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HonorarrechtGebäude mit sieben Wohnungen kann Verbrauchervertrag sein und Widerrufsrecht auslösen
| Wenn Sie für „Verbraucher“ Planungsleistungen erbringen, sollten Sie diese unbedingt auf ihr Widerrufsrecht hinweisen. Sonst droht deren überraschender Rücktritt und der Verlust jeglichen Honoraranspruchs. Betroffen sind u. a. „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ nach § 312b BGB. In einem Fall vor dem OLG Karlsruhe hatte ein Architekt bei einem Gebäudekomplex mit sieben Wohnungen den Bauherrn nicht auf dieses Widerrufsrecht hingewiesen und stand nach dessen Rücktritt ohne Honorar da. Er verlor sage und schreibe 180.000 Euro. Steuern Sie gegen. |
OLG entscheidet über Honoraranspruch von 180.000 Euro
Im konkreten Fall hatte sich der Architekt mit den Bauherren (Ehepaar) vor Ort getroffen und ein Bestandsgebäude besichtigt. Es ging um Umplanungen im Bestand und einen damit zusammenhängenden Neubau.
Konkret ging es um die Planung zweier Wohnungen im Vorderhaus – eine zur Eigennutzung des Bauherrn und eine zur Vermietung – und sechs im Hinterhaus, von denen vier verkauft werden sollten. Bei diesem Termin beauftragten die Bauherrn den Architekten mündlich mit diversen Leistungen, die dieser dann auch erbrachte. Irgendwann stellt sich aber heraus, dass die Bauherren das Projekt finanziell doch nicht stemmen können. Der Architekt wollte seine Leistungen abrechnen und verlangte ein – der Höhe nach auch unstrittiges und leistungsgerechtes – Honorar von 180.000 Euro.
Dann kam das böse Erwachen. Die Bauherr wandte ein, kein Honorar zahlen zu müssen, weil ein „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ nach § 312b BGB vorliege und ihn der Architekt nicht über sein Widerrufsrecht nach § 355 BGB aufgeklärt habe. Folglich greife für ihn die 14-tägige Widerrufsfrist nicht; er habe für den Widerruf (= Rückabwicklung des Architektenvertrags) ein Jahr Zeit. Es ging vor Gericht.
OLG Karlsruhe gibt dem Bauherrn recht
Das OLG hat dem Bauherrn Recht gegeben und jeglichen Honoraranspruch des Architekten verneint.
Die Krux 1: Vertrag nicht im Büro geschlossen (§ 312b BGB)
Dem Architekten wurde zum Verhängnis, dass der Vertrag nicht in seinem Büro geschlossen worden war und er bei diesem „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag“ nach § 312b BGB den Bauherrn nicht über dessen Widerrufsrecht nach § 355 BGB aufgeklärt hatte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2023, Az. 4 U 336/21, Abruf-Nr. 243115). § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB lautet wie folgt:
§ 312b ABS. 1 NR. 1 BGB / Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge |
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,
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Die Krux 2: OLG bestätigt Verbrauchereigenschaft des Bauherrn
Damit ein solches Projekt § 312b BGB unterfällt, muss der Bauherr als „Verbraucher“ einzustufen sein. Das sah der Architekt bei der Projektgröße nicht als gegeben an; das OLG dagegen schon. Das ergibt sich aus den ersten vier der sieben Leitsätze der Entscheidung:
- 1. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Dabei kommt es maßgeblich auf das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss an.
- 2. Dient das abgeschlossene Rechtsgeschäft der Verwaltung eigenen Vermögens, wozu auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehört, ist es regelmäßig dem privaten Bereich zuzuordnen. Ausschlaggebend für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßigen Vermögensverwaltung ist der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor.... Häusern bestehendem Gebäudekomplex ...
- 3. Der zeitliche und organisatorische Aufwand, der mit dem Verkauf und der Vermietung von maximal sieben Wohnungen in einem aus zwei Häusern bestehenden Gebäudekomplex verbunden ist, ist nicht so groß, dass dieser nur durch Unterhaltung eines Büros oder einer geschäftsmäßigen Organisation bewerkstelligt werden könnte und so das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermitteln würde. Dies gilt erst recht, wenn der Vermieter/Verkäufer beabsichtigt, in dem zu verwaltenden Gebäudekomplex zu wohnen.... kann noch als Verbraucher einzustufen sein
- 4. Derjenige, der sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, muss darlegen und beweisen, dass er mit dem Geschäft objektiv einen privaten Zweck verfolgt hat. Steht fest, dass objektiv ein Verbrauchergeschäft vorlag, so trifft den Vertragspartner die Beweislast für die Umstände, aus denen er auf ein Unternehmergeschäft schließen durfte. (Das war hier nicht gelungen.)Nicht-Verbraucher-Eigenschaft muss vom Planer bewiesen werden
Die Konsequenz: Über Widerrufsrecht belehren
Dem Verbraucher steht bei AGV ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss. Sie beginnt jedoch nicht zu laufen, bevor Sie den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular informiert haben. Dazu hat der Gesetzgeber ein Muster für die Widerrufsbelehrung eingeführt, das Sie unbedingt verwenden sollten. D. h.: Sie müssen das Musterformular zutreffend ausfüllen und dem Verbraucher vor Vertragsschluss in Textform übermitteln. Das Muster sieht wie folgt aus:
Musterschreiben / Widerrufsbelehrung bei AGV |
Widerrufsbelehrung Widerrufsrecht Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. einem mit der Post versandten Brief, einem Telefax oder einer E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden. Folgen des Widerrufs Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. |
Falls Sie als Auftragnehmer die Widerrufsbelehrung vergessen oder diese fehlerhaft ist, verlängert sich die Widerrufsfrist Ihres Auftraggebers auf maximal zwölf Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist. Das Widerrufsrecht erlischt damit spätestens nach zwölf Monaten und 14 Tagen. Widerruft der Bauherr den Vertrag verlieren Sie jeglichen Honoraranspruch; egal, wie viele Leistungen Sie in dem Jahr erbracht haben.
Fazit | Wenn Sie mit „Verbrauchern“ Vertragsbeziehungen eingehen, sollten Sie die vielfältigen Honorarfallen kennen. Sie gelten für die Themen Je nachdem, wie Ihr Fall konkret ausgestaltet ist, gilt es, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. In den Fällen der § 312b und § 312c BGB ist dies das Belehren über die Widerrufsrechte und -fristen. Bei HOAI 2021-Verträgen gilt die Belehrungspflicht, wenn Sie mehr als die Basishonorarsätze vereinbaren und abrechnen wollen. In der Zielfindungsphase müssen Sie auch klären, ob der Bauherr das Projekt finanzieren kann.
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- Beitrag „Drei Mal Honorartrouble mit Verbrauchern: Ohne Beratung gar kein oder weniger Honorar“, auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 49910652Mehr zum Thema auf pbp.iww.de
- Beitrag „Unvollständige Planungsgrundlage und Sonderkündigungsrecht: Neues zur Blackbox im BGB“, PBP 5/2023, Seite 20 → Abruf-Nr. 49308788
- Beitrag „Auch ein Rechtsanwalt ist ein privilegierter Verbraucher: Vorsicht vor Vertragswiderrufen“, PBP 3/2024, Seite 19 → Abruf-Nr. 49878069
AUSGABE: PBP 9/2024, S. 23 · ID: 50125012