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Leiharbeitnehmer/ReisekostenLeiharbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsverhältnis: Dauerhafte Zuordnung noch möglich?
| Leiharbeitnehmer werden einem Entleiher für eine bestimmte Zeit überlassen und wechseln daher oft ihren Tätigkeitsort. Hier stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, wann der Verleiher als Arbeitgeber Reisekosten erstatten kann, weil der Leiharbeitnehmer nicht dauerhaft zugeordnet ist. Verschiedene Finanzgerichte haben sich unlängst mit der Thematik bei Leiharbeitnehmern mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befasst. Jetzt ist der BFH am Zug. LGP stellt Ihnen die Entwicklung vor. |

Bedeutung der ersten Tätigkeitsstätte
Die Frage, ob der Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat und wo sich diese befindet, ist im steuerlichen Reisekostenrecht von großer Bedeutung:
- Nutzt der Arbeitnehmer für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte seinen eigenen Pkw, darf der Arbeitgeber die anfallenden Kosten nicht steuerfrei erstatten. In der Einkommensteuererklärung darf nur die Entfernungspauschale als Werbungskosten abgezogen werden. Diese beträgt derzeit für die ersten 20 Entfernungskilometer 0,30 Euro und ab dem 21. Entfernungskilometer 0,38 Euro.Entweder Entfernungspauschale ...
- Fährt der Arbeitnehmer nicht zur ersten Tätigkeitsstätte, sondern ist er auf einer Dienstreise, darf der Arbeitgeber einen Betrag in Höhe von 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer steuerfrei erstatten, bzw. der Arbeitnehmer darf diesen Betrag als Werbungskosten geltend machen, soweit der Arbeitgeber keine steuerfreie Erstattung geleistet hat.... oder Reiskosten möglich
Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte
Erste Tätigkeitsstätte ist gemäß § 9 Abs. 4 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer nicht zugeordnet, liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor, wenn der Arbeitnehmer (dauerhaft) an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung
- 1. typischerweise arbeitstäglich,
- 2. je Arbeitswoche an zwei vollen Arbeitstagen oder
- 3. mindestens einem Drittel seiner vereinbarten Arbeitszeit
tätig werden soll (sog. zeitliche Kriterien).
Ist der Arbeitnehmer einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung nur vorübergehend zugeordnet, liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor.
Die Zuordnung wird durch die arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen bestimmt und ist aus der Sicht „ex ante“ zu beurteilen (vgl. BFH, Urteil vom 14.09.2023, Az. VI R 27/21, Abruf-Nr. 238242). Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer bestimmten Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Eine Zuordnung ohne festgelegtes Ende (z. B. bis auf Weiteres) sieht die Finanzverwaltung als unbefristete Zuordnung an (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219235, Rz. 14).
Bei einem befristeten Dienstverhältnis ist eine dauerhafte Zuordnung nur möglich, wenn diese für die Dauer des gesamten Dienstverhältnisses Bestand haben soll (vgl. BFH, Urteil vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17, Abruf-Nr. 209989). Ist der Arbeitnehmer für die Dauer des Dienstverhältnisses einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und ändert sich diese Zuordnung, ist der Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt der Änderung nicht mehr dauerhaft zugeordnet, sodass ab diesem Zeitpunkt Dienstreisen vorliegen.
Leiharbeitnehmer und Grundsätze für erste Tätigkeitsstätte
Auch für Leiharbeitnehmer sind diese Grundsätze für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte zu beachten. Der BFH hat im Jahr 2022 für das Jahr 2014 entschieden, dass bei einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG der Verleiher der (lohnsteuerrechtliche) Arbeitgeber bleibt; für die Frage, ob der Leiharbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis maßgebend. Besteht der Einsatz des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen (jeweils unter 48 Monaten), fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung, sodass immer Dienstreisen vorliegen (BFH, Urteil vom 12.05.2022, Az. VI R 32/20, Abruf-Nr. 231633).
Höchstüberlassungsdauer seit 01.04.2017 – und Zuordnung?
Seit 01.04.2017 darf ein Verleiher gemäß § 1 Abs. 1b S. 1 bis 3 AÜG den Arbeitnehmer (vorbehaltlich einer abweichenden tarifvertraglichen Regelung) nicht länger als 18 Monate demselben Entleiher überlassen. Daher ist fraglich, ob bei einem – unbefristet beschäftigten – Zeitarbeitnehmer eine dauerhafte Zuordnung zum Betrieb des Entleihers überhaupt noch vorstellbar ist. Das FG München und das FG Düsseldorf haben sich damit befasst.
