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Bauen im BestandBei der Schnittstelle zwischen Lph 5 und Lph 8 muss auch der Bauherr rechtzeitig mitwirken

Abo-Inhalt26.08.20246 Min. Lesedauer

| Beim Bauen im Bestand stellt sich – gerade wenn die Lph 5 und Lph 8 getrennt beauftragt sind – oft die Frage, was die Bauüberwachung an Grundlagen aus der Ausführungsplanung in Bezug auf den umzubauenden Bestand alles erwarten darf. Wer trägt die Verantwortung dafür, wenn z. B. Bauteilöffnungen für Überraschungen und Nachträge von ausführenden Firmen sorgen. Das LG Karlsruhe hat in einem solchen Fall jetzt Klartext gesprochen und dabei auch die sachgerechte Mitwirkungspflicht des Bauherrn hervorgehoben. |

Der Fall und die Entscheidung des LG Karlsruhe

Im vorliegenden Fall ging es bei einem Umbau u. a. um Abdichtungsmaßnahmen. Es hatte offenbar keine Bestandsaufnahme gegeben. Infolgedessen traten neue Erkenntnisse erst im Zuge der Bauausführung zu Tage. In diesem Fall, so die Karlsruher Richter, muss sich der planende Architekt (Lph 5), wenn die Bauteile freigelegt worden sind, endgültig Kenntnis über die „neue Situation“ verschaffen und seine Ausführungspläne entsprechend aktualisieren. Der mit der Lph 5 beauftragte Planer muss also dafür sorgen, dass die Objektüberwachung insbesondere bei getrennter Beauftragung der Lph 8 definitiv und eindeutig final erstellte Ausführungspläne als Basis für ihre Leistungen erhält.

Denn der Objektüberwacher kann seine Leistung nur auf der Grundlage mangelfreier und vollständiger Ausführungspläne erbringen. Erkennt er einen Fehler in diesen – vom vorleistenden Büro – erarbeiteten Plänen, kann er vom Bauherrn eine einwandfreie Planung verlangen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung muss der Objektüberwacher eigenverantwortlich prüfen, ob die ihm zur Verfügung gestellten Planunterlagen mit der Baugenehmigung und den Regeln der Baukunst vereinbar sind (LG Karlsruhe, Urteil vom 08.05.2024, Az. 6 O 300/17, Abruf-Nr. 243214).

Wichtig | Das Gericht musste nicht beurteilen, ob dem Planer hier Änderungshonorar zusteht. Es ging einzig um die Frage, was der Planer, der nur die Lph 8 erbringt, an Vorleistungen erwarten durfte.

Diese Folgen hat das Urteil für das Tagesgeschäft

Das Urteil dürfte weitreichende Folgen für das Tagesgeschäft haben. Betroffen sind nicht nur die Planer. Insbesondere rückt auch die Mitwirkungspflicht des Bauherrn in den Vordergrund. Nachstehend die Zusammenhänge.

1. Arbeit der Bauüberwachung in Lph 8 wird gestärkt

Wenn Sie mit der Bauüberwachung beauftragt sind, bedeutet das, dass Sie für Ihre Leistungserbringung ordnungsgemäße Ausführungspläne einfordern können. Das LG hat sogar ergänzend klargestellt, dass sich die Bauüberwachung unter Umständen auch weigern kann, ihre Arbeit (Lph 8) fortzusetzen, soweit nicht endgültige und vollständige Ausführungspläne vorgelegt werden, die bei Umbauten auch die vorhandene Bausubstanz berücksichtigen.

Im Ergebnis wird die Leistung der Büros, die die Lph 8 erbringen, enorm gestärkt. Denn sie können sich auf die Bauüberwachung konzentrieren. Sie müssen nicht noch auf der Baustelle Planungsanteile erbringen oder „aus der Hüfte heraus“ Planungsentscheidungen treffen, die zur Lph 5 gehören.

Das Thema ist insbesondere beim Bauen im Bestand wichtig, weil hier oft die in den Lph 1 und 2 bereits erforderlichen Besonderen Leistungen (s. u.) nicht beauftragt werden und es deshalb an Angaben mangelt, die Voraussetzung für eine fachgerechte und vollständige Ausführungsplanung sind.

2. Lph 5 muss vollständig sein – Beratungspflicht erfüllen

Die Karlsruher Entscheidung wirkt sich auch unmittelbar auf die Ausführungsplanung aus. Eine sachgerechte Ausführungsplanung, die die Bauüberwachung erwarten darf, ist bei Umbauten nur möglich, wenn sie auf den fachtechnisch erforderlichen Grundlagen basiert. Dazu gehören die einschlägigen Besonderen Leistungen

  • der Bestandsaufnahme (ggf. verformungsgerecht),
  • der technischen Substanzerkundung,
  • der Bauschadenserfassung,
  • etc.

