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KapitalgesellschaftenForderungsverzicht des GmbH-Gesellschafters mit Besserungsabrede – BFH klärt wichtige Fragen

Abo-Inhalt01.09.2025140 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Hans Ott, StB vBP, Köln

| Bei einer GmbH, die in eine wirtschaftliche Krise geraten ist, sind oftmals Maßnahmen zur Sanierung unumgänglich, um z. B. eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden oder zumindest eine bilanzielle Überschuldung zu beseitigen. Neben der Zuführung von frischem Eigenkapital (vgl. Ott, GStB 23, 456) werden auch Maßnahmen zur finanziellen Restrukturierung diskutiert, die sich positiv auf der Passivseite der Bilanz auswirken. Häufig kommt dann in der Praxis der Forderungsverzicht mit oder ohne Besserungsabrede ins Spiel (vgl. dazu bereits Ott, GStB 25, 26). Inzwischen hat der BFH (19.11.24, VIII R 8/22, DStR 25, 256) wichtige Fragen zur Behandlung bei einem darlehensgebenden Gesellschafter geklärt, der an der GmbH i. S. v. § 17 EStG beteiligt ist. |

1. Steuerliche Folgen des Forderungsverzichts bei der GmbH

Im Gegensatz zu einem unbedingten Forderungsverzicht wird bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede (Besserungsschein) die zugrunde liegende Forderung nach § 397 i. V. m. § 158 Abs. 2 BGB auflösend bedingt mit der Maßgabe erlassen, dass die Forderung wieder auflebt, wenn sich die wirtschaftliche Lage der GmbH verbessert hat und eine Tilgung aus dem die Schulden übersteigenden Vermögen möglich ist. Das Darlehen wird in temporäres Eigenkapital umqualifiziert und wird erst bei Eintritt des Besserungsfalls wieder zu Fremdkapital (vgl. BMF 2.12.03, IV A 2 – S 2743 – 5/03, BStBl I 03, 648). Der Forderungsverzicht mit Besserungsabrede, der die korrespondierende Verbindlichkeit auf der Gesellschaftsebene entfallen lässt und einen Wegfallgewinn auslöst, trägt zur Beseitigung oder zumindest zu einer Verringerung der bilanziellen Überschuldung bei.

2. Das wegweisende BFH-Urteil vom 19.11.24

Im Streitfall hatte der zu 12,8 % beteiligte Kommanditist seiner wirtschaftlich angeschlagenen GmbH & Co. KG (KG) mit Vertrag vom 6.2.09 ein nachrangiges Darlehen i. H. v. 128.000 EUR gewährt, das mit 4,5 % p. a. zu verzinsen war. Im selben Jahr wurde die KG mit Rückwirkung zum 31.12.08, 24:00 Uhr, im Wege des Formwechsels in eine GmbH umgewandelt, an deren Stammkapital der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer weiterhin zunächst mit 12,8 % und später mit 11,16 % beteiligt war.

Im Anschluss an den Formwechsel verzichteten alle Gesellschafter im Jahr 2009 auf die Darlehensansprüche gegenüber der GmbH unter der auflösenden Bedingung, dass die GmbH wirtschaftlich in der Lage sei, sämtliche Darlehen in voller Höhe aus einem Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen („Besserungsschein“). Zum Zeitpunkt des Verzichts war die Darlehensforderung noch zu 34 % werthaltig (= 43.520 EUR). Die GmbH, die den Wegfallgewinn aus dem Darlehensverzicht in ihrem Jahresabschluss 2009 in vollem Umfang als sonstigen betrieblichen Ertrag erfasste, erwirtschaftete auch in den Folgejahren Verluste, sodass im Jahr 2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wurde.

Der BFH hat zunächst bestätigt, dass – unabhängig vom Vorliegen einer Besserungsabrede – beim Forderungsverzicht zwischen dem werthaltigen und dem nicht mehr werthaltigen Teil der Darlehensforderung zu differenzieren ist:

  • Der im Verzichtszeitpunkt werthaltige Teil des Darlehens (= 43.520 EUR) stellt eine verdeckte Einlage dar, die zu einem Zufluss von Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG führt. Der Zufluss der Forderung wird mit den darauf entfallenden Anschaffungskosten der Darlehensforderung beim Darlehensgeber in gleicher Höhe verrechnet, sodass ein Einlagegewinn von 0 EUR entstanden ist. Ohne dass der BFH hierauf explizit eingegangen ist, erhöhen sich aufgrund der verdeckten Einlage auch die Anschaffungskosten der Anteile an der GmbH um 43.520 EUR. Auf der Ebene der GmbH – deren steuerliche Folgen nicht Gegenstand der Entscheidung waren – wird der aus dem Forderungsverzicht resultierende Wegfallgewinn i. H. v. 128.000 EUR außerbilanziell nach § 8 Abs. 3 S. 3 KStG um 43.520 EUR gekürzt und führt in gleicher Höhe zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG.
  • Der nicht mehr werthaltige Teil der Forderung (= 84.480 EUR) führt dagegen zu einem Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 1 EStG.

