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Vorvertragliche AuskunftspflichtVormiete bei Begrenzung der Wiedervermietungsmiete
| Die Vorschriften über die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete auf angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) beschäftigen den BGH regelmäßig. In der hier vorgestellten Entscheidung hat er sich mit der streitträchtigen Rechtsfrage des Umfangs der vorvertraglichen Auskunftspflicht des Vermieters nach § 556g Abs. 1a S. 1 BGB befasst. |
Sachverhalt
Die Klägerin, ein als Inkasso-Dienstleisterin registriertes Legal-Tech-Unternehmen, verlangt aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung der Vermieterin u. a. die Rückzahlung anteiliger Miete für 9/21 von 424,20 EUR.
Das Mietverhältnis über die 49,39 qm große Wohnung besteht seit 7/19. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete betrug monatlich 822,73 EUR (16,66 EUR/qm). Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 7,33 EUR/qm. In dem von 6/17 bis 6/19 bestehenden Vormietverhältnis war eine monatliche Nettokaltmiete von zunächst 800 EUR vereinbart worden, die sich im Laufe des Mietverhältnisses gemäß § 557b BGB auf monatlich 822,73 EUR erhöhte.
Vor Abschluss des Mietvertrags informierte die Vermieterin den Mieter mit Schreiben in 6/19 unter Verweis auf § 556g Abs. 1a BGB darüber, dass die monatliche Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses 812,47 EUR und zum Zeitpunkt der Beendigung des Vormietverhältnisses 822,73 EUR netto kalt betragen habe. Zuvor hatte die Vermieterin die Wohnung seit 1.3.15 zu einer monatlichen Nettokaltmiete von zuletzt 700,95 EUR vermietet (Vor-Vormiete). Mit Schreiben vom 1.9.21 rügte die Klägerin einen Verstoß gegen die Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) und verlangte u. a. Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB.
Nachdem die Vermieterin diese Auskünfte in der ersten Instanz erteilt hat, haben die Parteien den diesbezüglichen Antrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Die verbliebene Klage hatte vor dem AG Erfolg. Das AG meinte, die Vermieterin könne sich auf die höhere Vormiete nicht berufen, weil die Auskunft falsch gewesen und eine falsche wie eine fehlende Auskunft zu behandeln sei. Die Vermieterin hat dagegen zunächst Berufung eingelegt, diese in der mündlichen Verhandlung aber hinsichtlich der Auskunftsansprüche sowie insoweit zurückgenommen, als das AG sie verurteilt hat, für 9/21 Miete von 121,78 EUR zurückzuzahlen und Rechtsverfolgungskosten von 627,13 EUR zu erstatten. Das LG hat unter teilweiser Abänderung des AG-Urteils die Verurteilung der Vermieterin zur Zahlung in diesem Umfang aufrechterhalten und die Zahlungsanträge im Übrigen abgewiesen.
Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin – erfolglos – ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter (BGH 29.11.23, VIII ZR 75/23, Abruf-Nr. 239438).
Entscheidungsgründe
Die nach den Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe zulässige Miete betrug nach § 556g Abs. 1 S. 1, 2 BGB i. V. m. § 556e Abs. 1 S. 1 BGB aufgrund der wirksam vereinbarten Vor-Vormiete monatlich 700,95 EUR netto kalt.
Beachten Sie | § 556e Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden, scheidet nicht aus, weil in dem Vormietverhältnis, das ebenfalls §§ 556d ff. BGB unterlag, eine unzulässig überhöhte Miete vereinbart worden war. Als geschuldete Vormiete ist in diesem Fall die nach § 556g Abs. 1 S. 1, 2 BGB auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen (BGH 19.7.23, VIII ZR 229/22). Das gilt auch, wenn sich die in dem Vormietverhältnis zulässige Miethöhe ihrerseits wegen einer Anwendung von § 556e Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, also unter Heranziehung der Vor-Vormiete.
