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WerkvertragsrechtDürfen GU bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung von Planungsvorgaben abweichen?

Abo-Inhalt08.03.20223121 Min. Lesedauer

| Generalunternehmerverträge (GU) haben Konjunktur. Die meisten sind dadurch gekennzeichnet, dass der Ausführung eine funktionale Leistungsbeschreibung (FLB) zugrunde gelegt wird. In dieser FLB werden die geforderten Leistungen im Wesentlichen textlich beschrieben und unter Bezugnahme auf die Zeichnungen mit geometrischen Vorgaben und Qualitätsangaben versehen. Das OLG Naumburg hat sich jetzt mit der Frage befasst, wie auslegungsfähig FLB für den GU sind. |

Der Fall vor dem OLG Naumburg

Im konkreten Fall hatten Bauherr bzw. Planer und GU die FLB bezüglich der ausgeführten verzinkten Trapezbleche einer Flachdachkonstruktion sowie deren Befestigung durch Bohrschrauben oder Setzbolzen unterschiedlich ausgelegt. Der GU hatte statt Bohrschrauben Setzbolzen zur Befestigung der Trapezbleche eingesetzt. Planer und Bauherr waren aber der Auffassung, dass eine Verschraubung vereinbart war. Dem GU wurde die Abnahme verweigert, weil er unzulässigerweise von den Planungsvorgaben der FLB abgewichen sei.

Der GU zog vor Gericht und gewann. Die Verwendung der Setzbolzen war fachgerecht und somit entsprechend den anerkannten Regeln der Technik. Das OLG stellte klar, dass die Vorstellungen des Auftraggebers zur Ausführungsart in der FLB so weit gefasst waren, dass sie dem GU große fachtechnische Spielräume zur konkreten Ausführungsart gegeben hatten. Solange die Ausführung den technischen Vorgaben, die sich in der FLB (in den textlichen Leistungsbeschreibungen) bzw. den zugrunde liegenden zeichnerischen Unterlagen entsprechen, liegt die Ausführung im freien Ermessen des GU. Entspricht sie den Regeln der Technik, muss der Auftraggeber das Werk abnehmen und den Werklohn auszahlen (OLG Naumburg, Urteil vom 30.07.2021, Az. 2 U 41/19, Abruf-Nr. 227525).

Soweit der Planer bzw. sein Auftraggeber eine Verschraubung als Ausführungsart zwingend gewollt hätten, hätten sie dem GU eine entsprechend eindeutige Planungsvorgabe machen müssen.

Fachlicher Hintergrund: „Kalkulationsfreiheit“ des GU

Die Entscheidung hat einen fachlichen Hintergrund, der oft anzutreffen ist. GU suchen an der Schnittstelle zwischen FLB und eigenen Arbeitsvorbereitungen möglichst nach günstigen Ausführungsmöglichkeiten. Das Ziel, das dahinter steckt, ist,

  • entweder möglichst attraktive Angebote abgeben zu können, oder
  • einen Vertrag mit möglichst niedrigen Baukosten abwickeln zu können.

Das ist legitim. Genau hier stellen sich für Sie und Ihre Auftraggeber jedoch die Fragen,

  • welche Abweichungen Sie hinzunehmen haben,
  • an welcher Stelle Sie ihre Vorstellungen zu gestalterischen Einzelheiten, konstruktiven Details, Baukonstruktionsarten durchsetzen können und
  • welche Planungsinhalte sinnvollerweise nicht dem Ermessensspielraum des GU zu überlassen sind.

Bei FLB für alle Beteiligten von Anfang an Klarheit schaffen

Im Ergebnis bedeutet das, dass bei FLB vor Angebotseinholung zwischen dem Bauherrn und Ihnen geklärt sein muss, bei welchen Bauteilen und Ausführungsarten Sie dem GU welche Ermessensspielräume geben und bei welchen Ausführungen Sie stringente Vorgaben machen. Das gilt für gestalterische Vorgaben besonders, weil hier im Projektverlauf sonst oft Auseinandersetzungen entstehen. Diese Klärung zwischen Ihnen und Ihrem Bauherrn hat viel mit Aufwand, Planerhonorar und Planungsvertiefung zu tun. Denn je nach Vorgehensweise ist der Aufwand bei Ihnen, insbesondere wenn Sie als Generalplaner auftreten, unterschiedlich hoch.

Rechtzeitig die richtigen Vereinbarungen treffen

Es reicht nicht, dass Sie im Planungsvertrag oder Projektverlauf – wenn z. B. erst nach Abschluss des Planungsvertrags von der Einzelgewerkevergabe auf FLB umgeschwenkt wird – mit Ihrem Bauherrn grob vereinbaren, dass Sie den Mehraufwand in Form anteiliger Prozent-Werte in der Lph 5 vergütet bekommen. Denn diese Prozent-Werte stellen nur eine Vergütungsvereinbarung dar. Es bedarf aber zusätzlich einer Leistungsvereinbarung. Diese muss regeln, was konkret für die Prozent-Werte als Basis für die FLB zu planen ist.

