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SteuerhinterziehungWeiterleitung veruntreuter Gelder ist kein steuerbarer Leistungsaustausch i. S. d. ESt
| Zahlt ein Geschäftsführer einem Mitarbeiter eines Großkunden ein Bestechungsgeld, dass dieser zum Teil an den Geschäftsführer weiterleitet, wird mit der Weiterleitung die Beute geteilt, die keine sonstigen Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG darstellt. Dies hat das FG Schleswig-Holstein entschieden. |
Sachverhalt
Der Kläger war als Fremdgeschäftsführer (GF) einer Druckerei u. a. für den Vertrieb zuständig. Er betreute einen Großkunden K und stand in Kontakt mit dessen Einkäufer E. Im Zeitraum von März 06 bis August 16 veranlasste der GF Zahlungen i. H. v. insgesamt rund einer Mio. EUR aus dem Vermögen der Druckerei auf ein Privatkonto des E, um weiterhin Druckaufträge zu erhalten. 2011 vereinbarten der GF und der E, dass der GF an dem Geld teilhaben sollte. Zu diesem Zweck zahlte der GF Beträge aus dem Vermögen der Druckerei auf ein Privatkonto der Ehefrau F des E. Anschließend leitete der E einen Teilbetrag auf das Privatkonto des GF weiter. Auf Drängen des GF erhielt dieser 2013 eine EC-Karte für das Konto von E und F. 2014 erteilten ihm der E und F eine Kontovollmacht, sodass der GF eigenständig Geld abheben und überweisen konnte. So flossen dem GF von 2011 bis 2017 insgesamt rund 250.000 EUR zu. Das beklagte Wohnsitz-FA behandelte die „Rückzahlungen“ an den GF als einkommensteuerpflichtigen Zufluss nach § 22 Nr. 3 EStG und erfasste daher im Streitjahr 2011 zusätzliche Einkünfte i. H. v. rund 10.000 EUR. Hiergegen wandte sich der GF nach erfolglosem Einspruch erfolgreich an das FG.
Entscheidungsgründe
Abruf-Nr. 243326
Die Zahlungen des E i. H. v. rund 10.000 EUR sind aus Sicht des GF nicht als sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG steuerbar und unterliegen nicht der ESt nach § 2 Abs. 1 EStG (FG Schleswig-Holstein 2.5.24, 4 K 84/23, Abruf-Nr. 243326). Die „Rückzahlung“ des E stellt keine wirtschaftliche Gegenleistung für die vom GF veranlasste Überweisung aus dem Vermögen der Druckerei dar. Der E und der GF haben eine Unrechtsvereinbarung dahin gehend getroffen, dass der GF von den von ihm veranlassten Zahlungen auch finanziell profitieren sollte. Diese Unrechtsvereinbarung stellt daher eine im Vorhinein getroffene „Beuteteilungsabrede“ dar. Die „Rückzahlung“ des E an den GF kann nicht als wirtschaftliche Gegenleistung für die von ihm veranlasste Überweisung angesehen werden. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine faktische Aufteilung der zu Unrecht aus dem Vermögen der Druckerei erlangten Gelder.
Letztlich macht es für die steuerrechtliche Beurteilung keinen Unterschied, ob der GF durch Untreuehandlungen zunächst selbst in den Besitz der veruntreuten Gelder gelangt und diese sodann teilweise zum Zwecke der Bestechung an den E weiterleitet oder ob er zunächst die Auszahlung an den E veranlasst, um sodann absprachegemäß (teilweise) davon zu profitieren.
Zwar trifft es zu, dass der GF zunächst nicht selbst auf das Konto von E und F zugreifen konnte und insoweit E aktiv handeln musste. Zu berücksichtigen ist aber, dass bereits in den Zahlungen des GF neben einem „Bestechungsanteil“ für den E auch ein an den GF weiterzuleitender Zahlungsanteil enthalten war.
Anhaltspunkte dafür, die „Rückzahlung“ des E an den GF sei in der Erwartung erfolgt, den GF auch im Hinblick auf künftige weitere Zahlungen zu verpflichten, sind weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, dass es sich bei Untreuesachverhalten lohnt, im Besteuerungsverfahren zu kämpfen. Handelt es sich strafrechtlich im Kern um den Vorwurf der Untreue, führt die Hilfeleistung weiterer Beteiligter nicht zwangsläufig zu einer einkommensteuerbaren Gegenleistung i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG. Dies hat das FG Schleswig-Holstein nun geklärt.
MERKE | Zuflüsse aus veruntreutem Vermögen sind nicht einkommensteuerbar, gezahlte Bestechungsgelder hingegen schon. |
Die Veruntreuung von Vermögen führt nicht zur Steuerpflicht: Entzieht ein Geschäftsführer ohne Wissen und Billigung der Gesellschaft Vermögen, indem er tatsächlich nicht erbrachte Provisionen vortäuscht, erzielt er keine Einkünfte i. S. d. EStG und begeht damit auch keine Steuerhinterziehung (BGH 20.2.90, 3 StR 10/90). Veruntreut ein Anwalt Fremdgelder seiner Mandanten, führt dies nicht zu steuerpflichtigen Betriebseinnahmen (BFH 16.12.14, VIII R 19/12). Schadenersatzleistungen eines Betreuers wegen Veruntreuung führen ebenfalls nicht zu Betriebsausgaben (BFH 19.3.87, IV R 140/84). Veruntreut ein Wohnungseigentümer Überschüsse aus Vermietung und Verpachtung, führt dies bei den anderen Wohnungseigentümern ebenfalls nicht zu Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung (BFH 20.12.94, IX R 122/92). Zahlt sich ein Mitarbeiter der Lohnbuchhaltung ein überhöhtes Gehalt aus, sind in dem überhöhten Anteil keine steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu sehen (BFH 13.11.12, VI R 38/11).
Ausnahmsweise können veruntreute Vermögenswerte zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen, wenn sie verwendet werden, um weitere Einkünfte zu erzielen, oder Betriebseinnahmen veruntreut werden. Leitet ein Mitgesellschafter Zahlungen eines Kunden an die Gesellschaft treuwidrig auf ein eigenes privates Bankkonto um, führt dies zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, da es sich um von der Gesellschaft erzielte Betriebseinnahmen handelt (BFH 5.7.05, III B 149/04). Veruntreut ein leitender Bankangestellter Kundengelder und erzielt durch eigenständige Kapitalanlagen Gewinne, stellen diese Gewinne gewerbliche Einkünfte dar, da hier eine selbstständige nachhaltige Betätigung im wirtschaftlichen Verkehr ausgeübt wurde (BFH 3.7.91, X R 163-164/87).
Untreuetatbestände sind von Bestechungssachverhalten abzugrenzen. Für Bestechungssachverhalte kommt eine Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG in Betracht (BFH 16.6.15, IX R 26/14; 26.1.00, IX R 87/95).
AUSGABE: PStR 10/2024, S. 224 · ID: 50061269