bisher zu entrichtende Steuer herabgesetzt oder vergütet wird, gilt dies erst, wenn das FA zugestimmt hat, § 168 S. 2 AO. Das Tatgericht muss daher feststellen, ob die Steueranmeldung eine Zahllast oder Steuervergütung beinhaltete und ob das FA einer Vergütung dieser (z. B. konkludent durch Auszahlung) zugestimmt hat.

b) Kommissionsgeschäft

Nach § 3 Abs. 3 UStG, basierend auf Art. 14 Abs. 2c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, wird bei Kommissionsgeschäften (§§ 383 ff. HGB) angenommen, dass der Kommittent an den Kommissionär liefert. Im Fall BGH 7.3.24, 1 StR 472/23, lieferten sowohl die Mittelsmänner an die Erwerber als auch der Angeklagte an die Mittelsmänner, da diese im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Angeklagten handelten. Dies gilt auch, wenn der Angeklagte unter fremdem Namen auftrat oder Vermittler einschaltete, da die Mittelsmänner gegenüber den Erwerbern berechtigt und verpflichtet wurden, die Geschäfte jedoch auf Rechnung des Angeklagten ausführten. Eine Steuerschuld des Angeklagten ergab sich hingegen nicht daraus, dass insofern Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO) anzunehmen wären. Die Verkäufe waren keine Scheingeschäfte, weil die Mittelsmänner in eigenem Namen handelten und die Erwerber davon ausgingen, rechtsgeschäftliche Beziehungen mit den Mittelsmännern zu begründen. Die Mittelsmänner waren insofern keine nur „vorgeschobenen“ Strohleute; der Angeklagte trat auch nicht nach außen auf. Aus demselben Grund sind die Voraussetzungen des § 35 AO nicht erfüllt.

3. Strafzumessung

Für die Strafzumessung waren die folgenden Entscheidungen bedeutsam:

a) Indizwirkung und besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung

Die Indizwirkung des Regelbeispiels (§ 370 Abs. 3 AO) kann durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, wenn diese so schwer wiegen, dass der Strafrahmen für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint. Nach BGH (25.7.24, 1 StR 68/24) hätte das LG zunächst prüfen müssen, ob allgemeine Strafmilderungsgründe wie Geständnis und Unvorbestraftheit die Indizwirkung des Regelbeispiels der Steuervorteilserlangung im großen Ausmaß (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO) allein entkräften können. Anschließend hätte es den vertypten Strafmilderungsgrund der §§ 23, 49 StGB berücksichtigen müssen. Das LG hat gegen diese Prüfungsreihenfolge verstoßen und so die Prüfung verbaut, ob der Grundstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO mit einer Obergrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe anzuwenden gewesen wäre.

b) Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AO

Der BGH (6.3.24, 1 StR 308/23) hat entschieden, dass aus dem Wortlaut des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AO („unter“) folgt, dass nachgemachte oder verfälschte Belege bei der Steuererklärung den Finanzbehörden zur Kenntnis gebracht werden müssen. Die Verwendung der Belege für unwahre Bilanzen oder Steuererklärungen reicht nicht aus, da der Täter noch nicht zur Tat angesetzt hat. Die Belege müssen vor Beendigung der Tat vorgelegt werden; eine nachträgliche Vorlage im Rahmen einer Betriebsprüfung genügt nicht.

Das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AO ist zudem nur erfüllt, wenn der Täter fortgesetzt handelt, also vor der aktuellen Tat mindestens zwei Steuerhinterziehungen nach § 370 AO mit gefälschten Belegen begangen hat. Es reicht nicht aus, wenn die Belege für nicht nach § 370 AO strafbare Abgaben, wie kommunale Abgaben (z. B. Vergnügungssteuer), genutzt wurden. § 370 Abs. 3 AO sieht ein höheres Strafmaß für Taten des Grundtatbestands nach § 370 Abs. 1 AO vor, wenn sie auf eine besonders strafwürdige Weise, z. B. „unter Verwendung gefälschter Belege fortgesetzt“, begangen werden. Das Tatbestandsmerkmal „fortgesetzt“ bezieht sich auf vorangegangene Taten nach dem Grundtatbestand. Ob dies anders ist, wenn in dem betreffenden Gesetz ein § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AO entsprechender besonders schwerer Fall unmittelbar oder durch – eine nicht statuierte – Verweisung auch auf § 370 Abs. 3 AO geregelt wird, bleibt offen.