Bauherren müssen entscheiden oder Folgen selbst tragen

Damit rückt der Bauherr in den Fokus der notwendigen Mitwirkungspflichten. Aus den gesetzlichen Regelungen (hier z. B. § 650p BGB) und der Rechtsprechung ergibt sich unberührt von der HOAI, die lediglich Preisrecht darstellt, dass der Bauherr beim Bauen im Bestand diejenigen Leistungen rechtzeitig beauftragen muss, die objektiv erforderlich sind.

Wichtig | Die objektive Notwendigkeit von fachlichen Leistungen beurteilt der Planer in der Lph 1. Er muss den Bauherrn dazu rechtzeitig beraten. Erfüllt der Bauherr anschließend seine Mitwirkungspflicht gemäß § 642 BGB nicht oder nicht rechtzeitig, kann er auch kein entsprechendes Werk (Planung oder Bauüberwachung) erwarten. Die Folge im konkreten Fall war z. B., dass der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt berechtigt war, auf vollständige Ausführungspläne zu warten, nachdem er sie beim Bauherrn rechtzeitig eingefordert hatte.

Diese (Besonderen) Leistungen stehen hier in Rede

Nachstehend finden Sie ein Bündel an Leistungen, die beim Bauen im Bestand oft zur rechtzeitigen Beauftragung (Lph 1, spätestens Lph 2) durch den Auftraggeber gehören. Im Downloadbereich von PBP finden Sie zu jedem Stichwort ein Musterschreiben, mit dem Sie dem Auftraggeber darlegen können, warum die Beauftragung dieser Leistungen bei dem konkreten Projekt essenziell ist.

  • Bestandsaufnahme der Altbausubstanz in einer Tiefenschärfe, die es erlaubt eine mangelfreie Vorentwurfs-, Entwurfs- bzw. Ausführungsplanung zu erstellen. Musterschreiben auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 37634730
  • Bauschadenserkundung, Feststellung etwaiger Bauschäden an der umzubauenden Bausubstanz. Musterschreiben auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 44079238
  • Etwaige Schadstofferkundung mit rechtzeitiger Vorbereitung des Schadstoffausbaus (durch Fachbüros). Musterschreiben auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 45661988
  • Prüfung, ob für den vorgefundenen Bestand Genehmigungen vorliegen und ob diese mit dem bestehenden Bauwerk übereinstimmen. Musterschreiben auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 44153519
  • Hinweise auf notwendige Beauftragung von Fachbüros (z. B. Prüfung der Standsicherheitsnachweise mit dem Bestandsobjekt). Musterschreiben auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 37803600
  • Die Bestandsaufnahme gehört auch zu den Grundlagen für eine mangelfreie Erstellung der Kostenschätzung (Lph 2) und Kostenberechnung (Lph 3). Musterschreiben auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 48976438

Mit diesen Leistungen wird erreicht, dass die Ausführungsplanung eine möglichst fachgerechte Basis erhält, auf der mangelfrei aufgebaut werden kann. Im Ergebnis liegt der Grund für spätere Baumängel, Verzögerungen und Zusatzkosten oft ganz vorn in den Lph 1 und 2. Hier kommt es auf die Beratung und Entscheidungsfähigkeit des Auftraggebers an.

Ist die getrennte Vergabe von Lph 5 und 8 überhaupt sinnvoll?

Last but not least stellt sich die (nicht zuletzt durch das Karlsruher Urteil zugespitzte) Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, bei kleineren und mittleren Projekten zwischen der Planung und der Bauüberwachung eine vertragliche Schnittstelle durch getrennte Vergabe zu erzeugen. Erfahrene Praktiker kennen hier die Antwort. Sie lautet: Nein.

Fazit | Wer sich an die Regeln hält, haftet auch nicht. Die HOAI regelt allerdings lediglich das Preisrecht für die Grundleistungen. Beim Bauen im Bestand kommt aber erfahrungsgemäß schon bei mittleren Projekten kein Bauherr und kein Planer mit den Grundleistungen aus. Der Gesetzgeber regelt die – rechtzeitige – „Entscheidungstätigkeit“ des Bauherrn im BGB und nicht in der HOAI. Da gibt es auch keine Ausreden, wie z. B. der Verweis auf behördeninterne oder konzerninterne Strukturen. Der Planer hat seinerseits die Pflicht, nachvollziehbar auf die fachliche Notwendigkeit von Planungsleistungen (inkl. Besondere Leistungen) hinzuweisen und zwar so, dass der Bauherr die Tragweite seines Tuns erkennen kann. Wenn dieser sich dann nicht daran hält, trägt er die Folgen selbst. Nutzen Sie für Ihre Beratung das PBP-Musterschreibenangebot im Downloadbereich.

AUSGABE: PBP 9/2024, S. 20 · ID: 50130800

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