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HonorarrechtAbrechnung gekündigter BGB-2018-Zielfindungsverträge: Erstes BGH-Urteil weist den Weg

Abo-Inhalt21.02.20231799 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Moritz Lennich, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, franzplus rechtsanwälte, Köln

| Kündigt Ihr Auftraggeber den Planervertrag aus freien Stücken, können Sie Honorar für die erbrachten und die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen verlangen. Das Honorar für die nicht erbrachten Leistungen verringert sich, wenn Ihr Auftraggeber bei Fortsetzung des Vertrags die in § 650r BGB geregelte Sonderkündigung hätte erklären können. Das hat der BGH im ersten Urteil zu gekündigten BGB-2018-Verträgen klargestellt. PBP stellt Ihnen die Entscheidung vor und ordnet sie in den Gesamtkontext „freie Kündigung von Planungsverträgen“ ein. |

Hintergrund: Sonderkündigungsrecht in § 650r Abs. 1 BGB

Um das Urteil zu verstehen, muss man die „BGB-Historie“ kennen. Seit 2018 gibt es in § 650r Abs. 1 BGB ein Sonderkündigungsrecht des Auftraggebers. Es soll ihn davor schützen, voreilig einen umfassenden Planervertrag abzuschließen. Sind bei Vertragsschluss wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart, regelt § 650p Abs. 2 BGB, dass der Planer zunächst eine Planungsgrundlage erstellen muss, um die Ziele zu ermitteln.

Diese Planungsgrundlage muss er dem Auftraggeber zusammen mit einer Kosteneinschätzung zur Zustimmung vorlegen. Ist das erfolgt, kann der Auftraggeber den Vertrag innerhalb von zwei Wochen kündigen. Das ist das Sonderkündigungsrecht.

Darum ging es im konkreten BGH-Fall

Im konkreten Fall hatte ein Ingenieurbüro im Jahr 2018 einen Vertrag über die Erbringung von Planungsleistungen der technischen Ausrüstung (Lph 1 bis 5) geschlossen. Dafür war ein Pauschalhonorar vereinbart. Wenige Monate nach Vertragsschluss übermittelte das Planungsbüro dem Auftraggeber die bis dahin erstellten Planungsunterlagen. Der Auftraggeber beanstandete die Leistungen des Ingenieurbüros und kündigte den Vertrag aus wichtigem Grund. Der Planer bestritt, dass ein wichtiger Kündigungsgrund vorlag und klagte auch Honorar für nicht erbrachte Planungsleistungen ein.

BGH bejaht Kündigungshonoraranspruch (nur) dem Grunde nach

Dem Grunde nach hat der BGH den Anspruch auf die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen bejaht. Der Auftraggeber war nämlich nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Ergo war die Kündigung in eine freie Kündigung umzudeuten. Und diese berechtigt den Planer, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, also auch Vergütung für den gekündigten Leistungsteil. Er muss sich jedoch Dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen (z. B. Materialkosten) erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft (Füllaufträge) erworben hat (BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az. VII ZR 862/21, Abruf-Nr. 232807.

Wann kann der Auftraggeber nach § 650r Abs. 1 BGB kündigen?

Im konkreten Fall war es aber so, dass der Planer zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht alle Leistungen vorgelegt hatte, die für den Abschluss der Zielfindungsphase (= Planungsgrundlage nebst Kostenermittlung) erforderlich gewesen wären. Konkret fehlte es an der „Vorlage“ einer Kosteneinschätzung. Sie war nur mündlich erläutert worden. Das reichte dem BGH nicht.

Das wiederum hatte zu Folge, dass dem Auftraggeber das Sonderkündigungsrecht nach § 650r Abs. 1 BGB nicht zustand, weil eben nicht alle dafür erforderlichen Leistungen erbracht worden waren. In diesem besonderen Fall beschränkt der BGH den geltend gemachten Honoraranspruch für die nicht erbrachten Leistungen. Er umfasst nicht die Leistungen, die nach § 650p BGB noch zu erbringen gewesen wären, um die Zielfindungsphase ordnungsgemäß abzuschließen. Er erfasst nur die Leistungen, die das Büro tatsächlich erbracht hat (BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az. VII ZR 862/21, Abruf-Nr. 232807).