c) Geldstrafe neben Freiheitsstrafe (§ 41 StGB)

Die zusätzlich zur Freiheitsstrafe gem. § 41 StGB verhängten Geldstrafen hielten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (BGH 27.11.24, 1 StR 473/23). Nach der Neuregelung der §§ 73 ff. StGB kann eine Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat, und dies unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist, § 41 StGB. Die Vorschrift zielt nicht primär darauf ab, den Täter besserzustellen. Zwar soll durch § 41 StGB in geeigneten Fällen auch ermöglicht werden, die Freiheitsstrafe niedriger zu halten. Die Norm ist aber vornehmlich auf Fälle zugeschnitten, in denen es nach der Art von Tat und Täter zur Erreichung der Strafzwecke sinnvoll erscheint, diesen nicht nur an der Freiheit, sondern darüber hinaus auch am Vermögen zu treffen, was insbesondere auf Täter zutrifft, bei denen Vermögensvorteile ein bestimmendes Tatmotiv waren.

Die Gesetzesmaterialien legen nahe, dass der durch Art. 18 Abs. 2 Nr. 9 des EGStGB vom 2.3.74 (BGBl I, 469) in das StGB eingefügte § 41 StGB ursprünglich geschaffen wurde, um vermögende Täter, insbesondere aus der Wirtschaftskriminalität, dadurch zu treffen, dass ihnen ihre illegalen Gewinne entzogen werden. Denn das damalige Vermögensabschöpfungsrecht galt als unzureichend. Unter dem alten Vermögensabschöpfungsrechts (Verfall gem. §§ 73 ff. StGB) war es laut BGH-Rechtsprechung möglich, eine zusätzliche Geldstrafe gem. § 41 StGB neben einem Verfall zu verhängen. Bei der Entscheidung über eine Geldstrafe sollten aber Vermögenswerte, die dem Verfall oder der Rückgewinnungshilfe unterlagen, unberücksichtigt bleiben.

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.17 (BGBl I, 872) zum 1.7.17 ist der Zweck der Norm weitestgehend entfallen. Kernstück der Reform war, § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a. F. ersatzlos zu streichen, der das bisherige System der Opferentschädigung regelte. Danach war eine Verfallsanordnung gem. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a. F. ausgeschlossen, wenn dem Verletzten einer individualschützenden Straftat aus der Tat ein Vermögensanspruch erwachsen war, der dem Täter den Wert des Erlangten entzogen hätte. Nach der Streichung ist nun gem. §§ 73 ff. StGB n. F. grundsätzlich ausnahmslos einzuziehen, wenn der Täter durch die Tat Vermögenswerte erlangt. Die Einziehung ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen (z. B. § 73 Abs. 3, § 73b Abs. 3 StGB) – in allen Fällen zwingend anzuordnen.

In den Fällen, in denen zur Abschöpfung des aus der Tat erlangten Vermögens eine Einziehung gem. §§ 73 ff. StGB n. F. angeordnet wird, ist die Möglichkeit, kumulativ eine Freiheits- und Geldstrafe i. S. d. § 41 StGB zu verhängen, daher grundlegend infrage gestellt. Neben einer Einziehungsentscheidung gem. §§ 73 ff. StGB n. F. ist im Regelfall kein Raum mehr, um eine zusätzliche Geldstrafe nach § 41 StGB zu verhängen.

d) Konkurrenzen

Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit vorliegt, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit nach § 53 StGB liegt vor, wenn mehrere Hilfeleistungen mehrere selbstständige Taten unterstützen, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Beihilfe i. S. d. § 52 StGB ist gegeben, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet. Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGH 6.3.24, 1 StR 308/23).