Die besondere Bedeutung des o. a. Urteils vom 19.11.24 besteht darin, dass der BFH erstmals entschieden hat, dass der Abtretungsverlust bereits im Verzichtszeitpunkt nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 i. V. m. Abs. 4 EStG entsteht. Er hat damit der Verwaltungsansicht (vgl. BMF 19.5.22, IV C 1 – S 2252/19/10003 :009, BStBl I 22, 742, Rn. 62) eine klare Absage erteilt, wonach bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede der Abtretungsverlust erst zu berücksichtigen ist, wenn feststeht, dass der Besserungsschein wegfällt, ohne dass die Besserung eingetreten ist. In dem inzwischen neu gefassten BMF-Schreiben vom 14.5.25 (IV C 1 – S 2252/00075/016/070, BStBl I 25, 1330) zu Einzelfragen zur Abgeltungsteuer hat sich die Finanzverwaltung offensichtlich dem BFH – jedoch ohne Bezugnahme auf das Urteil vom 19.11.24 – angeschlossen, weil in der dortigen Rn. 62 die zuvor vertretene Ansicht nicht mehr enthalten ist.

Nach Ansicht des BFH führt auch der Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich zum sofortigen Wegfall der Forderung. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige mit dem Verzicht über die sonstige Kapitalforderung freiwillig disponiert, weil § 20 Abs. 2 EStG nicht danach differenziert, ob Verluste zwangsläufig eintreten oder willentlich herbeigeführt werden. Mit dem Verzicht auf die Darlehensforderung unter Besserungsvorbehalt erwirbt der Gläubiger zwar zunächst eine als gesicherte Rechtsposition anzusehende Besserungsanwartschaft. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Surrogat für die erloschene Forderung, sondern es liegt ein eigenständiges und verkehrsfähiges Wirtschaftsgut vor. Es kommt nicht zu einer Abspaltung von Anschaffungskosten der Forderung. Vielmehr entsprechen die Anschaffungskosten der Besserungsanwartschaft dem nicht mehr werthaltigen Teil der untergegangenen Forderung und betragen somit 0 EUR.

Das Urteil vom 19.11.24 ist zwar zu einem Darlehensverzicht vor Einführung des § 17 Abs. 2a EStG und vor der Änderung der Rechtsprechung des BFH mit dem Grundsatzurteil vom 11.7.17 (IX R 36/15, BStBl II 19, 208) zur Behandlung von ausgefallenen Finanzierungshilfen des Gesellschafters ergangen. Gleichwohl gelten die Grundsätze zur zeitlichen Erfassung des Abtretungsverlusts im Hinblick auf den nicht mehr werthaltigen Teil einer Darlehensforderung auch nach der Einfügung des § 17 Abs. 2a EStG.

Merke | Nach § 52 Abs. 25a EStG ist § 17 Abs. 2a EStG für alle Veräußerungen nach dem 31.7.19 bzw. auf Antrag auch früher anzuwenden. Mit Urteil vom 11.7.17 hat der BFH im Sinne einer Vertrauensschutzregelung die Fortgeltung der zuvor geltenden Grundsätze bis zum 27.9.17 angeordnet. Nach dem BFH-Urteil vom 20.2.24 (IX R 12/23, BStBl II 25, 13) besteht jedoch kein Wahlrecht, auf den eingeräumten Vertrauensschutz zu verzichten, wenn der Steuerpflichtige die rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG nicht beantragt hat.

3. Berücksichtigung des Abtretungsverlusts nach § 20 Abs. 2 EStG

Die Berücksichtigung des Abtretungsverlusts nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2 EStG ist kumulativ nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • Das Darlehen ist gemäß § 52 Abs. 28 S. 16 EStG nach dem 31.12.08 begründet worden, wobei nach dem BFH-Urteil vom 18.6.24 (VIII R 25/13, DStR 24, 1798) der vertragliche Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers im Zeitpunkt des wirksamen Abschlusses des Darlehensvertrags „begründet“ wird,
  • der Steuerpflichtige hat für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen (vgl. BFH 6.8.19, VIII R 18/16, BStBl II 20, 833) und
  • im Zeitpunkt der Darlehensgewährung muss eine Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen haben.

Im Streitfall waren alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, weil der Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der ehemaligen KG am 6.2.09 zustande gekommen war. Der rückwirkende Formwechsel der KG in die GmbH nach § 25 i. V. m. §§ 20 ff. UmwStG hat hieran nichts geändert. Denn die auch steuerlich beachtliche Rückbeziehung der Rechtsfolgen des Formwechsels bewirkt nicht, dass im Rückwirkungszeitraum Verträge zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter als bereits im Zeitpunkt der Einbringung abgeschlossen gelten. Im Übrigen war als steuerlicher Umwandlungsstichtag der 1.1.09, 00:00 Uhr festgelegt, sodass ohnehin ab diesem Zeitpunkt alle seither getätigten Geschäfte als für Rechnung der GmbH geführt behandelt wurden.

Auch das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht hat der BFH im o. a. Urteil vom 19.11.24 bestätigt, denn diese wird im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer widerlegbar vermutet und fehlt nur dann, wenn die Erzielung positiver Einkünfte von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nur im Zeitpunkt der Darlehensgewährung zu prüfen und nicht erneut bei Kriseneintritt (vgl. BMF 7.6.22, IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897, Rn. 22 und 23).