Die Vermieterin ist auch nicht nach § 556g Abs. 1a S. 2 BGB daran gehindert, sich auf die nach § 556e Abs. 1 BGB zulässige Vormiete zu berufen. Nach § 556g Abs. 1a S. 2 BGB tritt diese Rechtsfolge ein, wenn der Vermieter dem Mieter vor dessen Abgabe der Vertragserklärung nicht unaufgefordert über die Höhe der Vormiete Auskunft erteilt hat, wobei diese sich nach der hier gemäß Art. 229 § 51 EGBGB bis zum 31.3.20 geltenden Fassung des § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB a. F. auf die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses beziehen musste. Die Beklagte hat die erforderliche Auskunft – so der BGH – (form- und fristgerecht) den inhaltlichen Anforderungen des § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB a. F. entsprechend erteilt, indem sie den Mieter schriftlich vor Abgabe von dessen Vertragserklärung darüber informiert hat, die monatliche Vormiete habe ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses 812,47 EUR und zum Zeitpunkt von dessen Beendigung 822,73 EUR netto kalt betragen.
Beachten Sie | § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB a. F. verpflichtet den Vermieter nur, die ihm ohne Weiteres bekannte vertraglich vereinbarte Vormiete anzugeben, nicht aber dazu, diese auf ihre Zulässigkeit nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB zu überprüfen und die hiernach zulässige Miete mitzuteilen.
Der BGH verweist darauf, dass sich dem Wortlaut des § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB a. F. nicht entnehmen lasse, ob mit Vormiete im Sinne der Regelung die vertraglich vereinbarte oder die nach den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB rechtlich geschuldete Vormiete gemeint ist (wird ausgeführt).
Zu dem Ergebnis, dass die (schlichte) Angabe der vereinbarten Vormiete ausreicht, gelangt der BGH über die historische und teleologische Auslegung des § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB a. F.: Mit der Einführung der vorvertraglichen Auskunftspflichten nach § 556g Abs. 1a BGB wollte der Gesetzgeber erreichen, dass ein Mieter bereits bei Begründung des Mietverhältnisses erfährt, ob der Vermieter sich bezüglich der zulässigen Höhe der von ihm verlangten Miete auf eine Ausnahme nach §§ 556e oder 556f BGB beruft bzw.später berufen kann (BT-Drucksache 19/4672, S. 1). Ein Vermieter, der eine Ausnahme in Anspruch nehmen möchte, sollte daher verpflichtet werden, den Mieter vorab über das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands zu informieren (BT-Drucksache 19/4672, S. 12, 26). Ein Mieter, dem eine entsprechende Auskunft nicht erteilt wurde, sollte darauf vertrauen können, dass nur die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete verlangt werden darf (BT-Drucksache 19/4672, S. 28).
In Kombination mit § 556g Abs. 1a S. 2 BGB, wonach sich ein Vermieter, der die Auskunft vorab nicht erteilt, auf eine nach den Ausnahmetatbeständen zulässige Miete (vorübergehend) nicht berufen kann, wollte der Gesetzgeber zudem einen erheblichen Anreiz für den Vermieter schaffen, sich vor Vertragsschluss Gedanken über die für die Wohnung zulässige Miete zu machen, wenn er nicht einen Rechtsverlust riskieren wollte. Zugleich wollte er mit der Regelung des Rechtsverlusts bewirken, dass ein Mieter nicht darauf angewiesen ist, den vorvertraglichen Auskunftsanspruch (ggf. bereits vor Vertragsschluss) gerichtlich durchsetzen zu müssen (BT-Drucksache 19/4672, S. 26 f.).
Merke | Aus Sicht des BGH verfolgte der Gesetzgeber aber nicht das Ziel, dem Mieter bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die er für eine eigenständige Prüfung der höchstzulässigen Miete auf der Grundlage der Ausnahmetatbestände benötigt. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass es dem Mieter vor Vertragsschluss vor allem darauf ankomme, zu wissen, ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt (BT-Drucksache 19/4672, S. 28). Daher habe der Gesetzgeber die vorvertraglichen Auskunftspflichten nach § 556g Abs. 1a BGB bewusst niederschwellig gehalten. Die vom Vermieter (ungefragt vor Vertragsschluss) mitzuteilenden Umstände ermöglichen dem Mieter (noch) nicht die Überprüfung, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 556e BGB oder § 556f BGB tatsächlich vorliegt und die von dem Vermieter verlangte Miete nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB zulässig ist. Sie informieren ihn nur darüber, dass nach Ansicht des Vermieters ein Ausnahmetatbestand nach § 556e BGB oder § 556f BGB in Betracht kommt und welcher dies ist. Für weitergehende Informationen zu den vom Vermieter ausweislich seiner Auskunft für gegeben erachteten Ausnahmetatbeständen verweist der Gesetzgeber den Mieter auf den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 556g Abs. 3 BGB (BT-Drucksache 19/4672, S. 27, 28; BGH 18.8.22, VIII ZR 9/22). |
Das vom Gesetzgeber mit der vorvertraglichen Auskunftspflicht bezweckte Ziel einer Information des Mieters darüber, dass – zumindest nach Ansicht des Vermieters – ein Ausnahmetatbestand in Betracht kommt, wird im Fall des § 556e Abs. 1 BGB durch die Mitteilung der Höhe der vertraglich vereinbarten Vormiete aus Sicht des BGH hinreichend erfüllt. Für den Mieter bestehe bereits durch diese Information kein begründeter Anlass mehr, darauf zu vertrauen, dass von ihm nur die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete verlangt werden dürfe. Der Mitteilung der (rechtlich) geschuldeten Vormiete bedürfe es dafür nicht.
