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DatenschutzAuch die Steuerverwaltung muss den Datenschutz beachten

Abo-Inhalt17.09.20241301 Min. LesedauerVon RA Martin Figatowski, LL.M. (Taxation), GTK Rechtsanwälte, Bonn

| Der BFH hat klargestellt, dass Steuerpflichtigen gegenüber dem FA ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zusteht. |

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige hatte unter Hinweis auf Art. 15 DSGVO erfolglos beim FA beantragt, elektronische Kopien der Verwaltungsvorgänge zu den Gewerbesteuermessbeträgen 2013 bis 2015 (Verwaltungs-, Betriebsprüfungs-, Rechtsbehelfsakten wie auch etwaige Handakten inklusive sämtlicher Gesprächsnotizen und Telefonvermerke über seine Person) unentgeltlich zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das FG gab dem FA recht. Auf die Revision des Steuerpflichtigen hob der BFH die Entscheidung auf und wies die Sache an die Vorinstanz zurück.

Entscheidungsgründe

Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährt dem Steuerpflichtigen das Recht, von dem FA eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob es personenbezogene Daten verarbeitet (BFH 12.03.24, IX R 35/21, Abruf-Nr. 242121). Ist dies der Fall, hat der Steuerpflichtige ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die näher in Art. 15 Abs. 1 a)-h) DSGVO bezeichneten Informationen. Der Anspruch nach Art. 15 DSGVO gilt für alle Steuerarten. Er muss nicht begründet werden, sodass es nicht auf die „Motivation“ des Steuerpflichtigen für die Auskunft ankommt. Nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO ist das FA verpflichtet, dem Steuerpflichtigen eine (elektronische) Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Dabei bezieht sich der Begriff „Kopie“ nicht per se auf ein bestimmtes Dokument, sondern auf die personenbezogenen Daten selbst, die vollständig wiedergegeben werden müssen. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Ein Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO auf Kopien von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken besteht allerdings nur, wenn die Zurverfügungstellung unerlässlich ist, um es der betroffenen Person zu ermöglichen, ihre durch die DSGVO verliehenen Rechte wirksam auszuüben, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind. Die Finanzverwaltung darf die Auskunft nur verweigern, wenn sie nachweist, dass der Auskunftsanspruch offensichtlich unbegründet oder exzessiv ist.

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung des BFH ist für die Beratungspraxis zu begrüßen. Sie setzt die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen C-487/21 (Österreichische Datenschutzbehörde) sowie C-307/22 (FT) stringent um und präzisiert dabei die Reichweite wie auch den Anwendungsbereich von Art. 15 DSGVO.

Gem. dem EuGH ist unter einer „Kopie“ eine getreue Wiedergabe der von dem Betroffenen angeforderten personenbezogenen Daten in verständlicher Form zu verstehen, einschließlich der weiteren Daten, die nach der Verarbeitung ggf. erzeugt werden, wenn sie auch Gegenstand der Verarbeitung sind. Nur so kann er die Richtigkeit prüfen und sich vergewissern, dass die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten ordnungsgemäß und rechtmäßig ist. Der Umfang der Kopie bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass Dokumente ganz oder zum Teil zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn dies erforderlich ist, um die volle Verständlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu gewährleisten.

Es ist zu erwarten, dass die Anzahl der datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche in der steuerlichen Beratungspraxis sukzessive zunehmen wird, da es im Steuerverwaltungsverfahren kein Akteneinsichtsrecht gibt. Dabei muss in der Praxis der Umfang des Auskunftsanspruchs in jedem Einzelfall geprüft werden, da die DSGVO in erster Linie darauf gerichtet ist, eine Auskunft über Daten zu gewährleisten und nicht den Zugang zu Dokumenten zu eröffnen, die Daten enthalten.

Merke | Beim datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch handelt es sich nicht um einen Ersatz für ein Akteneinsichtsrecht. Nichtsdestotrotz könnten die Ansprüche nach Art. 15 DSGVO z. B. in Betriebsprüfungsfällen neuere Erkenntnisse bringen, die die Verhandlungsposition des Steuerpflichtigen stärken.

Das BMF hat zur Auslegung der DSGVO insbesondere in dem BMF-Schreiben

vom 13.1.20 Stellung genommen (IV A 3 – S 0030/19/10017:004, BStBl I, 143).

In der datenschutzrechtlichen Praxis im Steuerverwaltungsverfahren ist insbesondere der Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO streitig. Konkret ist ungeklärt, ob das FA die verarbeiteten, personenbezogenen Daten in „aggregierter“ Form zusammenstellen darf oder (physische/ elektronische) Kopien der Dokumente wie z. B. Steuerakten bzw. Teile davon zur Verfügung stellen muss.

Überblick DSGVO
  • Die DSGVO ist in allen ihren Teil verbindlich und gilt seit dem 25.5.18 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU.
  • Sie gewährt natürlichen Personen Rechte, insbesondere das Recht nach Art. 15 DSGVO von dem Verantwortlichen Auskunft über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten i. S. v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO zu erhalten.
  • Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO zählen zu den personenbezogenen Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen.
  • Diese Informationen werden regelmäßig von der Finanzbehörde z. B. in den Steuerakten verarbeitet, sodass die Finanzbehörde Verantwortlicher i. S. d. DSGVO ist, Art. 4 Nr. 7 DSGVO.

AUSGABE: PStR 10/2024, S. 220 · ID: 50078639

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