Beachten Sie | Im Anschluss an die Rechtsprechung des IX. Senats (BFH 20.6.23, IX R 2/22, BFH/NV 23, 1257) ist nach Ansicht des BFH eine Gesamtbetrachtung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbeteiligung vorzunehmen (so auch BMF 7.6.22, IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897, Rn. 22). Im Streitfall war nämlich nicht auszuschließen, dass der Darlehensgeber mittel- bis langfristig positive Beteiligungserträge oder einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der GmbH erzielen konnte. Die Vermutung der Einkünftererzielungsabsicht gilt unabhängig davon, ob die Verluste aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Darlehensforderung in einem zweiten Schritt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b i. V. m. § 52 Abs. 33b EStG aus dem Abgeltungsteuertarif ausgeschlossen werden. Denn diese Ausschlussregelung, die an die jeweiligen Einkünfte anknüpft, wirkt nicht in die Einkünfteermittlung selbst hinein.

Abgesehen von Altfällen hat die Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG seit der Änderung des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG durch das JStG 2020 (BGBl. I 20, 3096) steuerlich an Attraktivität verloren. Zuvor waren GmbH-Gesellschafter mit einer Mindestbeteiligung von 10 % von der Anwendung des Abgeltungsteuertarifs ausgeschlossen und konnten Ausfall- oder Abtretungsverluste eines Darlehens nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2 EStG als tariflichen Verlust geltend machen, wenn der Ausfall noch bis zum 31.12.20 eingetreten war (vgl. BMF 7.6.22, IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897, Rn. 30). Gleichzeitig war in diesen Fällen auch die Anwendung von § 20 Abs. 6 und 9 EStG ausgeschlossen, sodass eine vertikale Verlustverrechnung mit anderen Einkünften uneingeschränkt möglich war.

Aufgrund der Einführung eines Korrespondenzprinzips in § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG durch das JStG 2020 sind Kapitalerträge aus Darlehen, die von Gesellschaftern mit einer Mindestbeteiligung von 10 % nach dem 31.12.20 erzielt werden, nur noch dann aus der Abgeltungsteuer ausgeschlossen, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1 zweiter Halbsatz EStG keine Anwendung findet (vgl. dazu BMF 7.6.22, Rn. 27 ff. sowie BMF 14.5.25, Rn. 135). Bei einem Forderungsverzicht stehen dem Abtretungsverlust jedoch keine Zahlungen der Schuldner-GmbH gegenüber, die nach dem Korrespondenzprinzip Betriebsausgaben der GmbH sind. Ein Ausschluss aus dem Abgeltungsteuertarif kam bereits für Neudarlehen ab dem VZ 21 damit nicht mehr in Betracht.

Beachten Sie | Lediglich für Darlehen, deren rechtliche Grundlage vor dem 1.1.21 begründet wurde (sog. Altfälle), ist nach der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 33b EStG die verschärfte Fassung des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG erst ab dem VZ 24 anzuwenden. Spätestens ab dem VZ 24 fallen Abtretungsverluste nach § 20 Abs. 2 EStG unter die vertikale Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 1 und 2 EStG.

Nach der rückwirkenden Aufhebung des § 20 Abs. 6 S. 5 EStG durch das JStG 2024 (BGBI I 24, Nr. 387) für alle noch offenen Fälle können solche Abtretungsverluste nach § 20 Abs. 6 S. 1 EStG nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch – nunmehr ohne die zuvor geltende jährliche Begrenzung auf 20.000 EUR – nach § 20 Abs. 6 S. 2 EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden VZ aus Kapitalvermögen erzielt. Eine Verrechnung von Darlehensverlusten setzt aber voraus, dass überhaupt positive Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen.

4. Subsidiaritätsregelung des § 20 Abs. 8 S. 1 EStG

Nach Ansicht des BFH steht der Berücksichtigung des Abtretungsverlusts nach § 20 Abs. 2 EStG die vorrangige Einbeziehung in einen Veräußerungs- oder Aufgabeverlust nach § 17 EStG i. V. m. § 20 Abs. 8 S. 1 EStG nicht entgegen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des IX. Senats (u. a. BFH 14.11.23, IX R 3/23, BFH/NV 24, 280) geht auch der VIII. Senat nun davon aus, dass § 20 Abs. 2 EStG von § 17 EStG nur verdrängt wird, wenn und soweit sich der Ausfall- oder Abtretungsverlust bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Dies setzt – anders als im Streitfall – insbesondere voraus, dass der Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben VZ verwirklicht werden. Daraus folgt auch, dass § 20 Abs. 2 EStG zur Anwendung kommt, wenn ein Ausfall- oder Abtretungsverlust im selben VZ nach § 17 Abs. 4 EStG nur i. H. v. 0 EUR zu berücksichtigen ist.

Unerheblich ist, ob der Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung ggf. zu einem späteren Zeitpunkt zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung i. S. d. § 17 EStG führen könnte. Im Streitfall lag nämlich ein sog. Krisendarlehen i. S. d. Rn. 11 bis 15 des o. a. BMF-Schreibens vom 7.6.22 vor. Solche Krisendarlehen (krisenbestimmte oder in der Krise hingegebene Darlehen bzw. Finanzplandarlehen) führen – veranlagungszeitraumübergreifend – nach den im Streitfall noch fortgeltenden Grundsätzen zum normspezifischen Anschaffungskostenbegriff – zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung, wenn später ein Veräußerungstatbestand i. S. d. § 17 Abs. 1 oder 4 EStG verwirklicht wird.

