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WertberechnungBeschwer des Vermieters bei Klage des Mieters auf Zustimmung zu baulichen Maßnahmen
| Bereits seit Ende 2020 sieht § 554 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch des Mieters auf Erlaubnis baulicher Veränderungen der Mietsache vor, die der Barrierereduzierung für Menschen mit Behinderungen dienen. Der BGH hatte nun Gelegenheit, sich mit der Frage der Bemessung der für den Instanzenzug entscheidenden Frage der Rechtsmittelbeschwer aus der Perspektive des Vermieters zu befassen, der zur Duldung verurteilt worden ist. |
Sachverhalt
Die Kläger sind seit 1992 Mieter einer im ersten Stock gelegenen 4-Zimmer-Wohnung in München. Ein Bad war bei Einzug der Kläger nicht vorhanden, sondern wurde von ihnen im gleichen Jahr auf eigene Kosten ausgebaut.
Mit der 2012 erhobenen Klage haben die Kläger von den Vermietern u. a. die Zustimmung zum Einbau eines Treppenlifts sowie zu einem barrierefreien Umbau des Bades für ihren seit einem Sportunfall im Jahr 2011 querschnittsgelähmten Sohn begehrt, der sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen kann.
Die Klage hatte vor dem AG im Wesentlichen Erfolg. Es hat die Beklagten verurteilt, den von den Klägern beantragten Baumaßnahmen zuzustimmen sowie – unter Androhung eines Ordnungsgeldes bzw. einer Ordnungshaft – den Betrieb des Treppenlifts zu dulden und bauliche Veränderungen zu unterlassen, die seinen Einbau behindern oder undurchführbar machen. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung der Beklagten hat das LG zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde machen die Beklagten u. a. eine über 20.000 EUR liegende Beschwer geltend.
Entscheidungsgründe
Nach den Feststellungen des BGH (24.9.24, VIII ZR 234/23, Abruf-Nr. 245351) erreicht der Wert der Beschwer der Beklagten nicht die Wertgrenze von mehr als 20.000 EUR.
Beschwer nach dem Wertverlust durch (bauliche) Maßnahme Merke | Die Beschwer eines Rechtsmittelklägers bemisst sich regelmäßig – auch im Rahmen der Revision – nach seinem Interesse an der Abänderung der Entscheidung der Vorinstanz. Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln. Der BGH stellt unter Bezugnahme auf frühere Entscheidungen fest, dass sich die Beschwer des Vermieters einer Wohnung, der zur Duldung eines vom Mieter vorgenommenen oder noch vorzunehmenden Ein- oder Umbaus in oder an den vermieteten Räumlichkeiten verurteilt wird, grundsätzlich nach dem Wertverlust bemisst, den sein Anwesen durch die (bauliche) Maßnahme erleidet (BGH 17.5.06, VIII ZB 31/05, MK 06, 141 [Satellitenempfangsantenne]; 21.5.19, VIII ZB 66/18 [Duldung eines Transparents an der Hausfassade]). Die Verurteilung zur Erteilung der Zustimmung zu einer baulichen Maßnahme des Mieters entspricht hinsichtlich der Beschwer im Grundsatz der einer Verurteilung zur Duldung der baulichen Maßnahme. |
Die Beklagten haben einen Wertverlust des Anwesens, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Eine Minderung des Marktwertes der Immobilie durch Einbau des Treppenlifts sei möglich, könne ohne nähere Darlegungen aber nicht unterstellt werden; eine Bezifferung der zu erwartenden Wertminderung sei unentbehrlich.
