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SicherungsabredenNeue Rechtsprechung zu Mängelhaftungssicherheiten und die Folgen für Sie als Planer am Bau

Abo-Inhalt31.03.20223525 Min. LesedauerVon Dr. Bernd Kober, RA, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Kober Großkinsky Braun Rechtsanwälte PartGmbB, Tauberbischofsheim

| Als Planer am Bau sind Sie in vielerlei Hinsicht mit dem rechtstechnischen Umgang mit Mängeln an Bauleistungen konfrontiert. Einerseits sind Sie dem Bauherrn gegenüber selbst zu Mangelhaftung und Schadenersatz verpflichtet. Andererseits beraten Sie ihn gegenüber ausführenden Unternehmen und gestalten manchmal sogar die Bauverträge. In allen Konstellationen stellt sich die Frage, ob Mangelhaftungsansprüche abgesichert werden sollen und, wenn ja, wie dies (rechtssicher) zu realisieren ist. Hier hat die Rechtsprechung Planken eingezogen, die Sie kennen sollten. |

Gerichte kassieren Vertragsklauseln öffentlicher Bauherrn

Besonders problembehaftet war zuletzt, unter welchen Voraussetzungen der Bauherr von seinen Planern und den ausführenden Unternehmen

  • die Stellung einer Bürgschaft als Mängelhaftungssicherheit verlangen kann und
  • ob er eine ihm übergebene Bürgschaft nicht schon vor Ablauf der Mängelhaftungsfrist zurückgeben muss, weil die Hingabe der Bürgschaft aufgrund einer (rechtlich) unzulässigen Vereinbarung erfolgt ist.

Diese Fragen haben deshalb besondere Bedeutung erlangt, weil die jüngere Rechtsprechung wiederholt die von öffentlichen Bauherren verwendeten Vertragsklauseln im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Mängelhaftungsbürgschaften für unwirksam erachtet hat und es sich bei diesen Vertragsklauseln auch um solche handelt, die massenhaft eingesetzt werden (mehr dazu unten).

Wichtig | Auch private Bauherren, die solche Vertragsklauseln einsetzen, unterliegen den identischen Kontrollen bzw. Restriktionen. PBP geht nachfolgende näher darauf ein, was in punkto Mängelhaftungssicherheit und -bürgschaft gilt bzw. wie sich da die Rechtsprechung entwickelt hat.

Die Mängelhaftungssicherheit

Grundsätzlich muss man in rechtlicher Hinsicht festhalten, dass dem Bauherrn gegenüber seinen „Leistungserbringern“ (Planer, ausführende Unternehmer) keine gesetzlich geregelte Mängelhaftungssicherheit zusteht.

Keine Mängelhaftungssicherheit laut Gesetz

Der Bauherr ist also ohne gesonderte Abrede nicht berechtigt, von einer geschuldeten Honorarzahlung oder einem fälligen Werklohn einen Teilbetrag einzubehalten, um mit diesem Einbehalt etwa seine künftigen Mängelhaftungsansprüche abzusichern. Es gibt auch keinen sonstigen, gesetzlichen Anspruch auf eine Sicherheit.

So sind die gesetzlichen Mängelhaftungsansprüche verfasst

Dem Bauherrn stehen für die Dauer der Mängelhaftung bis zum Eintritt der Verjährung seiner Ansprüche, die sich aus § 634a BGB ergibt, (nur) die gesetzlichen Mängelhaftungsansprüche zu, die grundsätzlich nicht gesondert abgesichert ist. Für die Ansprüche gegen Architekten und Ingenieure gilt bei Vertragsverhältnissen, die ab dem 01.01.2018 begründet wurden, die einschränkende Regelung des § 650t BGB. Diese privilegiert einen grundsätzlich gesamtschuldnerisch haftenden Architekten oder Ingenieur bezüglich der Inanspruchnahme durch den Bauherrn, wenn dieser nicht zuvor den Werkunternehmer unter Fristsetzung zur Nacherfüllung aufgefordert hat.