4. Einziehung

Bezüglich der Einziehung hat der BGH Folgendes entschieden:

a) Einziehung des „für die Tat“ Erlangten bei Cum-Ex

Das LG hatte eine Einziehungsanordnung abgelehnt, die dagegen eingelegte Revision der GStA war erfolgreich (BGH 18.9.24, 1 StR 197/24). Denn das LG hat rechtsfehlerhaft die sich aufdrängenden Absprachen nicht weiter erörtert, aufgrund derer dem Angeklagten als Entgelt für seine Tatbeteiligung jedenfalls die Wertsteigerung an Fondsanteilen zustehen könnte. Die Entscheidung, eine Einziehungsanordnung abzulehnen, hält unter dem Gesichtspunkt der Abschöpfung des Tatlohns (§ 73 Abs. 1 Alt. 2 [„für“], § 73c S. 1 StGB) sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kommt allein diese Einziehungsalternative in Betracht, nicht hingegen die erste Alternative des § 73 Abs. 1 StGB („durch“). Denn „durch“ setzt Kausalität voraus: Der abzuschöpfende Tatertrag muss der Tathandlung nachfolgen. „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen. Allein bei der Tatalternative des § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB unterliegen auch im Vorfeld der Tatbegehung erlangte Vermögensvorteile (Vorkasse) der Abschöpfung. Bei der durch eine tatsächliche Betrachtungsweise geprägten Abschöpfung muss der Gesichtspunkt, ob die Vorauszahlungen später durch die Erträge aus der Straftat refinanziert wurden, außer Betracht bleiben. Allein der tatsächliche Zahlungsfluss ist maßgeblich; die Zuflüsse sind i. d. S. nicht in finanzieller Hinsicht zu werten.

Vom inkriminierten Tatlohn sind Zuwendungen abzugrenzen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält. Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich besteht oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines solchen vorgetäuschten Anspruchs an ihn weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Schließlich ist nicht erforderlich, dass andere natürliche Personen dem Einziehungsbetroffenen den Vermögensvorteil für seine Tatbeteiligung zugewendet haben. Auch juristische Personen oder (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften können als Leistende zwischengeschaltet werden. Allein die Eigenmächtigkeit eines Einbehalts unterbricht den Kausal- und Zurechnungszusammenhang. Damit können auch sog. Insichgeschäfte i. S. d. § 181 Alt. 1 BGB, bei denen ein Täter für sich selbst und zugleich – etwa nach § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GmbHG – für die juristische Person bzw. Personengesellschaft handelt, von der Einziehungsalternative des § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB erfasst sein. Auch ist denkbar, dass ein Tatbeteiligter zugleich für zwei juristische Personen auftritt, vgl. § 181 Alt. 2 BGB.

I. d. S. sind die Cum-Ex-Aktiengeschäfte mit anschließender unberechtigter Erstattung der KapESt – anders als die sonst nicht unähnlichen „Umsatzsteuerbetrugsfälle“, in denen die erschlichene Vorsteuervergütung regelmäßig als Tatbeute („durch“) verteilt wird – durch eine Refinanzierung geprägt.

Merke | Für die Einziehung ist aber der tatsächliche „Buchgeldfluss“ maßgeblich. Dies bedeutet, dass die Tatbeteiligten ihre Gewinne – jedenfalls überwiegend – als Tatlohn vereinnahmen; der Betrag der erstatteten KapESt unterliegt damit zumeist nur beim Leerkäufer als „durch“-Einziehungsbetroffenem der Abschöpfung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch an den Leerkäufer vom Leerverkäufer ein Teil des Vorausgewinns zurückfließt.