Mit der (vorläufigen) Berücksichtigung des Abtretungsverlusts nach § 20 Abs. 2 EStG entfällt auch die Prüfung, ob der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung später zu nachträglichen Anschaffungskosten hätte führen können. Eine solche Prognose birgt nämlich ein doppeltes Risiko: Ebenso wie eine doppelte Nichtberücksichtigung des Verlusts (vgl. von Freeden, DB 25, 836) besteht die Gefahr einer möglichen Doppelberücksichtigung, wenn der bereits im Verzichtsjahr als Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigte Darlehensverzicht in einem späteren VZ (ganz oder zum Teil) auch im Rahmen der Einkünfteermittlung nach § 17 EStG (z. B. bei Auflösung der Gesellschaft) relevant sein könnte. Zwecks Vermeidung einer Doppelberücksichtigung ein und desselben Verlusts ist nach Ansicht des BFH eine Korrektur auf verfahrensrechtlicher Grundlage erforderlich.

Merke | Leider hat der BFH die Angabe einer entsprechenden Korrekturnorm offengelassen. In Betracht käme neben § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (so BMF 14.5.25, IV C 1 – S 2252/00075/016/070, BStBl I 25, 1330, Rn. 62) auch § 174 Abs. 2 AO (so BMF 7.6.22, IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897, Rn. 34).

Im Zusammenhang mit einem Forderungsverzicht ist somit zu beachten, dass bei einem Krisendarlehen in Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung ein Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG ggf. nur temporär erfasst wird. Der entsprechende Steuerbescheid wird dann später geändert, weil der Abtretungsverlust z. B. bei Auflösung der Gesellschaft nach § 17 Abs. 4 EStG – veranlagungszeitraumübergreifend – als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. v. 17 EStG berücksichtigt wird.

Zur steuerlichen Behandlung des Forderungsverzichts mit Besserungsabrede in Neufällen nach dem Inkrafttreten des § 17 Abs. 2a EStG existiert derzeit noch keine Finanzrechtsprechung. Geht man davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 17 Abs. 2a EStG die frühere Rechtsprechung zum normspezifischen Anschaffungskostenbegriff wiederherstellen wollte (vgl. BFH 18.7.22, IX R 21/21, BStBl II 24, 169; vgl. auch Levedag in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 181 f.), dürften bei Verzicht auf ein Krisendarlehen auch in Neufällen die vorstehend skizzierten Grundsätze entsprechend gelten.

5. Forderungsverzicht bei stehen gelassenen Darlehen

Das o. a. BFH-Urteil vom 19.11.24 ist zu einem gesellschaftsrechtlich veranlassten Krisendarlehen ergangen. Eine Sonderrolle haben stets sog. stehen gelassene Darlehen eingenommen, sodass sich die Frage nach der steuerlichen Behandlung bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede für diese Fallgruppe besonders stellt.

Sowohl nach alter Rechtslage als auch im Anwendungsbereich von § 17 Abs. 2a EStG liegt begrifflich ein stehen gelassenes Darlehen vor, wenn vor Eintritt der Krise ein Darlehen zu fremdüblichen Konditionen gewährt worden ist, das der Gesellschafter bei Eintritt der Krise stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein könnte (vgl. BMF 21.10.10, IV C 6 – S 2244/08/10001, BStBl I 10, 832, Pkt. 3b; 7.6.22, IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897, Rn. 16). Im Übrigen ist ein stehen gelassenes Darlehen nur anzunehmen, wenn die Krise zeitlich vor Beginn des einjährigen Anfechtungszeitraums nach § 6 AnfG entstanden ist.

Beachten Sie | Bei einem Kriseneintritt erst nach Beginn des Anfechtungszeitraums liegt nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine gesetzliche Krisenbestimmungsabrede vor. Das stehen gelassene Darlehen wird dann wie ein gesellschaftsrechtlich veranlasstes Krisendarlehen behandelt.

Nach dem früher geltenden normspezifischen Anschaffungskostenbegriff des § 17 EStG führte nur der im Zeitpunkt des Kriseneintritts noch werthaltige Teil der Darlehensforderung zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Der Wert einer solchen Forderung betrug zu diesem Zeitpunkt oftmals bereits 0 EUR, sodass eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 EStG in vielen Fällen nicht möglich war.

Mit Urteil vom 18.7.23 (IX R 21/21, BStBl II 24, 169) hat der BFH entschieden, dass bei einem stehen gelassenen Darlehen der nicht mehr werthaltige Teil der Darlehensforderung im Zeitpunkt des Forderungsverzichts nicht unter den unbestimmten Begriff „Darlehensverlust“ i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG fällt. Somit ist der bis zum Kriseneintritt erlittene Wertverlust nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen (Darlehensgewährung nach dem 31.12.08 und Einkünfteerzielungsabsicht) im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen.

