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Steuerhinterziehung Das sind die Anforderungen an den Insolvenzplan

Abo-Inhalt23.09.2024396 Min. LesedauerVon Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

| Das AG Köln stellt hohe Anforderungen an den Insolvenzplan i. S. v. §§ 217 ff. InsO, wenn zu den Insolvenzforderungen solche des FA gem. § 302 Nr. 1 InsO gehören, die aus einer Steuerhinterziehung resultieren und für die sonst die Restschuldbefreiung zu versagen wäre. |

Sachverhalt

Der Schuldner S war rechtskräftig wegen Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), Betrugs (§ 263 StGB) und Steuerhinterziehung (§ 370 AO) verurteilt worden. Hieraus resultierten Forderungen von Sozialversicherungsträgern und vom FA, die von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen waren, § 302 Nr. 1 InsO. S legte dem Insolvenzgericht einen Insolvenzplan vor, in dem er u. a. folgende Gruppen nach § 222 InsO gebildet hatte:

  • 1. Gruppe: Sozialversicherungsträger mit Ansprüchen nach § 302 Nr. 1 InsO
  • 2. Gruppe: Finanzamt mit Ansprüchen gemäß § 302 Nr. 1 InsO
  • 3. Gruppe: Sozialversicherungsträger mit einfachen Ansprüchen

Da der Insolvenzplan dazu führt, dass die § 302 Nr. 1 InsO unterfallenden Forderungen ihre diesbezüglichen Privilegien im Insolvenzverfahren verlieren, sind nach Ansicht des S hinsichtlich dieser Forderungen eigene Gruppen zu bilden (LG Hamburg 15.1.18, 326 T 40/17, ZIP 18, 389). Die wirtschaftlichen Interessen des FA seien insofern nicht gleichartig i. S. v. § 222 Abs. 2 InsO. Denn das FA besitze aufgrund von ESt- oder Vorsteuererstattungsansprüchen Aufrechnungsmöglichkeiten (BGH 29.3.07, IX ZB 204/05, NZI 2007, S. 409). Das FA stimmte im Termin, um den Insolvenzplan zu erörtern, gegen diesen, weil hierdurch die Rechte des Fiskus geschmälert würden und die Voraussetzungen nach der AO nicht vorlägen, dem S die Forderungen zu erlassen.

Entscheidungsgründe

Die Bestätigung des Insolvenzplans nach § 248 InsO ist zu versagen (AG Köln 6.12.23, 75 IN 486/17, Abruf-Nr. 243711). Ein Insolvenzplan würde abweichend von der InsO ermöglichen, auch hinsichtlich solcher Forderungen des FA Restschuldbefreiung zu erlangen (Redaktion in Blersch/Goetsch/Haas, InsO Komm., § 217, Stand: 1.12.21, Rn. 11). Nach § 250 Nr. 1 InsO versagt das Insolvenzgericht die Bestätigung des Insolvenzplans von Amts wegen, wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Beteiligten und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann.

Ein solcher Mangel liegt darin, dass S zwischen den Gläubigern der Gruppe 1 und 2 differenziert hat. Nach § 222 Abs. 1 S. 2 InsO sind die Gruppen sachgerecht voneinander abzugrenzen. Insofern soll verhindert werden, dass Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen (künstlich) auf verschiedene Gruppen aufgeteilt werden, um so die Zahl der zustimmenden Gruppen zu erhöhen und dadurch eine die fehlende Zustimmung ersetzende Entscheidung unter Beachtung von § 245 InsO herbeiführen zu können.

Allein die dem FA ggf. zustehende Aufrechnungsmöglichkeit erlaubt aber nicht, zwischen dem FA und anderen Gläubigern mit öffentlich-rechtlichen Forderungen zu differenzieren. Denn dabei wird übersehen, dass auch andere Gläubiger gem. §§ 94 ff. InsO aufrechnen können und sich zudem für Sozialversicherungsträger aus § 51 SGB I eine Aufrechnungsmöglichkeit ergibt. Dass S die Inhaber öffentlich-rechtlicher Forderungen aufgespalten hat, dient allein dazu, den Fiskus bei der Gläubigerabstimmung über den Insolvenzplan um seine Rechte aus § 302 Nr. 1 InsO zu bringen, indem § 245 InsO ausgenutzt wird. Vielmehr sind i. d. R. Sozialversicherungsträger, Krankenkasse und FA zu einer Gruppe zusammenzufassen (BGH 7.5.15, IX ZB 75/14, NZI 15, 697).

Anders wäre lediglich zu entscheiden gewesen, wenn eine höhere Wahrscheinlichkeit gegeben wäre, dass der Fiskus tatsächlich aufrechnen kann. Hierfür lagen aber im Fall keine Anhaltspunkte vor.

Relevanz für die Praxis

Innerhalb einer Gruppe gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 226 Abs. 1 InsO, sodass das FA gegen seinen Willen, wenn es einer Gruppe mit den anderen Gläubigern öffentlich-rechtlicher Forderungen zugewiesen worden wäre im Insolvenzplan, nicht schlechter als diese hätte behandelt werden dürfen. Damit ist auch eine beliebige Gruppenbildung untersagt, um diesen Gleichbehandlungsgrundsatz zu unterminieren (Flöther in Blersch/Goetsch/Haas, InsO Komm., § 226, Stand: 1.9.18, Rn. 1, 3). D. h., die Zuordnung zu einer gewissen Gruppe wirkt sich konkret darauf aus, welche Quote der Gläubiger zu erwarten hat (Redaktion in Blersch/Goetsch/Haas, InsO Kommentar, § 222, Stand: 1.8.21, Rn. 1).

Das AG Köln bewirkt mit seiner Entscheidung, dass nicht durch entsprechendes Taktieren bei der Gruppenbildung der Fiskus seine Privilegien nach § 302 Nr. 1 InsO bei der Restschuldbefreiung verliert. Im Ergebnis wird es somit schwerfallen, bei einer Steuerhinterziehung durch entsprechendes Gestalten, wenn ein Insolvenzplan aufgestellt wird, doch noch Restschuldbefreiung zu erlangen.

Die Entscheidung verhält sich aber nicht dezidiert dazu, ob, wie der Schuldner ausführt, nur Gläubiger öffentlich-rechtlicher Forderungen, für die § 302 Nr. 1 InsO gilt, einer Gruppe beim Insolvenzplan zugeordnet werden dürfen. Wird dieser Aspekt bei der Gruppenbildung nicht beachtet, wird dies nur als unproblematisch betrachtet, wenn kein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wird (Redaktion in Blersch/Goetsch/Haas, InsO Komm., § 222, Stand: 1.8.21, Rn. 5).

Auch bereits bei der Strafverteidigung sollten die Aspekte der Versagung der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO bedacht und nicht vorschnell eine entsprechende Verurteilung akzeptiert werden.

AUSGABE: PStR 11/2024, S. 246 · ID: 49951150

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