Für eine eigenständige Prüfung der zulässigen Miete durch den Mieter würde die Angabe der nach Ansicht des Vermieters rechtlich geschuldeten Vormiete zudem ohnehin nicht ausreichen. Deren Bestimmung erfordere im Fall des § 556e Abs. 1 BGB vor allem die Kenntnis des Beginns des Vormietverhältnisses und eines etwaigen Vor-Vormietverhältnisses, der Höhe der Vor-Vormiete sowie der Kriterien, die für die Bemessung der für die Vormiete und ggf. auch die Vor-Vormiete relevanten ortsüblichen Vergleichsmiete entscheidend sind. Eine auch diese Umstände umfassende Auskunftspflicht habe der Gesetzgeber gerade nicht eingeführt. Vielmehr habe er die bloße Angabe der Höhe der Vormiete für ausreichend gehalten (BT-Drucksache 19/4672, S. 27). Die Mitteilung der geschuldeten Vormiete würde dem Mieter daher keinen entscheidenden Vorteil gegenüber der Mitteilung der vertraglich vereinbarten Vormiete bringen.
Der Vermieter ist nicht verpflichtet, dem Mieter die Höhe der von ihm verlangten Miete zu erläutern, seine diesbezügliche interne Berechnung und deren Grundlage offenzulegen oder dem Mieter die Zulässigkeit der Miete nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB nachzuweisen. Selbst bei Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 556g Abs. 3 BGB ist er nur gehalten, dem Mieter die Tatsachen mitzuteilen, die dieser zur Feststellung der ortsüblichen Miete oder eines Sondertatbestands (§§ 556e, 556f BGB) benötigt (vgl. BT-Drucksache 18/3121, S. 34 f.). Seine eigene Berechnung und deren Ergebnis muss der Vermieter dagegen auch in diesem Fall nicht offenlegen. Dem würde die Annahme einer vorvertraglichen Auskunftspflicht widersprechen, die sich nicht nur auf die tatsächlich vereinbarte Vormiete bezieht, sondern sich auch auf die – aus Sicht des Vermieters nach seinen Berechnungen nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB – geschuldete Vormiete erstreckt.
Relevanz für die Praxis
Auch wenn die Zukunft der „Mietpreisbremse“ ungewiss ist, bleibt die Frage des Umfangs der vorvertraglichen Auskunftspflicht des Vermieters nach § 556g Abs. 1a BGB relevant, soweit der Anwendungsbereich der Vorschriften aufgrund einer wirksamen Gebietsverordnung eröffnet ist (bzw. bei Mietvertragsabschluss war). Meint der Vermieter, er könne sich mit Erfolg auf einen der Ausnahmetatbestände (§§ 556e, 556f BGB) berufen, ist er gut beraten, dem Mieter die in § 556g Abs. 1a BGB vorgeschriebenen Auskünfte zu erteilen und dies zu dokumentieren. Der Rückforderungsanspruch des Mieters beschränkt sich für ab dem 1.4.20 entstandene Mietverhältnisse nicht mehr auf die nach einer Rüge fällig gewordenen Mietdifferenzen. Wird die Auskunft erst auf Rüge erteilt, gilt die zweijährige „Sperre“ des § 556g Abs. 1a S. 3 BGB.
Die Entscheidung stellt zudem noch einmal klar, was sich in Prozessen immer wieder als Missverständnis zeigt: Die Erfüllung der vorvertraglichen Auskunftspflicht nach § 556g Abs. 1a S. 1 BGB lässt den (weitergehenden) Auskunftsanspruch des Mieters nach § 556g Abs. 3 BGB unberührt.
AUSGABE: MK 1/2025, S. 5 · ID: 50261752