Keine Besserstellung durch frühzeitige Kündigung

Die Rechtsansicht des BGH überzeugt. Nach Vorlage der Unterlagen durch den Planer hätte der Auftraggeber ohne weitere Voraussetzungen mit der Folge kündigen können, dass eine entsprechende Vergütungspflicht entfällt. Das ergibt sich aus § 650r Abs. 3 BGB. Danach erhält der Planer im Falle der Sonderkündigung nur die Vergütung, die auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt.

Hat ein Auftraggeber hiervon unabhängig bereits zuvor gekündigt, kann unterstellt werden, dass er erst recht diese Möglichkeit zur Sonderkündigung ergriffen hätte. Daher würde der Planer Vorteile aus der frühzeitigen freien Kündigung des Auftraggebers ziehen, erhielte er nunmehr auch Vergütungsanteile, die nach § 650r Abs. 3 BGB nicht geschuldet wären.

Sonderkündigungsrecht nochmal verinnerlichen

Zur Erinnerung: Das Sonderkündigungsrecht besteht nur, sofern die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele bei Vertragsschluss nicht vereinbart worden waren. Da das Sonderkündigungsrecht zeitlich befristet ist, sind Sie gehalten, den Beginn dieser Frist zu verdeutlichen:

  • Die mündliche Erläuterung genügt nicht, es bedarf mindestens der Textform.
  • Die (vollständigen und mangelfreien) Unterlagen sollten als „Planungsgrundlage“ und „Kosteneinschätzung“ bezeichnet sein.
  • Bringen Sie zum Ausdruck, dass Sie die Zielfindungsphase als abgeschlossen betrachten und die Zustimmung des Auftraggebers zu den Unterlagen erwarten.
  • Ist Ihr Auftraggeber ein Verbraucher, erlischt das Kündigungsrecht nur, sofern Sie ihn bei – nicht davor oder danach – der Vorlage der Unterlagen
    • in Textform über das Kündigungsrecht,
    • die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und
    • die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet haben.

Die drei möglichen Kündigungs- und Abrechnungsfälle

Unterm Strich führt die BGH-Entscheidung dazu, dass bei einer freien Vertragskündigung ab sofort drei Fälle zu unterscheiden sind; nämlich

  • 1. die „normale“ Kündigung im laufenden Projekt,
  • 2. die Kündigung nach Ende der Zielfindungsphase und
  • 3. die Kündigung, wenn die Zielfindungsphase noch nicht abgeschlossen ist.

1. „Normale“ Kündigung im laufenden Projekt

Hier greift § 648 BGB: „Kündigt der Besteller (Auftraggeber), so ist der Unternehmer (Ihr Planungsbüro) berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.“

2. Kündigung nach Ende der Zielfindungsphase

Hier greift § 650r Abs. 1 bis 3 BGB: „Nach der Vorlage der Unterlagen gemäß § 650p Abs. 2 kann der Besteller den Vertrag kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen, bei einem Verbraucher jedoch nur dann, wenn der Unternehmer ihn bei der Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat. Der Unternehmer kann dem Besteller eine angemessene Frist für die Zustimmung nach § 650p Abs. 2 S. 2 setzen. Er kann den Vertrag kündigen, wenn der Besteller die Zustimmung verweigert oder innerhalb der Frist nach S. 1 keine Erklärung zu den Unterlagen abgibt. Wird der Vertrag nach Abs. 1 oder 2 gekündigt, ist der Unternehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt.“

Wichtig | Hat der Unternehmer ohne Veranlassung durch den Besteller Leistungen erbracht, die über die Zielfindungsphase hinausgehen, besteht für diese Leistungen kein Honoraranspruch (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.05.2022, Az. 29 U 94/21, Abruf-Nr. 230284).

3. Kündigung vor Abschluss der Zielfindungsphase

Hier greift die BGH-Entscheidung vom 17.11.2022: Wie in Fall 1 kann der Unternehmer (Ihr Planungsbüro) Vergütung für die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen verlangen. Der Anspruch ist der Höhe nach aber begrenzt. Entsprechend Fall 2 können Sie maximal die Vergütung verlangen, die Sie im Falle einer Sonderkündigung durch den Besteller hätte verlangen können.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Erstes Urteil zum BGB 2018: Vorpreschen mit der eigenen Planung birgt erhebliche Honorarrisiken“, PBP 8/2022, Seite 12 → Abruf-Nr. 48481549
  • Sonderausgabe „Das neue Architekten- und Ingenieurrecht im BGB – Praxiserfahrungen und Anwendungstipps“ → Abruf-Nr. 45564131

AUSGABE: PBP 3/2023, S. 14 · ID: 48965696

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