Das LG war von einer geringfügigen optischen Beeinträchtigung ausgegangen, weil der Lift in dem 100 Jahre alten Treppenhaus als Fremdkörper wahrgenommen werden könne. Da es sich nach den Feststellungen des LG um ein Treppenhaus handelt, das „keinen besonderen kunsthistorischen Eindruck vermittelt“, genügte es nicht, zu behaupten, der Wert des Gesamtanwesens werde „erheblich sinken“. Auch die durch den Betrieb des Treppenlifts entstehenden Geräuschemission von 70 dB ergeben – so der BGH – nicht ohne Weiteres eine Beeinträchtigung des Werts der Immobilie, zumal der Lift nicht dauerhaft, sondern nur zu bestimmten Gelegenheiten und für eine begrenzte Zeit in Betrieb wäre. Eine Wertminderung war auch nicht ersichtlich, soweit die Beklagten auf die mit dem Einbau des Treppenlifts einhergehende eingeschränkte Nutzung des Anwesens verwiesen haben. Der Einbau des Treppenlifts werde zwar zur Verengung des Treppenhauses führen, die Mindestlaufbreite der Treppe von 100 cm durch die Treppenliftkonstruktion aber nicht unterschritten und die Nutzung des Handlaufs nicht beeinträchtigt.
Zur Darlegung einer Wertminderung reichte auch der Hinweis auf den – nur geringen – prozentualen Anteil der erforderlichen Mindestbeschwer von (über) 20.000 EUR gegenüber dem Wert des Grundbesitzes i. H. v. 14.465.725 EUR bzw. 16.600.000 EUR nicht aus. Die bloße Angabe des Verhältnisses der nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen (Mindest-)Beschwer zum Wert der Immobilie sage nichts darüber aus, ob und in welcher Höhe mit der begehrten Maßnahme eine Minderung des Verkehrswerts einhergehe.
Der Gebäudewert kann nach Auffassung des BGH aber auch durch die mit dem Einbau und Betrieb des Treppenlifts einhergehende Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz beeinflusst werden. Ein Anhaltspunkt für eine Wertminderung kann sich insoweit aus den Kosten ergeben, die auf die Wiederherstellung des Gebäudes entfallen, hier dem zu erwartenden Aufwand für eine vom Mieter bei Ende des Mietvertrags geschuldete Beseitigung der baulichen Maßnahme. Hier hatte das LG mit sachverständiger Hilfe unter Berücksichtigung einer Kostensteigerung von rund 30 % lediglich einen Kostenaufwand von rund 3.000 EUR ermittelt. Den Betrag hat der BGH als Beschwer für die Zustimmung zum Einbau und die Pflicht zur Duldung des Betriebs des Treppenlifts zugrunde gelegt.
Die Einbeziehung des behindertengerechten Umbaus des Badezimmers führte zu keiner die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigenden Beschwer. Die Wohnung verfügte bei Einzug der Kläger über kein Badezimmer. Es wurde erst durch die Kläger 1992 ausgebaut. Sowohl im Vergleich zu einem vollständig fehlenden als auch im Vergleich zu einem inzwischen über 30 Jahre alten Bad mindere das Vorhandensein eines neuen, barrierefreien Bades offensichtlich nicht den Wert der Immobilie. Der BGH stellt in der Folge auch bezüglich des Bades auf die Rückbaukosten ab. Diese hatte der Sachverständige vor dem LG unter Berücksichtigung einer Kostensteigerung von wiederum ca. 30 Prozent auf rund 9.400 EUR beziffert. Diesen Betrag zugrunde gelegt, ergibt sich für die Duldung des behindertengerechten Umbaus des Bades eine Beschwer von 9.400 EUR.
Relevanz für die Praxis
Zu den baulichen Maßnahmen im Sinne des § 554 BGB gehören – neben der Barrierereduzierung – Ladestationen und bauliche Maßnahmen zum Einbruchschutz, seit dem 17.10.24 auch solche, die der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen. Letztere können – wie zu anderen Zeiten Satellitenanlagen – künftig an Bedeutung gewinnen.
Eine Wertminderung der Immobilie dürfte in der Praxis – wie die Entscheidung zeigt – schwer darzulegen und glaubhaft zu machen sein. Einfacher ist es wohl, die Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz unter Heranziehung der voraussichtlichen Kosten für den Rückbau nachzuweisen.
AUSGABE: MK 1/2025, S. 8 · ID: 50261753