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NachhaltigkeitWie sich ESG über die Finanzwirtschaft auf Planungsbüros auswirkt (Teil 1)

Abo-Inhalt28.05.20249 Min. LesedauerVon Lena Rath, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau und Architektenrecht, Frankfurt am Main

| Immer mehr Auftraggeber legen Wert auf nachhaltiges oder gar ESG-konformes Bauen. Doch was bedeutet es, wenn der Bauherr Ihnen einen Vertrag vorlegt, der eine „ESG-konforme Planung“ zum Ziel haben soll? Unterschreiben Sie, ohne zu zögern? Und wissen Sie dann, was von Ihnen verlangt wird? In einer mehrteiligen Reihe erläutert Ihnen PBP die wesentlichen Fachbegriffe, damit Sie wissen, womit Sie es zu tun haben und die richtigen Handlungsweisen ableiten können. Teil 1 führt Sie zunächst in die übergeordneten Rahmenbedingungen von ESG und der EU-Taxonomie ein. |

ESG bedeutet „Haltung statt Pose“

ESG ist kein Mode-Trend, sondern mit einem tiefgreifenden Werteverständnis verbunden, das zu einer grundlegenden Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft führen soll. Ein wichtiger Hebel zur Veränderung ist die Bauwirtschaft. Sie birgt enormes Potenzial, CO2-Emissionen einzusparen, Ressourcenverbrauch zu reduzieren und Abfälle zu vermeiden. Die oft erwähnte Bauwende soll mit Hilfe von ESG herbeigeführt werden. Angetrieben wird sie aber von einem anderen Sektor, nämlich der Finanzwirtschaft. Dieser Branche ist ESG schon lange ein Begriff.

Was ist ESG und woher kommt es?

ESG steht für Environmental Social Governance (Umwelt Soziales Unternehmensführung) und damit für ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Für Planer ist ESG heutzutage von besonderer Bedeutung, da ihre Auftraggeber vermehrt Interesse an der Umsetzung ESG-konformer Projekte haben. Solche Interessen können sich aus folgenden Umständen ergeben:

  • Unmittelbare Anforderungen des EU-Rechts im Wege einer Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung.
  • Bessere Finanzierungsbedingungen für Immobilien.
  • Mittelbare Wirkungen des Marktes aufgrund steigender Kundennachfrage nach nachhaltigen Immobilien.

Wichtig | ESG ist kein gesetzlich geregelter Begriff mit klar umrissenem Inhalt. ESG ist von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und einem ständigen Diskurs geprägt. Nachhaltigkeit i. S. v. ESG ist auch nicht mit ökologischer Nachhaltigkeit gleichzusetzen, sondern umfasst daneben auch die soziale und ökonomische Nachhaltigkeit.

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Dieser Dreiklang von Nachhaltigkeitsaspekten geht zurück auf die Agenda 2030 der VN-Generalversammlung aus dem Jahr 2015. Mit der Agenda hat sich die Weltgemeinschaft 17 Ziele (Sustainable Development Goals / SDG) für eine ökologische, soziale und ökonomische nachhaltige Entwicklung gesetzt. Die Wirtschaft soll durch verantwortungsvollen Konsum und Produktion sowie durch saubere und erschwingliche Energie umgestaltet werden.

In dem Abkommen heißt es u. a., dass der weltweite Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beschränkt werden soll. Dazu dürfen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen werden als der Atmosphäre durch sog. Kohlenstoffsenken (also etwa Wälder) entzogen werden.

Die damit angestrebte Klimaneutralität kann nur erreicht werden, wenn die Weltwirtschaft schnell und konsequent deutlich weniger Kohlenstoff freisetzt („Dekarbonisierung“). Aber auch die Anpassungsfähigkeit von Ländern an ein verändertes Klima soll verbessert und die Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Auswirkungen des Klimawandels erhöht werden („Resilienz“). Die Umlenkung staatlicher und privater Finanzströme in nachhaltige Investitionen ist hierzu Voraussetzung und eines der langfristigen Ziele des Übereinkommens von Paris.

EU: Sustainable Finance und Green Deal

Um diese Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, hat sich die EU dem Übereinkommen von Paris angeschlossen und den Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (Sustainable Finance) veröffentlicht. Dieser kündigt ein einheitliches Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten an, um Investitionen in diesem Bereich zu fördern.

In einem weiteren Schritt zur Umsetzung der gesteckten Nachhaltigkeitsziele verkündete die EU-Kommission den Green Deal. Erklärtes Ziel ist, bis zum Jahre 2050 Klimaneutralität in Europa zu erreichen. Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen bereits um 55 Prozent gesenkt werden. Der Green Deal soll zu nachhaltigem Wachstum führen. Er verknüpft die Faktoren ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit.

Die EU-Offenlegungsverordnung SFDR

Da für die Erreichung dieses Ziels die öffentlichen Mittel nicht ausreichen, muss auch privates Kapital mobilisiert werden. Durch langfristige Signale sollen Finanz- und Kapitalströme in nachhaltige Investitionen gelenkt werden.