Das gilt bei VOB/B-Verträgen

Nichts anderes gilt, wenn die VOB/B in einem Vertragsverhältnis vereinbart wurde. Denn auch die VOB/B kennt keinen Automatismus, wonach dem Bauherrn eine Mängelhaftungssicherheit oder gar ein Anspruch auf eine Mängelhaftungsbürgschaft zusteht. § 17 Abs. 1 VOB/B setzt vielmehr auch bei einem VOB/B-Bauvertrag voraus, dass die Stellung einer Sicherheit (positiv) zwischen den Parteien vereinbart wurde.

Wichtig | Das bedeutet, dass neben der Vereinbarung, dass die VOB/B gelten soll, zusätzlich und gesondert vereinbart werden muss, dass dem Bauherrn der Anspruch auf eine Mängelhaftungssicherheit zusteht.

Was bewirkt die Vereinbarung einer Mängelhaftungssicherheit?

In rechtlicher Hinsicht bedeutet die wirksame Vereinbarung einer Mängelhaftungssicherheit zugunsten des Bauherrn, dass dieser für die Dauer der Mängelhaftung der Leistungserbringer in Höhe der vereinbarten Sicherheit, in der Regel ist dies ein bestimmter Prozentsatz der Auftrags- oder Abrechnungssumme, den entsprechenden Teil des Honorars oder Werklohns nicht ausbezahlen muss. Je nach Inhalt der konkreten Vereinbarung erfolgt dabei der Einbehalt entweder von einer (oder mehrerer) Abschlagsrechnung des Leistungserbringers oder vor der Schlussrechnung.

Insofern liegt bezüglich der Mängelhaftungssicherheit durch Einbehalt zwischen Bauherr und Leistungserbringer eine spezielle Stundungsabrede vor. Während der Dauer der Mängelhaftung wird Ihr Honoraranspruch oder Werklohnanspruch des Unternehmers in der Höhe der vereinbarten Sicherheit zwar fällig (nämlich mit der Abnahme). Der Leistungserbringer kann den Anspruch gegen den Bauherrn aber nicht durchsetzen, weil ihm während der Sicherungszeit, das ist in der Regel die Zeit der Mängelhaftung, die dauernde Einrede aus der Sicherungsabrede entgegensteht.

Die zwei gravierenden Nachteile für Leistungserbinger

In Höhe des Einbehalts kann es deshalb auch keine Verzugszinsen geben, jedenfalls so lange nicht, solange der Zeitraum des vereinbarten Einbehalts, in der Regel die Mängelhaftungsdauer, noch nicht abgelaufen ist. Außerdem tragen die Leistungserbringer während dieser Zeitdauer das Insolvenzrisiko des Bauherrn, da das einbehaltene Honorar bzw. der einbehaltene Werklohn erst viel später realisiert werden kann, in der Regel sind das vier oder fünf Jahre nach Leistungserbringung und Abnahme.

Die Mängelhaftungs- bzw. Gewährleistungsbürgschaft

In der Vertragspraxis findet man häufig die Vereinbarung, dass die vereinbarte Mängelhaftungssicherheit (= Einbehalt eines Teils des Honorars oder Werklohns) vom Leistungserbringer dadurch erfüllt werden kann, dass er dem Bauherrn in Höhe des Sicherungsbetrags eine besondere Mängelhaftungssicherheit (Gewährleistungsbürgschaft) stellt.

So sehen typische Vereinbarungen aus

Die Vereinbarungen sehen in der Regel vor, dass

  • dem Bauherrn zunächst als Sicherheit ein Einbehalt zustehen soll und
  • dieser Einbehalt entfällt, wenn dem Bauherrn in identischer Höhe eine Bürgschaft für die Dauer der Mängelhaftungszeit ausgehändigt wird.

Die Abwicklung erfolgt dann Zug-um-Zug, also Ausbezahlung des Einbehalts gegen Aushändigung der Bürgschaft.

Sinn und Zweck der Bürgschaftsvereinbarungen

Mit dieser Regelung vermeiden die Parteien eine Liquiditätsschmälerung auf der Seite der Leistungserbringer, da der Einbehalt voll ausbezahlt wird. Die Bürgschaft sichert andererseits auch die Mängelhaftungsansprüche des Bauherrn ab.