Der BFH hat damit die in Rn. 17 und 18 im o. a. BMF-Schreiben vom 7.6.22 vertretene Verwaltungsauffassung bestätigt. Nach der Verwaltungsauffassung ist bei einem stehen gelassenen Darlehen daher eine Wertfeststellung zum Zeitpunkt des Kriseneintritts und zum späteren Verzichtszeitpunkt vorzunehmen (zu dieser zweifachen Wertfeststellung vgl. bereits Ott, GStB 25, 26, 31). In Anlehnung an das Beispiel 2 in Rn. 18 des o. a. BMF-Schreibens vom 7.6.22 führt die zweifache Wertfeststellung zu folgenden Konsequenzen:

Beispiel 1

A ist seit der Gründung zu 100 % an der A-GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 EUR beteiligt. Am 1.1.01 gewährt der A der A-GmbH ein fremdüblich verzinstes Darlehen i. H. v. 100.000 EUR. Am 1.7.04 tritt die Krise der A-GmbH ein und A lässt das Darlehen stehen. Das Darlehen hat zu diesem Zeitpunkt einen Wert von 50.000 EUR. Am 1.3.05 verzichtet A auf das Darlehen, das zu diesem Zeitpunkt noch einen Wert von 20.000 EUR hat. Nach der insolvenzbedingten Auflösung der A-GmbH zum 30.9.06 erhält A keine Zahlungen mehr von der A-GmbH.

Ereignis

Darlehensgewährung am 1.1.01

Eintritt der Krise am 1.7.04

Darlehensverzicht am 1.3.05

Auflösung zum 30.9.06

Wert des Darlehens

100.000 EUR

50.000 EUR

20.000 EUR

0 EUR

Nachträgliche AK nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG

20.000 EUR

Nachträgliche AK nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG

30.000 EUR

Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG

50.000 EUR

Lösung zu Beispiel 1: Mit dem Stehenlassen des Darlehens bei Eintritt der Krise am 1.7.04 tritt die gesellschaftsrechtliche Veranlassung ein. Der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr werthaltige Teil der Forderung (50.000 EUR) kann im Verzichtszeitpunkt (also im VZ 05) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen berücksichtigt werden. Im Zeitpunkt der Auflösung (also im VZ 06) können neben dem Verlust des eingezahlten Stammkapitals von 50.000 EUR (ursprüngliche Anschaffungskosten) noch 20.000 EUR als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG (verdeckte Einlage) und 30.000 EUR als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG geltend gemacht werden.

In Höhe der verdeckten Einlage wird der Wegfallgewinn aus dem Forderungsverzicht auf der Ebene der A-GmbH nach § 8 Abs. 3 S. 3 KStG gekürzt und in gleicher Höhe liegt ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG vor. In Bezug auf die auflösungsbedingt untergegangenen Anteile an der A-GmbH ergibt sich im VZ 06 folgender Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG:

Wert des zugeteilten Vermögens aus der Auflösung

0 EUR

ursprüngliche Anschaffungskosten der Anteile an der A-GmbH

– 50.000 EUR

nachträgliche Anschaffungskosten (verdeckte Einlage)

– 20.000 EUR

nachträgliche Anschaffungskosten (Darlehensverlust)

– 30.000 EUR

Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG

– 100.000 EUR

Zu berücksichtigen nach dem Teileinkünfteverfahren (60 %)

– 60.000 EUR

Daneben war bereits im VZ 05 ein Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen.

6. Steuerliche Folgen bei Eintritt des Besserungsfalls

Der BFH musste im o. a. Urteil vom 19.11.24 nicht zu den steuerlichen Folgen Stellung nehmen, wenn nach einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede später tatsächlich der Besserungsfall eintritt. Hierzu äußert sich die Finanzverwaltung in Rn. 62 des o. a. BMF-Schreibens vom 14.5.25 (IV C 1 – S 2252/00075/016/070, BStBl I 25, 1330) in einem Beispiel wie folgt:

Beispiel 2

GmbH-Gesellschafter A verzichtet im Juli 10 auf eine im Januar 09 begründete Gesellschafterforderung gegen Besserungsschein. Der Nominalwert der Forderung beträgt im Zeitpunkt des Verzichts 100.000 EUR, der Teilwert dagegen nur 10.000 EUR. Im Jahr 11 tritt der Besserungsfall ein und A erhält eine Darlehensrückzahlung von 100.000 EUR.

Lösung zu Beispiel 2: A erzielt durch den Forderungsverzicht zunächst Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 10.000 EUR. Insoweit liegt eine verdeckte Einlage vor, die auch zu nachträglichen Anschaffungskosten der GmbH-Anteile führt. Da die Forderung zum Nominalwert angeschafft (hingegeben) wurde, die Anschaffungskosten dieses Teils der Forderung also 10.000 EUR betragen, beläuft sich der anteilige Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG auf 0 EUR. In Höhe des Verzichts auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung von 90.000 EUR erleidet A im Zeitpunkt des Verzichts einen Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG.

