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Steuerzahlerfreundliche BFH-Entscheidungen Besteuerung von Abfindungen im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen
Verständigungsvereinbarungen muss ein Arbeitnehmer nicht gegen sich gelten lassen, wenn die Vereinbarungen nicht durch das Doppelbesteuerungsabkommen gedeckt sind. Das hat der BFH in zwei Fällen entschieden, in denen es um die Besteuerung von Abfindungen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug ging.
Verständigungsvereinbarungen muss ein Arbeitnehmer nicht gegen sich gelten lassen, wenn die Vereinbarungen nicht durch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gedeckt sind. Das hat der BFH in zwei Fällen entschieden, in denen es um die Besteuerung von Abfindungen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug ging.
Zwischenstaatliche Verständigungsvereinbarungen
DBA sollen eine Doppelbesteuerung vermeiden. Daher weisen sie das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte entweder dem einen oder dem anderen Staat zu. Zuweilen kann die Anwendung der DBA aber auch eine doppelte Nichtbesteuerung nach sich ziehen. Das ist der Fall, wenn ein Vertragsstaat eine Bestimmung anders auslegt als der andere und im Ergebnis jeder das Besteuerungsrecht des jeweils anderen Staats annimmt. Abhilfe sollen in diesen Fällen Verständigungsvereinbarungen der Finanzverwaltungen beider Staaten schaffen.
Solche Verständigungsvereinbarungen sind - so der BFH - völkerrechtlich verbindlich und binden deshalb auch die beteiligten Finanzverwaltungen. Das gilt jedoch nicht für die Finanzgerichte. Diese entscheiden nur nach dem Gesetz - also dem DBA -, und nicht auf der Basis von Verwaltungsvereinbarungen. Ohne gesetzliche Legitimation dürfen die Vereinbarungen nicht zulasten der Steuerzahler gehen. Arbeitnehmer müssen es daher nicht hinnehmen, dass für eine Abfindung Deutschland nach dem DBA kein Besteuerungsrecht zusteht, nach der Verständigungsvereinbarung dagegen schon. Ob das im jeweiligen Vertragsstaat anders gehandhabt wird, ist unerheblich, so ausdrücklich der BFH.
Besteuerung von Abfindungen
Deutschland hat deshalb nach Ansicht des BFH in den folgenden zwei Fällen kein Besteuerungsrecht für eine bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung:
- Ein in Deutschland arbeitender und in Belgien wohnender Arbeitnehmer erhält von seinem Arbeitgeber in Deutschland eine Abfindung.
Hintergrund: Belgien und Deutschland sind sich einig, dass der laufende Arbeitslohn in Deutschland zu versteuern ist. Für eine Abfindung gilt das aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung nicht. Belgien sieht das Besteuerungsrecht für Abfindungen jedoch in Deutschland. Die Verständigungsvereinbarung ordnet das Besteuerungsrecht Deutschland zu. Aus Sicht des BFH fehlt für das Geltendmachen dieses Rechts gegenüber dem Arbeitnehmer aber die Rechtsgrundlage (Urteil vom 2.9.2009, Az: I R 90/08; Abruf-Nr. 093567).
- Ein bisher in Deutschland arbeitender Arbeitnehmer zieht in die Schweiz und erhält nach seinem Wegzug eine Abfindung von seinem früheren Arbeitgeber in Deutschland. Auch hier sieht der BFH auf der Basis des DBA keine Möglichkeit, die gezahlte Abfindung nach Maßgabe der Verständigungsvereinbarung in Deutschland zu besteuern (Urteil vom 2.9.2009, Az: I R 111/08; Abruf-Nr. 093566093566).
BFH entscheidet auch zur „überdachenden Besteuerung“
Im Schweiz-Fall befasste sich der BFH zusätzlich mit der „überdachenden Besteuerung“ (Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz). Danach kann bei einer in der Schweiz ansässigen natürlichen Person, die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt und in Deutschland mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war, Deutschland in dem Jahr, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, und in den folgenden fünf Jahren die aus Deutschland stammenden Einkünfte und die in Deutschland belegenen Vermögenswerte ungeachtet anderer DBA-Bestimmungen besteuern.
Das gilt aber nicht, wenn der Steuerzahler in die Schweiz umgezogen und dort „ansässig“ geworden ist, um eine unselbstständige Arbeit auszuüben. Die Absicht zur Arbeitsaufnahme muss dabei nicht einziges oder Hauptmotiv für den Umzug sein. Es reicht, wenn beim Umzug neben anderen Motiven (im Urteilsfall war die Arbeitnehmerin auch in die Schweiz gezogen, um dort mit ihrem künftigen Mann zusammenleben zu können) auch die Absicht zur Arbeitsaufnahme in der Schweiz besteht. Arbeitgeber, Arbeitsplatz oder die Art der konkret auszuübenden Tätigkeit müssen dabei nicht schon zum Zeitpunkt des Umzugs feststehen.
Unser Tipp: Theoretisch kann die zum Zeitpunkt des Umzugs vorhandene Absicht zur Arbeitsaufnahme in der Schweiz sogar dann ausreichen, wenn diese Absicht später endgültig aufgegeben wird! Im Urteilsfall verhandelte die Arbeitnehmerin schon im Juli 2005 mit einem Schweizer Unternehmen über die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses. Die Verhandlungen scheiterten. Im Dezember 2006 trat sie dann aber tatsächlich ein Arbeitsverhältnis in der Schweiz an. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hatte sie beim Umzug eindeutig die Absicht zur Arbeitsaufnahme in der Schweiz. Daran sah sich auch der BFH revisionsrechtlich gebunden.
BFH entscheidet auch zur Anwendung der „Rückfallregelung“
Auch im Belgien-Fall entschied der BFH eine weitere Frage zugunsten der Steuerzahler. Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach dem DBA in Deutschland steuerfrei, behandelt Deutschland sie trotzdem als steuerpflichtig, wenn der Vertragsstaat das DBA so anwendet, dass sie bei ihm nicht oder nur mit einem durch das DBA begrenzten Steuersatz besteuert werden („Rückfallregelung“; § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Beachten Sie: Die „Rückfallregelung“ setzt eine Ansässigkeit in Deutschland voraus. Davon nicht erfasst werden deshalb Steuerzahler, die zwar in Deutschland auf Antrag als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden (§ 1 Abs. 3 EStG), tatsächlich aber nicht in Deutschland ansässig sind. Die Abfindung an den in Belgien wohnenden Arbeitnehmer durfte daher auch nicht nach der „Rückfallregelung“ in Deutschland besteuert werden.
AUSGABE: LGP 1/2010, S. 9 · ID: 132731