Die Praxis lehrt, dass die Sicherheit – die Bürgschaft – in der Regel nur durch ein Gerichtsverfahren realisiert werden kann. Denn der Bauherr muss bei der Verwertung der Sicherheit damit rechnen, dass der Bürge nicht freiwillig zahlt, sodass der Bauherr gezwungen sein kann, den Bürgen gerichtlich auf den Bürgschaftsbetrag in Anspruch nehmen zu müssen.

Die Folgen unwirksamer Mängelhaftungssicherheiten

Was passiert aber, wenn die Abreden, aufgrund derer die Sicherheit gestellt worden ist, rechtlich unwirksam sind?

Architekten und Ingenieure sind in zweierlei Hinsicht betroffen

Als Architekten und Ingenieure sind Sie hier in unterschiedlicher Ausprägung betroffen:

  • Als vom Bauherrn beauftragter Planer würden Sie davon profitieren, wenn die Abreden, aufgrund derer die Sicherheit für Ihre Leistungen gestellt worden sind, rechtlich unwirksam sind.
  • Als Treuhänder des Bauherrn drohen Ihnen Haftungsrisiken, wenn die Abreden, aufgrund derer die Sicherheit gegenüber den Leistungen ausführender Unternehmen gestellt worden sind, rechtlich unwirksam sind.

Die konkreten Folgen unwirksamer Sicherheitsvereinbarungen

Eine unwirksame Vereinbarung über Sicherheiten bietet Ihnen als Leistungserbringer die Möglichkeit, bei der Abrechnung des Bauvorhabens die Stellung der Sicherheit gegenüber dem Bauherrn zu verweigern. Es bleibt dann im Ergebnis dabei, dass der Bauherr Mängelhaftungsansprüche hat, die jedoch ungesichert sind. Und haben Sie bereits Sicherheit geleistet, etwa in Form eines Einbehalts oder durch die Stellung einer Bürgschaft, führt die rechtliche Unwirksamkeit der Vereinbarung dazu, dass der Bauherr den Einbehalt ausbezahlen und eine Bürgschaft zurückgeben muss.

Denn in beiden Konstellationen beruht die Rechtsposition des Bauherrn auf einer unwirksamen Vereinbarung zu seinen Gunsten, die ihn über das Institut der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, das hieraus Erlangte an den Leistungserbringer zurückzugeben (§§ 812 ff. BGB).

Mängelhaftungssicherheiten in vom Bauherrn gestellten AGB

Wesentlich häufiger sind in der Praxis jedoch Fälle anzutreffen, in denen die Abreden über Mängelhaftungssicherheiten in vorformulierten Vertragsmustern des Bauherrn enthalten sind. Sie sind damit in der Regel als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu qualifizieren sind und unterliegen einer besonderen gesetzlichen Inhaltskontrolle (§ 307 BGB).

Wichtig | Haben Sie für den Bauherrn die Gestaltung solcher Klauselwerke übernommen, die sich als unwirksam erweisen, haben Sie ein Problem. Es wird Ihnen nämlich eine Pflichtverletzung gegenüber dem schutzbedürftigen Bauherrn unterstellt, wenn Sie ihn nicht über die tatsächliche oder jedenfalls mögliche Unwirksamkeit einer solchen Vertragsklausel aufgeklärt haben. Diese Aufklärung müssen Sie übrigens im Zweifelsfall beweisen können.

Die jüngste Rechtsprechung kennen und berücksichtigen

Besonders praxisrelevant sind in diesem Kontext zwei Entscheidungen des BGH und des OLG Karlsruhe.

BGH entscheidet zu Formblatt 421

Der BGH musste sich mit der Sicherungsabrede aus einem Bauvertrag befassen, bei der sich der Bauherr formularmäßig neben der Sicherheit für die Vertragserfüllung in Höhe von fünf Prozent auch eine Sicherheit für Mängelansprüche in Höhe von drei Prozent versprechen ließ. Die Klauseln hatten aber nicht einwandfrei geregelt, wann dem Unternehmer die Sicherheit für die Vertragserfüllung zurückgegeben werden muss, wenn bereits auch die Sicherheit für die Mängelansprüche geschuldet wird.

