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SelbstanzeigeSind steuerfreie Arbeitgeberleistungen ein regulärer Gehaltsbestandteil? Der Weg zur Selbstanzeige
| Steuerfreie Arbeitgeberleistungen sind als Benefits auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beliebt. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, können Verpflegungspauschalen steuer- und sozialversicherungsfrei an die Beschäftigten ausbezahlt werden. Wird der gesetzliche Rahmen überschritten, sollte aber über eine Selbstanzeige nachgedacht werden. |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Im Betrieb meiner Mandanten wurden über Jahre Verpflegungspauschalen ausgezahlt, ohne dass die tatsächliche Abwesenheit der Mitarbeiter von der ersten Tätigkeitsstätte kontrolliert wurde. Manche Mitarbeiter waren nur für drei Stunden bei einem Kunden und haben dennoch die Verpflegungspauschale in voller Höhe über die Lohnabrechnung steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt bekommen. Was sollen die Mandanten nun tun?
ANTWORT DER STRAFVERTEIDIGER: Steuerfreie Arbeitgeberleistungen, wie z. B. der klassische Benzingutschein oder auch die Übernahme von Kindergartenbeiträgen zusätzlich zum Gehalt, sind beliebt. Der Arbeitgeber kann auch den Verpflegungsmehraufwand i. S. v. § 9 Abs. 4a EStG für auswärtige berufliche Tätigkeiten steuer- und sozialversicherungsfrei übernehmen. Die anzusetzenden Verpflegungspauschalen richten sich dabei nach der Dauer der täglichen Abwesenheit von Wohnung und erster Arbeitsstätte und betragen seit 2021 bei Abwesenheit von über 8 Stunden 14 EUR. Am An- und Abreisetag von dienstlich veranlassten Reisen mit Übernachtung beträgt die Verpflegungspauschale jeweils 14 EUR sowie bei einer Abwesenheit von mindestens 24 Stunden 28 EUR. Für Auslandsreisen gelten spezielle, meist deutlich höhere Auslandstagegelder, die sich von Land zu Land unterscheiden (zuletzt iww.de/s11358, zuletzt abgerufen am 21.7.24).
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen für die steuerfreie Gewährung dieses Verpflegungsmehraufwands streng die Voraussetzungen einhalten, um die Steuer- und Sozialversicherungsabgabenfreiheit nicht zu gefährden. Der Beschäftigte muss zwingend außerhalb seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig sein, und die Abwesenheitszeiten müssen mehr als acht Stunden betragen. Stellt der Arbeitgeber die Mahlzeiten, ist eine Kürzung der Verpflegungspauschale gem. § 9 Abs. 4a S. 8 ff. EStG tagesbezogen vorzunehmen.
Wichtig ist, die zeitliche Grenze von drei Monaten einzuhalten: Für eine Auswärtstätigkeit am gleichen Tätigkeitsort, der mindestens an drei Tagen pro Woche aufgesucht wird, lassen sich die Pauschalen nur für drei Monate steuerfrei zahlen. Die Dreimonatsfrist beginnt erst nach einer Unterbrechung von mindestens vier Wochen neu, dies kann durch Urlaub oder Krankheit geschehen, aber auch durch einen Einsatz an einem anderen Tätigkeitsort.
Praxistipp | Um die Abwesenheiten auch im Nachhinein nachvollziehen zu können, z. B. auch im Fall einer Lohnsteuer- oder Sozialversicherungsprüfung, ist eine genaue Dokumentation anzuraten. Die Reisekostenabrechnungen sollten den Ort und den Zweck der Reise aufweisen, genauso wie Abfahrt- und Ankunftszeiten. Belege wie z. B. Zugtickets sind ebenfalls aufzubewahren, Verspätungen sollten ebenfalls dokumentiert sein. |
Bei Zuwiderhandlung, z. B. einer zu kurzen Abwesenheit, werden bei dennoch erfolgter steuerfreier Zahlung der Abwesenheitspauschale die Lohnsteuer verkürzt und Sozialabgaben vorenthalten und veruntreut, § 266a StGB. Der Arbeitnehmer erhält einen Vorteil, der ihm nicht zusteht.
Sollte dies erst im Nachhinein auffallen, kann für Zwecke der Lohnsteuer eine strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO eingereicht werden. Dabei sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass keine Lohnsteueraußenprüfung oder -nachschau angeordnet wurde, § 371 Abs. 2 Nr. 1a oder 1e AO.
Für die nicht abgeführten Sozialabgaben, deren Strafbarkeit in § 266a StGB geregelt ist, sieht das Gesetz leider immer noch keine strafbefreiende Selbstanzeige vor, die mit der Regelung des Steuerstrafrechts vergleichbar ist. Dennoch kann es unter dem wichtigen Aspekt der Strafmilderung oder auch dem Versuch, eine Brutto-Hochrechnung gem. § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV zu vermeiden, ratsam sein, nach Art einer Selbstanzeige auch an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und ggf. auch gleichzeitig an die Staatsanwaltschaft heranzutreten. Da es hierfür keine gesetzlichen Vorgaben gibt, sollte man sich an denen des § 371 AO orientieren. Seit der Rechtsprechungsänderung des BGH beginnt für Taten nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB die Verjährung nach § 78a StGB nun mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunkts nach § 23 Abs. 1 SGB IV (13.11.19, 1 StR 58/19, PStR 20, 121). Zumindest dieser Zeitraum sollte an die DRV und ggf. auch die Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden. Die Mandantschaft sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass – vergleichbar der Steuern – auch die Sozialversicherungsbeiträge über einen deutlich längeren Zeitraum zurück festgesetzt werden können. Dies muss auch in die Liquiditätsberechnungen vor Abgabe einer steuerstrafrechtlichen und gleichzeitig sozialabgabenrechtlichen Selbstanzeige miteinbezogen werden.
Diese Vorgehensweise muss mangels gesetzlicher Vorgaben gut überlegt und gemeinsam mit den Mandanten entschieden werden. Meist lohnt sich ein koordiniertes Vorgehen in beiden Bereichen und vermeidet Durchsuchungen oder empfindliche Strafen wegen einer Tat nach § 266a StGB. Eine gesetzliche Regelung zur Selbstanzeige in solchen Fällen wäre begrüßenswert.
AUSGABE: PStR 9/2024, S. 215 · ID: 50115170