Das Wiederaufleben der Forderung und damit des schuldrechtlichen Veranlassungszusammenhangs nach Eintritt der Besserung mindert die Beteiligungsanschaffungskosten um 10.000 EUR. In Höhe von 90.000 EUR erzielt A durch das Wiederaufleben der Forderung positive Einkünfte nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG. Die Tilgung der Kapitalforderung führt beim Gesellschafter A zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 100.000 EUR. Da diesen Einnahmen nach Wiederaufleben des Veranlassungszusammenhangs die ursprünglichen Anschaffungskosten von 100.000 EUR gegenüberstehen, betragen die Einkünfte des A i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG somit 0 EUR. Sofern für das Jahr 10 die verdeckte Einlage bei der ESt-Festsetzung bereits berücksichtigt wurde, ist diese gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Aus dem Beispiel ergibt sich, dass mit dem Wiederaufleben der Forderung bei Eintritt der Besserung zwei Konsequenzen eintreten:

  • 1. Die zuvor im Verzichtszeitpunkt um die verdeckte Einlage von 10.000 EUR erhöhten Anschaffungskosten der Beteiligung mindern sich wieder in gleicher Höhe.
  • 2. Der Darlehensgeber erzielt positive Einkünfte nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 90.000 EUR.

Ohne Angabe einer Rechtsgrundlage geht die Finanzverwaltung offensichtlich davon aus, dass bei Eintritt des Besserungsfalls „spiegelbildlich“ zum Forderungsverzicht eine „negative verdeckte Einlage“ vorliegt, die zu einer Minderung der Anteilsanschaffungskosten nach § 17 EStG führt. Auf der Ebene der GmbH wird dann ebenfalls spiegelbildlich das steuerliche Einlagekonto – im Wege des Direktzugriffs – wieder vermindert und kann ggf. auch negativ werden (vgl. Dötsch/Werner in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG, Rn. 63, Stand: 12/2023).

Eine solche Handhabung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des § 27 KStG. Und die BFH-Rechtsprechung hat – jedenfalls bisher – eine Minderung der Anschaffungskosten nur im Fall einer Einlagenrückgewähr durch eine Leistung der Kapitalgesellschaft i. S. v. § 27 Abs. 1 S. 3 KStG angenommen und einen Direktzugriff – abgesehen von den gesetzlich zulässigen Fällen nach §§ 27 Abs. 6 und 28 Abs. 2 S. 3 KStG – auf das steuerliche Einlagekonto abgelehnt (vgl. BFH 30.1.13, I R 35/11, BStBl II 13, 560).

Nach der „spiegelbildlichen Betrachtung“ soll bereits das Wiederaufleben der Forderung zu positiven Einkünften nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 90.000 EUR führen und nicht erst die spätere Tilgung der Forderung. Fraglich ist, ob für einen Zufluss die Wiedereinbuchung der Darlehensverbindlichkeit ausreicht, weil der Steuerpflichtige noch nicht über die Darlehenssumme verfügen kann. Üblicherweise fließen dem Steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 EStG regelmäßig erst dann zu, wenn er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Kapitaleinkünfte hat. Nach der Lösung zum vorstehenden Beispiel führt die tatsächliche Darlehenstilgung zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG, denen jedoch – nach Wiederaufleben des Veranlassungszusammenhangs – die ursprünglichen Anschaffungskosten der Darlehensforderung von 100.000 EUR gegenüberstehen, sodass die Einkünfte bei A insgesamt 0 EUR betragen.

Bemerkenswert ist zudem, dass laut Finanzverwaltung ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO vorliegen soll, sofern die verdeckte Einlage im Jahr des Forderungsverzichts bei der ESt-Festsetzung bereits berücksichtigt wurde. Von einer solchen Berücksichtigung kann indes nur der Zufluss des werthaltigen Teils der Forderung im Jahr des Verzichts gemeint sein. Die zum selben Zeitpunkt eintretende Erhöhung der Anteils-Anschaffungskosten wird dagegen erst bei Verwirklichung des Veräußerungstatbestands i. S. d. § 17 EStG relevant. Nicht denkbar ist der Eintritt des Besserungsfalls erst nach der Liquidation der GmbH gemäß § 17 Abs. 4 EStG, bei der ebenfalls erhöhte Anteils-Anschaffungskosten berücksichtigt werden könnten.

Beachten Sie | Die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses ist auch deshalb überraschend, weil der BFH entschieden hat, dass der Eintritt der Besserung nach einem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede keine Rückwirkung entfaltet (vgl. BFH 19.11.24, VIII R 8/22, DStR 25, 256; 24.10.17, VIII R 19/16, BStBl II 19, 34). Bis zu einer endgültigen Klärung durch die Finanzrechtsprechung bleibt daher abzuwarten, ob die im o. a. BMF-Schreiben vom 14.5.25 dargestellte Ansicht zutreffend ist. Beabsichtigt der Steuerpflichtige eine von der Verwaltungsauffassung abweichende Handhabung, ist ein entsprechender Hinweis in der Steuererklärung erforderlich.

7. Veräußerung der Beteiligung und des Besserungsanspruchs

In einer Abwandlung zum vorstehenden Beispiel (bei ansonsten gleichen Ausgangsdaten und einer Darlehensforderung i. H. v. 100.000 EUR) äußert sich die Finanzverwaltung auch zu den steuerlichen Folgen, wenn A sowohl seine GmbH-Anteile als auch den Besserungsanspruch jeweils für 1 EUR im Jahr des Forderungsverzichts an B veräußert und anschließend der Besserungsfall eintritt.