Diese Kumulierung der beiden Sicherheiten auf insgesamt acht Prozent führt dazu, dass der Unternehmer nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt ist. Die Sicherheitenabrede ist in Gänze unwirksam. Konkret hat sich der BGH hier mit dem Formblatt „Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft – 421“ auseinandergesetzt. Darin heißt es u. a., dass der Werkunternehmer Sicherheit für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Erfüllung der Mängelansprüche zu leisten hat (BGH, Urteil vom 16.07.2020, Az. VII ZR 159/19, Abruf-Nr. 217796).

Wichtig | Mit dieser Rechtsprechung hat der BGH die insbesondere von der öffentlichen Hand verwendeten Formularverträge in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Aber auch für Verträge zwischen privaten Bauherrn und ihren Leistungserbringern ist diese Rechtsprechung von Bedeutung, denn häufig sind die eingesetzten Klauseln inhaltlich vergleichbar.

OLG Karlsruhe zu KEV 117

In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des OLG Karlsruhe. Es hat klargestellt, dass die Sicherungsabreden aus den Formularblättern KEV 117 als Besondere Vertragsbedingungen mangels eindeutiger Unterscheidung zwischen einer Sicherheit für die Vertragserfüllung und einer Sicherheit für Mängelansprüche unwirksam sind, weil sie als AGB zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Bauherrn führen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2021, Az. 4 W 49/21, Abruf-Nr. 227767).

Die Konsequenz für die Praxis

Im täglichen Umgang mit Mängelhaftungssicherheiten, insbesondere mit der Anforderung von Mängelhaftungsbürgschaften und der Frage, ob sie nicht zurückverlangt werden können, weil rechtsgrundlos erlangt, gewinnt die aufgezeigte Rechtsprechung für eine Vielzahl von Bauvorhaben Bedeutung.

Stellt sich heraus, dass die vertragliche Vereinbarung über die Stellung einer Mängelhaftungssicherheit unwirksam ist, kann eine Sicherheit sofort zurückverlangt werden. Befindet sich ein Bauvorhaben noch in der Abrechnungsphase, wurde also eine unwirksam vereinbarte Verpflichtung zur Stellung einer Mängelhaftungssicherheit durch den Leistungserbringer nicht erfüllt, kann sich dieser darauf berufen, zur Stellung einer solchen Sicherheit nicht verpflichtet zu sein.

Für Sie ist diese rechtliche Situation in zweifacher Hinsicht von Bedeutung:

Fazit | Behalten Sie die Entwicklungen und Rechtsprechung zu Mängelhaftungssicherheiten im Auge. Tun Sie das in Ihrem eigenen Interesse (als Auftragnehmer) und als Treuhänder des Bauherrn. Berücksichtigen Sie bei letzterem, dass Sie für den Auftraggeber keine Rechtsdienstleistungen erbringen dürfen. Solche Gefälligkeiten können Ihnen vor die Füße fallen.

  • 1. Hat der Bauherr von Ihnen rechtlich unwirksam eine Sicherheit verlangt oder haben Sie eine solche schon gegeben, müssen Sie die Sicherheit nicht geben oder können sie zurückverlangen. Entsprechendes gilt natürlich, wenn Sie als Subplaner agieren und von Ihrem Auftraggeber entsprechende Sicherheitsverlangen erhalten haben.
  • 2. Haben Sie für Bauherren Verträge mit Werkunternehmern ausgearbeitet, die rechtlich unwirksame Sicherungsklauseln enthalten, setzen Sie sich zusätzlicher Haftungsrisiken aus. Stellt sich im Verlauf der Vertragsabwicklung die Unwirksamkeit einer solchen Klausel heraus und entsteht dem Bauherrn daraus ein Schaden, kann er Sie mit einiger Aussicht auf Erfolg auf den Ersatz dieses Schadens in Anspruch nehmen, wenn Sie ihn über dieses Risiko nicht ausreichend und nachweislich aufgeklärt haben.

AUSGABE: PBP 4/2022, S. 14 · ID: 48042045

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