Weitere Voraussetzung der Einziehung ist, dass der Angeklagte über den Vermögensvorteil tatsächlich verfügen konnte. Bei Prüfung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über das Entgelt sind die Grundsätze des BGH zu beachten, die er für die sog. Vertretungsfälle des § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB, mithin für die Einziehungsalternative „durch“, entwickelt hat. Nach dem Vermögenstrennungsprinzip muss der Zufluss bei einer Kapital- oder Personengesellschaft nicht zugleich zu einem einziehungsfähigen Ertrag beim Anteilseigner führen. Solche Vermögensvorteile sind aber jedenfalls abschöpfbar, wenn der Tatbeteiligte seine Anteile gewinnbringend veräußert und damit den Zufluss der Vermögensvorteile in seinem eigenen Vermögen realisiert. Die Differenz zwischen Anschaffungs- und Veräußerungspreis unterliegt der Abschöpfung. Im Einzelnen gilt:

Aufgrund des Regelungsgefüges der §§ 73, 73b StGB ist bei Einschalten einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft nicht auf die Wertsteigerung bei den Gesellschaftsanteilen abzustellen, und zwar offensichtlich auch nicht, wenn die Gesellschaft ausschließlich oder zumindest überwiegend Einkünfte aufgrund von Straftaten erwirtschaftet. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass eine solche Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die von dem Privatvermögen des Beauftragten, Vertreters oder Organs zu trennen ist. Der Zufluss in das Gesellschaftsvermögen ist daher trotz Zugriffsmöglichkeit nicht ohne Weiteres zugleich ein privater Vermögensvorteil der zur Geschäftsführung berufenen Personen; es soll nicht darauf ankommen, ob der wirtschaftliche Wert der Geschäftsanteile im Privatvermögen des Täters mit jeder Zahlung steigt oder sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt. In solchen Fällen ist die Dritteinziehung bei der Gesellschaft vorrangig.

Um eine Einziehung gegen den als Organ handelnden Täter zu begründen, bedarf es einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, ob dieser selbst etwas erlangte, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz führte. Eine tatsächliche oder rechtliche Vermutung spricht dafür nicht. Vielmehr sind die besonderen, den Zugriff auf das Vermögen des Täters rechtfertigenden Umstände darzulegen. Dies ist der Fall, wenn der Täter die Gesellschaft nur als einen formalen Mantel seiner Tat nutzte, zwischen dem eigenen Vermögen und demjenigen der Gesellschaft aber nicht trennte, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft an den Täter weitergeleitet wird. Der Grundsatz der Vermögenstrennung steht der Abschöpfung jedenfalls nicht mehr entgegen, wenn der Täter die in der Gesellschaft angesammelten Erträge dadurch in sein Vermögen überführt, dass er seine Gesellschaftsanteile mit Gewinn veräußert. Dem steht eine etwaige zeitliche Spanne zwischen den Vermögenszuflüssen und der Veräußerung der Gesellschaftsanteile nicht entgegen.

b) Kein Abzug von Lohnsteuer im Erkenntnisverfahren

Die Revision der GStA war erfolgreich: Zwar ging das LG zu Recht davon aus, dass es sich bei den nicht mehr unterscheidbar im Vermögen der Angeklagten vorhandenen Bonuszahlungen, soweit diese auf Cum-Ex-Geschäfte entfallen, um von diesen erlangte Taterträge „für die Tat“ handelt, die gem. § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c S. 1 StGB der Einziehung unterliegen.