Für A liegt unverändert eine verdeckte Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung vor, die zu einem Abtretungsgewinn nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG von 0 EUR führt. Im Gegensatz zum Grundfall ergibt sich nunmehr im Jahr des Forderungsverzichts ein Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 89.999 EUR (90.000 EUR abzgl. 1 EUR Veräußerungspreis für den Besserungsanspruch). Ohne ausdrückliche Erwähnung in der Lösung zur Abwandlung des Beispiels ergibt sich für A ein nach dem Teileinkünfteverfahren zu berücksichtigender Verlust nach § 17 EStG aus der Veräußerung seiner GmbH-Anteile. Dem Veräußerungspreis sind dabei seine ursprünglichen Anschaffungskosten zuzüglich der nachträglichen Anschaffungskosten aus der verdeckten Einlage in Höhe des werthaltigen Teils seiner Darlehensforderung gegenüberzustellen.

Die Tilgung des Darlehens führt bei B zu Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 99.999 EUR (Tilgung von 100.000 EUR abzgl. Anschaffungskosten des Besserungsanspruchs von 1 EUR). Sofern B – wie im Beispielsfall – an der GmbH zu mindestens 10 % beteiligt ist, findet § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG Anwendung, sodass die Einkünfte von 99.999 EUR nicht der Abgeltungsteuer, sondern der Tarifbesteuerung unterliegen.

Völlig offen bleibt im Übrigen, ob eine Änderung der ESt-Festsetzung vorzunehmen ist, weil nunmehr bei A die aus dem Forderungsverzicht resultierende verdeckte Einlage bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts nach § 17 EStG berücksichtigt worden ist. Eine rückwirkende Änderung dürfte bei A jedoch nicht eintreten, weil diesem im Besserungsfall keine Darlehensrückzahlungen mehr zufließen. Auch eine Minderung der Anschaffungskosten beim Erwerber B dürfte nicht eintreten, weil bereits die Tilgung der wieder aufgelebten Kapitalforderung zu steuerpflichtigen Einkünften nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG führt. Somit ist kein Grund ersichtlich, bei B zusätzlich eine Minderung seiner Anteilsanschaffungskosten vorzunehmen. Andernfalls ergäben sich dann insgesamt negative Anschaffungskosten von insgesamt 9.999 EUR (Anschaffungskosten von 1 EUR abzgl. 10.000 EUR), sodass auch zu klären wäre, ob dann in dieser Höhe ein Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) entsteht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass auf der Ebene der GmbH keine tatsächliche Leistung und damit auch keine Einlagenrückgewähr i. S. d. § 27 KStG vorliegt.

8. Künftige Behandlung eines Abtretungsverlusts nach § 17 Abs. 2a EStG

Mit der Änderung der Rechtsprechung durch das BFH-Urteil vom 11.7.17 (IX R 36/15, BStBl II 19, 208) und der Fortgeltungsanordnung bis zum 27.9.17 (vgl. BMF 5.4.19, IV C 6 – S 2244/18/10001, BStBl I 19, 257) war eine komplexe und zum Teil für die Praxis unübersichtliche Rechtslage bei ausgefallenen Gesellschafterdarlehen entstanden. Im Geltungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG sowie unter Berücksichtigung der Änderungen in § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 20 Abs. 6 EStG ist die Rechtslage wieder deutlich praktikabler geworden. Denn seit dem VZ 24 gilt für Ausfall- und Abtretungsverluste bei nach dem 31.12.08 gewährten Darlehen eines i. S. v. § 17 EStG beteiligten Gesellschafters:

Übersicht / 

Ausfall

Verzicht

Veräußerung

Krisendarlehen

Nennwert als nachträgliche AK i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG; wegen § 20 Abs. 8 S. 1 EStG keine Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG

Werthaltiger Teil im Verzichtszeitpunkt: nachträgliche AK als verdeckte Einlage nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG

Nicht werthaltiger Teil im Verzichtszeitpunkt: (vorläufige) Berücksichtigung als Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG

Aber: bei späterer Realisation nach § 17 EStG: nachträgliche AK als Darlehensverlust i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG (verfahrensrechtliche Korrektur des Abtretungsverlusts nach § 20 Abs. 2 EStG)

Grundsätzlich: Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG

Soweit verdeckte Einlage vorliegt: nachträgliche AK nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG

Stehen gelassene Darlehen

Werthaltiger Teil der Darlehensforderung bei Kriseneintritt: Nachträgliche AK i. S. v. § 17 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EStG

Nicht mehr werthaltiger Teil: Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG

Im Verzichtszeitpunkt werthaltiger Teil der Darlehnsforderung bei Kriseneintritt: nachträgliche AK als verdeckte Einlage bzw. als Darlehnsverlust nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 bzw. 2 EStG

Im Verzichtszeitpunkt nicht werthaltiger Teil bei Kriseneintritt: Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG (keine spätere verfahrensrechtliche Korrektur)

Grundsätzlich: Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG

Soweit verdeckte Einlage vorliegt: nachträgliche AK nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG des zum Zeitpunkt des Kriseneintritts noch werthaltigen Teils