Teil des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums war daher auch die EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation [SFDR]). Diese soll vor allem Transparenz für Investoren in Sachen Nachhaltigkeit herstellen, indem Finanzmarktteilnehmer für jedes Finanzprodukt, das unter die EU-Offenlegungsverordnung fällt, Angaben machen müssen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen einbeziehen.

  • Derartige Finanzprodukte der Bauwirtschaft sind z. B. Green-Building- oder Nachhaltige Immobilienfonds, die auf die Förderung nachhaltiger Immobilienentwicklung ausgerichtet sind. Solche Fonds investieren gezielt in Projekte mit nachhaltiger Bauweise und der Verwendung grüner Technologien zur Reduzierung des Energieverbrauchs und der Minimierung von Umweltauswirkungen. Aber auch weniger spezifische Immobilienfonds bieten Anlegern die Möglichkeit, in nachhaltige oder sogar ESG-konforme Immobilien zu investieren. Bei der Umsetzung solcher Projekte spielen Sie als Planer eine entscheidende Rolle. Denn es liegt in Ihrer Verantwortung, dass Ihre Planung den ESG-Kriterien entspricht.
  • Die Anforderungen in solch großen Fonds-Projekten setzen sich in der Subunternehmerkette bis hin zum Einzelkämpfer durch. So zieht z. B. ein (General-)Planer einen Planer vor Ort hinzu, der für ihn die Bauüberwachung erbringt. Das Ziel der ESG-Konformität muss dann von allen Beteiligten verfolgt werden. Es ist daher nicht nur für den Auftraggeber wichtig, die Verträge seiner Auftragnehmer aufeinander abzustimmen und alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten. Das gilt auch für Auftragnehmer und deren Subunternehmer und somit auch für Sie als Planer.

Unternehmen werden zur Berichterstattung verpflichtet

Die EU-Offenlegungsverordnung verlangt nicht, dass die Finanzmarktteilnehmer nachhaltig wirtschaften müssen. Sie müssen aber über ihre Investitionsentscheidungen und die daraus folgenden Produkte Bericht erstatten und z. B. ihren CO2-Fußabdruck oder die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen offenlegen. Das hat direkte und indirekte Folgen:

  • Die durch die Berichte gewonnene Transparenz hat direkte Auswirkung auf das Marktgeschehen, da Investoren und Kreditgeber besser beurteilen können, wie nachhaltig ein Immobilieninvestment ist. Mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten kann eine wertbeständigere und für Investoren attraktivere Immobilie geschaffen werden, da sich höhere Mieten oder Verkaufspreise erzielen lassen.
  • Gleichzeitig wird aber auch einem Wertverfall („Stranded Asset“) entgegengewirkt. Ein solcher Wertverfall kann vielfältige Ursachen haben und sich aus der Dynamik in der Gesetzgebung, aus Umweltproblemen, fallenden Preisen grüner Technologien und sich verändernden sozialen Normen und Verbraucherverhalten ergeben. Schon jetzt ist zu beobachten, dass z. B. eine schlechte Energiebilanz den Wert einer Immobilie drückt.
  • Verschiedene Kreditinstitute führen bereits heute eine ESG-Risikoanalyse durch, sodass eine günstigere Finanzierung erreicht werden kann, wenn das Risiko gering ausfällt. Andersherum gesagt, wird das Finanzieren von „Umweltsünden“ teurer.
  • Auch die Reputation der Auftraggeber ist von großer Bedeutung. Denn wer erfolgreich nachhaltig wirtschaftet und darüber berichtet, kann einen Wettbewerbsvorteil für sich verbuchen.
  • Das führt zu dem indirekten Effekt, dass die Konkurrenz, die noch nicht berichtspflichtig ist, nicht schlechter oder ungesehen dastehen möchte und ebenfalls ambitioniert und transparent vorgehen wird.

Berichtspflicht für große Unternehmen mittels NFRD seit 2014

Während die EU-Offenlegungsverordnung lediglich die Finanzmarktteilnehmer betrifft und darauf abzielt, mehr Daten über nachhaltige Anlagen und Wirtschaftstätigkeiten zu erhalten, waren große Unternehmen (mit mehr als 500 Mitarbeitern) bereits seit einigen Jahren zur Offenlegung ihrer Nachhaltigkeitsinformationen verpflichtet. Dazu wurde 2014 die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) eingeführt.

Erweiterte Berichtspflicht mittels CSRD ab 01.01.2024

Da die EU sehr ambitioniert ist, hat sie in der Zwischenzeit die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung tiefgreifend erweitert. Die Ende 2022 veröffentliche Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung – Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – ist am 05.01.2023 in Kraft getreten und muss 18 Monate später von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die CSRD baut auf der NFRD auf und erweitert deren Anwendungsbereich sowie die Anforderungen an die (nicht-finanzielle) Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich.