Allerdings hat das LG von den Bonuszahlungen zu Unrecht Lohnsteuer (LSt) und Solidaritätszuschlag (Solz) abgezogen. Hierzu führt der BGH (27.11.24, 1 StR 473/23) aus: Der Einbehalt von LSt durch den Arbeitgeber mindert den Wert des Erlangten nicht. Das folgt daraus, dass die LSt erst entsteht, wenn der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer – hier den Angeklagten – zugeflossen ist, § 38 Abs. 2 S. 2 EStG. Führt der Arbeitgeber Lohnsteuern ab, setzt dies einen Zufluss also gerade voraus. Das Abführen erfolgt gem. § 38 Abs. 3 S. 1 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers. Ausschlaggebend für einen Zufluss ist entsprechend dem in § 11 Abs. 1 S. 1 EStG verankerten Zuflussprinzip, dass wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Arbeitslohn erlangt wird. Die Spezialvorschrift des § 11 Abs. 1 S. 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG regelt nur eine zeitliche Zuordnung und setzt voraus, dass Lohnsteuer entstanden und damit tatsächlich ein Zufluss erfolgt ist. Dass der Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns gem. § 38 Abs. 3 S. 1 EStG mit dem Steuerabzug zusammenfällt, ändert an dem tatsächlichen Zufluss nichts.

Die LSt kann auch nicht gem. § 73d Abs. 1 S. 1 StGB abgezogen werden, weil sie gem. § 73d Abs. 1 S. 2 einem Abzugsverbot unterliegt; bei Steuern handelt es sich nicht um Aufwendungen, um den Tatertrag zu erlangen, weil sie dem tatsächlichen Vermögenszufluss zeitlich nachfolgen oder – wie hier – mit diesem zusammenfallen. Es entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers, dass Steuern, die auf das strafrechtswidrig erlangte Vermögen als steuerrechtliche Einkünfte zu entrichten sind, nicht abzugsfähig sind. Etwaige Doppelbelastungen sollen stattdessen auf steuerrechtlicher Ebene vermieden werden (sog. steuerrechtliche Lösung).

c) Kein Nebeneinander von Tatertrag und ersparten Aufwendungen

Das LG hatte die Anordnung der Einziehung sowohl auf den Wert der Taterträge, die der Angeklagte als Provisionszahlungen durch seine Betrugstaten erlangte, als auch auf die durch die Nichtabgabe von USt-, GewSt- und ESt-Erklärungen jeweils in den Veranlagungsjahren 19, 20 und 21 erzielte Ersparnis von Aufwendungen erstreckt.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf indes der Täter durch Vermögensabschöpfung und Besteuerung nicht doppelt belastet werden. Dem ist bei Bestimmung des Einziehungsumfangs auch Rechnung zu tragen, wenn die Tatbeute als „Substrat“ und zugleich die vom Täter durch nachfolgende Steuerverkürzungen erzielte Ersparnis i. H. d. auf das Erlangte anfallenden USt- und Ertragsteuern im Wege der Titulierung des staatlichen Zahlungsanspruchs abgeschöpft werden sollen; in diesem Fall unterläge sonst ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung (vgl. PStR 24, 170). Das gilt auch, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen Veranlagungszeiträumen steuerlich wieder angesetzt werden können (BGH 28.11.24, 1 StR 340/24; vgl. auch PStR 23, 221).

d) Absehen von der Einziehung

Die StA hatte mit ihrer Abschlussverfügung von der Einziehung abgesehen. Das LG hat die Verfolgung der Vermögensabschöpfung nicht wirksam wiedereinbezogen, was durch Gerichtsbeschluss möglich gewesen wäre, § 421 Abs. 2 StPO. Da der GBA seinen entsprechenden Antrag auf Wiedereinbeziehung auf Anregung des Senats mit Blick auf die aus den drei Betrugstaten erlangten beachtlichen Vermögensvorteile zurückgenommen hat (vgl. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO), hat das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht weder aufzuklären noch gar tragfähig festzustellen, ob der Angeklagte dafür Provisionen vereinnahmte, dass er Scheinrechnungen (§ 14c Abs. 2 UStG) ausstellte. Die in den Scheinrechnungen ausgewiesenen, aber nicht abgeführten USt-Beträge unterliegen ohnehin nicht der Vermögensabschöpfung in der Form von Steuerersparnissen (BGH 8.7.24, 1 StR 66/24).

AUSGABE: PStR 9/2025, S. 199 · ID: 50458249

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