Praxistipps |

  • PBP empfiehlt deshalb, je Projekt einzelfallbezogene baufachliche Vereinbarungen zu den Inhalten der zeichnerischen Grundlagen bei FLB zu treffen.
  • Das zahlt sich bereits bei der etwaigen Einreichung von Nachträgen zum Planungsvertrag aus. Denn oft fallen bei FLB genauso viele Planernachträge an wie bei konventioneller Planung.
  • Die Vorteile einer einzelfallbezogenen Regelung zwischen Planer und Bauherr liegen also zum einen in der Honorarsicherheit.
  • Darüber hinaus helfen diese Regelungen, endlose Auseinandersetzungen und damit zusammenhängende Terminverzögerungen im Zuge der Abwicklung der GU-Leistungen zu vermeiden. Denn die Auseinandersetzungen an der Schnittstelle der Ermessensspielräume, die dem GU einzuräumen sind, treten oft bei der Freigabe der Unterlagen, die der GU ausarbeitet und vom Planer freizugeben sind auf, also mitten in der Abwicklung. Dann führen sie in den meisten Fällen zu Terminverzögerungen und unmittelbar auch zu Verlusten.

Ausführungsart mit dem Zusatz „oder gleichwertig“

Besonders spannend wird es, wenn in der textlichen Beschreibung der FLB eine Ausführungsart mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ beschrieben ist. Dann kommen neben dem erwähnten Ermessensspielraum noch (zulässige) Abweichungen hinzu, deren Gleichwertigkeit zu prüfen ist. Dies ist wiederum mit Zeitaufwand und etwaigen Terminverschiebungen verbunden.

Wichtig | Um hier nicht noch mehr Schleusentore zu öffnen, sollte in FLB mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ sehr sorgsam bzw. sparsam umgegangen werden. Denn diese Gleichwertigkeitsprüfung müssen Sie ja kurzfristig erbringen. Bei engen Terminabfolgen eine oft unmögliche Aufgabe. Vergessen Sie nicht, dafür eine Vergütungsregelung zu treffen.

Kritische FLB-Fälle im Tagesgeschäft proaktiv klar regeln

Für Ihr Tagesgeschäft bedeutet das Folgendes: Geben Sie auch bei FLB und den zugehörigen zeichnerischen Kalkulationsgrundlagen alle Einzelheiten, auf die Sie oder Ihr Auftraggeber Wert legen, eindeutig als Kalkulations- und Ausführungsgrundlage vor. Tun Sie das nicht, steht dem ausführenden Unternehmer insoweit ein entsprechender Ermessensspielraum zu. Diese Freiheiten nutzen GU häufig bei folgenden Bauteilen:

Fazit | Bei FLB ist es erforderlich, Einzelheiten der fachlichen Planungsinhalte, Planerhonorare und Ermessensspielräume des GU einer genauen Bearbeitung zu unterziehen, bevor die FLB in den Wettbewerb gegeben wird. Es macht keinen Sinn, lediglich anteilige Prozent-Werte für anteilige Lph (vor allem Lph 5) zu vereinbaren, ohne gleichzeitig die baufachlichen Einzelheiten und daraus resultierenden konkreten Planungsinhalte sowie Ermessensspielräume des GU zu regeln. Diese gegenüber der klassischen Planung geänderte Schnittstelle ist so bedeutsam, dass kalkulatorisch betrachtet, kaum Abstriche bei der Prozent-Bewertung der Lph 5 in Frage kommen.

  • Einzelheiten bei Fassadenkonstruktion oft auch insoweit, dass relevante gestalterische Einzelheiten betroffen sind.
  • Flachdachkonstruktionen bzw. Bauteilanschlüsse von Flachdächern.
  • Einzelheiten beim Ausbau, bspw. nichttragende Deckenkonstruktionen und ihre Anschlüsse an Wände.
  • Nichttragende Innenwände, Verglasungen innen, insbesondere hinsichtlich Schallschutz und Gestaltung.
  • Beschaffenheitsqualitäten bei Wandoberflächen.
  • Einzelheiten bei nichttragenden Konstruktionen, z. B.
    • Treppengeländer,
    • Absturzsicherungen,
    • Halterungen, die sichtbar sind
    • betriebliche Einbauten.
  • Farbgebung von Bauteilen, bei denen beschrieben ist „Farbe nach Wahl des AG.“ Hier wird die günstigste Farbgebung kalkuliert und bei Abweichungen davon eine zusätzliche Vergütung verlangt.
  • Provisorische Sicherheitsmaßnahmen während der Bauausführung, insbesondere bei Bauabschnitten (Schallschutz, Staubschutz etc).
  • Einzelheiten bei Baustoffen und Materialien, insbesondere wenn diese produktneutral in der FLB vorgegeben sind (kommt bei öffentlichen Aufträgen häufig vor).

AUSGABE: PBP 4/2022, S. 8 · ID: 47999224

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