CSRD: Welche Unternehmen wann betroffen sein werden

Für Geschäftsjahre beginnend ab dem 01.01.2024:
Große Unternehmen (GU), große Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen von öffentlichem Interesse (> 500 MA)
Für Geschäftsjahre beginnend ab dem 01.01.2025:
Alle anderen bilanzrechtlich großen Unternehmen, Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen mit mind. zwei von drei Merkmalen:
Für Geschäftsjahre beginnend ab dem 01.01.2026:
Börsennotierte KMU (> zehn MA), kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene (Rück)-Versicherungsunternehmen, > 250 MA (Ausnahme: Börsennotierte Kleinstunternehmen*); Aufschub bis 2028 möglich

Durch vorzeitige Umstellung können Sie sich Wettbewerbsvorteile sichern

Da absehbar ist, dass Nachhaltigkeit, Zertifizierungen und ESG-Konformität zunehmend in den Fokus von Gesetzgebern und Verbrauchern rückt, sind einige Unternehmen bereits „ihrer Zeit voraus“ und stellen sich ohne direkten Zwang auf diese Anforderungen ein. Sie fungieren als Vorreiter und stellen sich strategisch neu auf. Durch dieses Handeln gewinnen sie Zeit, da der Transformationsprozess, der mit einer Strategiebildung beginnt und mit der Herbeiführung eines Kulturwandels verbunden ist und schließlich in die Umsetzung konkreter Projekte mündet, sich nicht kurzfristig bewerkstelligen lässt. Wer also früh startet, hat mehr Zeit, Daten und Erfahrungen zu sammeln und somit Maßnahmen zu optimieren. In genau diesem Zeitgewinn liegt der Wettbewerbsvorteil.

Wichtig | Für Sie als Planer gilt das gleichermaßen. Wer sich mit der Umsetzung von ESG-Kriterien in konkreten Projekten befasst und offen ist für ein neues Denken, kann daraus einen Erfolg für sich machen und die Veränderungen als Chance nutzen.

Immer mehr Auftraggeber sind von der Berichtspflicht betroffen

Mit der Einführung der CSRD betrifft die Nachhaltigkeitsberichterstattung also nicht mehr nur Finanzmarktteilnehmer und Fonds-Projekte, sondern schon heute öffentliche Auftraggeber, große Bauunternehmen, Projektentwickler sowie Wohnungsbaugesellschaften.

Wichtig | Damit liegt es auf der Hand: Als Planer werden Sie zunehmend an der Durchführung von ESG-Projekten beteiligt sein. Sie müssen Anforderungen umsetzen, die neue Denkweisen, andere Projektstrukturen und Prozesse erfordern. Aber von welchen Anforderungen ist konkret auszugehen?

Die EU-Taxonomie und ihre Bedeutung für die Planung

Die durch die Offenlegungsverordnung geschaffene Berichtspflicht über nachhaltige Investitionen wird durch die EU Taxonomie-Verordnung konkretisiert. Sie enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob ein Bauvorhaben als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, und versucht damit einen objektiven Vergleichsmaßstab zu schaffen. Mit der Verordnung wird das „E“ von ESG inhaltlich ausgestaltet. Für „S“ und „G“ existiert noch kein solches Regelwerk.

Die sechs Umweltziele der Taxonomie

Die EU-Taxonomie-Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU. Sie legt sechs Umweltziele fest. Diese sind

  • 1. Klimaschutz,
  • 2. Klimaanpassung,
  • 3. Schutz von Wasser und Meeren,
  • 4. Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft,
  • 5. Vermeidung und Reduzierung der Umweltverschmutzung sowie
  • 6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität.

Die drei Anforderungen an die Taxonomie-Konformität eines Projekts

Damit eine Wirtschaftstätigkeit taxonomiekonform ist, muss sie drei über-geordnete Anforderungen erfüllen:

  • 1. Sie muss zu einem oder mehreren dieser Umweltziele einen wesentlichen Beitrag leisten.
  • 2. Es muss gewähleistet sein, dass die Wirtschaftstätigkeit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der anderen Umweltziele führt („Do No Significant Harm“/ DNHS-Prinzip).
  • 3. Es sind soziale Mindeststandards zu wahren, d. h. die Einhaltung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sind sicherzustellen.
Fazit | Die Taxonomie-Verordnung selbst enthält nur abstrakte Kriterien zur Einhaltung der Umweltziele. Für den Bau- und Immobiliensektor wurden schon 2021 die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie mittels zweier „Deligierter Verordnungen“ ausformuliert. Dort steht also, was Sie genau einhalten müssen, damit Ihr Bauprojekt taxonomiekonform ist. Das ist Thema des zweiten Teil dieser Beitragsreihe.

AUSGABE: PBP 6/2024, S. 17 · ID: 49969034

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