Vor dem 01.04.2017 beschäftigte Leiharbeitnehmer – und die Zuordnung
Im Fall vor dem FG München war der Leiharbeitnehmer zunächst seit 2014 befristet bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Ab 2015 bestand ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der Leiharbeitnehmer war bei verschiedenen Entleihern jeweils für mehrere Monate eingesetzt. Ab April 2015 bis Ende August 2018 (41 Monate) war er immer beim gleichen Entleiher eingesetzt und wurde ab September 2018 von diesem fest angestellt. Die jeweiligen Einsätze als Leiharbeitnehmer wurden immer nur als vorübergehender Einsatz (ohne festgelegtes Ende) bestimmt.
Das Finanzamt berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre 2017 und 2018 die Fahrtkosten nur im Rahmen der Entfernungspauschale, da der Leiharbeitnehmer ab dem Beginn des unbefristeten Dienstverhältnisses dem Entleiher dauerhaft zugeordnet gewesen sei.
Dieser Ansicht schließt sich das FG München an. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des unbefristeten Arbeitsvertrags 2015 wäre eine Neubewertung der ersten Tätigkeitsstätte erforderlich gewesen. In den maßgebenden Vereinbarungen zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher waren die Überlassungen jeweils „vorübergehend” und damit nicht zeitlich befristet. Da beim Abschluss des unbefristeten Arbeitsvertrags 2015 die ab 2017 geltende Neuregelung des § 1 Abs. 1b AÜG noch nicht absehbar war, konnte 2015 eine unbefristete Überlassung zum Entleiher und damit eine dauerhafte Zuordnung erfolgen (FG München, Urteil vom 21.03.2023, Az. 6 K 1233/20, Abruf-Nr. 240656).
Wichtig | Der Streit geht in die nächste Runde. Der BFH muss entscheiden, ob aufgrund der ab 01.04.2017 geltenden Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eine Neubewertung der ex-ante-Betrachtung notwendig ist, sodass bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag ab diesem Zeitpunkt nur noch eine vorübergehende Zuordnung möglich wäre (Az. beim BFH: VI R 22/23).
Ab dem 01.04.2017 beschäftigte Leiharbeitnehmer – und die Zuordnung
Für Leiharbeitnehmer, die seit dem 01.04.2017 eingestellt werden, könnte aber (bei einem unbefristeten Dienstverhältnis) eine dauerhafte Zuordnung wegen § 1 Abs. 1b AÜG nicht möglich sein. Zumindest hat dies das FG Düsseldorf so gesehen.
Im Urteilsfall war der Arbeitnehmer seit August 2021 unbefristet bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und wurde im Anstellungsvertrag der Niederlassung der Zeitarbeitsfirma in A. als erste Tätigkeitsstätte zugeordnet. Fahrtkosten sollten nur insoweit erstattet werden, als die Fahrstrecke zum jeweiligen Einsatzort über die Entfernung zwischen Wohnort und Niederlassung hinausging. Mit Einsatzeinweisung vom 10.08.2021 wurde der Leiharbeitnehmer ab 16.08.2021 bei einem Entleiher in H. eingesetzt. Die geplante Dauer des Einsatzes war mit „Ende offen“ bezeichnet. In einer weiteren Einsatzeinweisung vom 02.05.2022 wurde der Einsatz in H. nochmals mit „Ende offen“ verlängert. Der Leiharbeitnehmer war bis zum 03.02.2023 dort im Einsatz und wurde ab dem 30.05.2023 wieder dort eingesetzt.
Das Finanzamt berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 2022 die Fahrten von der Zweitwohnung in H. zum Entleiher in H. mit der Entfernungspauschale an, da der Betrieb des Entleihers als erste Tätigkeitsstätte anzusehen sei. Das FG Düsseldorf entschied aber, dass die bei Abschluss des Arbeitsvertrags zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verleiher geltende gesetzliche Bestimmung des § 1 Abs. 1b AÜG von vornherein zu einer zeitlichen Befristung der Zuordnung des Arbeitnehmers zum Betrieb des Entleihers in H. führte. Auch wenn in der Einsatzanweisung die Dauer des Einsatzes mit „Ende offen“ bezeichnet wurde, galt die zeitliche Begrenzung des AÜG auf 18 Monate, sodass nur von einer vorübergehenden Zuordnung auszugehen sei (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2024, Az. 15 K 1490/24 E, Abruf-Nr. 245299).
Wichtig | Das FG Düsseldorf hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. LGP behält im Auge, ob sie eingelegt wird.
AUSGABE: LGP 2/2025, S. 49 · ID: 50275777