Fazit | Mit seinem Urteil vom 19.11.24 zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 2a EStG hat der BFH entschieden, dass der verzichtsbedingte Abtretungsverlust i. S. v. § 20 Abs. 2 EStG bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist. Dieses Urteil hat – wie dargestellt – auch Auswirkungen auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des § 17 Abs. 2a EStG. Zu den steuerlichen Folgen bei Eintritt des Besserungsfalls auf der Gesellschafterebene, zu der einschlägige Finanzrechtsprechung noch nicht vorliegt, hat sich die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 14.5.25 geäußert. Aufgrund der – veranlagungszeitraumübergreifenden – Sperrwirkung des § 20 Abs. 8 S. 1 EStG kommt bei einem Verzicht auf ein Krisendarlehen mit oder ohne Besserungsabrede nur eine temporäre Berücksichtigung als Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG in Betracht.

Wird ein solcher Abtretungsverlust zunächst nach § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigt, bevor der stichtagsbezogene Verlust nach § 17 Abs. 1, 4 i. V. m. Abs. 2a EStG realisiert wird, ist ggf. eine verfahrensrechtliche Änderung der bestandskräftigen Veranlagung vorzunehmen, um eine Doppelberücksichtigung zu vermeiden. Darüber hinaus unterliegt die Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG ohnehin der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG, wonach nur ein horizontaler Ausgleich mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Erfassung als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2a EStG regelmäßig steuerlich vorteilhafter. Die steuerliche Berücksichtigung ist zwar erst im Realisationszeitpunkt gem. § 17 EStG und nach dem Teileinkünfteverfahren nur zu 60 % möglich. Jedoch können etwaige Verluste nach § 17 EStG uneingeschränkt mit anderen positiven Einkünften im selben VZ verrechnet oder nach § 10d EStG abgezogen werden.

  • Der Ausfall eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Krisendarlehens führt – unabhängig vom Zeitpunkt der Darlehensgewährung – stets in Höhe des Nennwerts zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung nach § 17 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EStG. Soweit bei dem Verzicht in Höhe des noch werthaltigen Teils eine verdeckte Einlage vorliegt, führen Darlehensverluste zu nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG. Ausfall- und Abtretungsverluste werden jedoch – nach dem Teileinkünfteverfahren – erst berücksichtigt, wenn ein Tatbestand i. S. d. § 17 EStG (Veräußerung, Auflösung) verwirklicht wird. Aufgrund der Subsidiaritätsregelung des § 20 Abs. 8 S. 1 EStG ist eine Berücksichtigung des Abtretungsverlusts nach § 20 Abs. 2 EStG dann nicht möglich.
  • Bei einem Verzicht auf ein Krisendarlehen ist der nicht werthaltige Teil der Darlehensforderung zunächst im Jahr des Verzichts als Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen. Bei Veräußerung der Anteile bzw. bei Auflösung der GmbH – ggf. also in einem späteren VZ – wird auch der nicht werthaltige Teil aufgrund der Subsidiarität des § 20 EStG gem. § 20 Abs. 8 S. 1 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG berücksichtigt. Zur Vermeidung einer Doppelberücksichtigung ein und desselben Verlusts ist dann die Berücksichtigung bei § 20 Abs. 2 EStG auf verfahrensrechtlicher Grundlage zu korrigieren.
  • Bei einem stehen gelassenen Darlehen erfolgt die oben skizzierte zweifache Wertfeststellung. Der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr werthaltige Teil der Darlehensforderung wird als Ausfall- oder Abtretungsverlust grundsätzlich nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 S. 1 und 2 EStG berücksichtigt werden. Insoweit erfolgt keine spätere verfahrensrechtliche Korrektur des nach § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigten Ausfall- oder Abtretungsverlusts. Eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2a EStG kommt nur in Betracht, soweit die stehen gelassene Darlehensforderung mit dem Eintritt der Krise gesellschaftsrechtlich veranlasst wird und noch werthaltig ist.
  • Verluste aus der Veräußerung einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehensforderung an einen Dritten oder an die GmbH führen nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. d. § 17 Abs. 2a EStG, sofern nicht ausnahmsweise eine verdeckte Einlage i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG vorliegt (z. B. bei Veräußerung an die Gesellschaft). Bei einem stehen gelassenen Darlehen kann bei einer Veräußerung an die GmbH eine verdeckte Einlage nur vorliegen, soweit die Darlehensforderung bei Kriseneintritt noch werthaltig war. Im Übrigen ist ein Veräußerungsverlust nach Rn. 19 des BMF-Schreibens vom 7.6.22 (IV C 6 – S 2244/20/10001 :001) nur bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unter den dort genannten Voraussetzungen möglich (vgl. auch FG Köln 22.8.23, 15 K 2151/20, Rev. BFH VIII R 32/23). Der Verlust aus der Veräußerung eines nach dem 31.12.08 mit Einkünfteerzielungsabsicht gewährten Darlehens an einen Dritten wird grundsätzlich als Abtretungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG erfasst, wobei jedoch die Verrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 S. 1 und 2 EStG zu berücksichtigen ist.

AUSGABE: GStB 9/2025, S. 327 · ID: 50504533

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