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AnwesenheitsrechtZur Reichweite des Anspruchs auf Zuziehung bei Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses

Abo-Inhalt16.12.20244136 Min. LesedauerVon RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

| Das OLG München hat in einem Beschluss vom 3.12.24 (33 W 1034/24 e) entschieden, dass ein Pflichtteilsberechtigter kein Recht darauf hat, bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses durch den Notar anwesend zu sein. |

Sachverhalt

Der Pflichtteilsberechtigte P nimmt die Erbin im Wege der Zwangsvollstreckung auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Anspruch, nachdem diese vorher zur Vorlage verurteilt worden war. Ein Zwangsgeldbeschluss wurde aufgehoben, da das Nachlassverzeichnis zwischenzeitlich vorgelegt und der Anspruch des P damit erfüllt wurde. Hiergegen richtet sich nunmehr P mit seiner sofortigen Beschwerde. Er ist im Wesentlichen der Ansicht, dass sein Zuziehungsrecht bei der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses verletzt worden sei, weswegen diesem allein deswegen keine Erfüllungswirkung zukomme. Zwar habe es einen Termin bei der Notarin gegeben, hierbei habe es sich aber lediglich um ein informatorisches Gespräch gehandelt. Bei der Erstellung des Verzeichnisses sei er jedenfalls nicht zugegen gewesen. Weiter wurden keine Belege vorgelegt.

Entscheidungsgründe

Das Gericht hat die Beschwerde zurückgewiesen (OLG München 3.12.24, 33 W 1034/24 e, Abruf-Nr. 245355). Die geschuldete Leistung ist die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Gläubiger zuzuziehen ist. Dieser Anspruch ist zwischenzeitlich erfüllt worden.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist bislang nicht abschließend geklärt, wie das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses ausgestaltet ist (vgl. Außner/Schönenberg-Wessel, ZErb 24, 361). Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum – mitunter stillschweigend – davon ausgegangen wird, dass es sich insoweit um ein physisches Anwesenheitsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der notariellen Tätigkeit handelt (OLG Düsseldorf, I-7 U 9/17, ErbR 18, 605; Horn, NJW 16, 2150 „über die Schulter schauen“; Staudinger/Herzog [2021], BGB, § 2314 Rn. 190), sieht das OLG München weder in den Gesetzesmaterialien noch im Wortlaut, dem Zweck oder der Systematik der Norm einen Anhaltspunkt hierfür.

Das notarielle Nachlassverzeichnis selbst ist keine Willenserklärung des Erben oder des Notars, sondern eine Tatsachenbescheinigung über die Ermittlungen und Wahrnehmungen des Notars gemäß § 36 BeurkG. Das Nachlassverzeichnis wird nicht verlesen, einen Beurkundungstermin gibt es nicht. Ein Anspruch darauf, bei den einzelnen Ermittlungshandlungen des Notars anwesend zu sein, besteht nicht.

Selbst wenn sich das praktische Problem lösen ließe, dass der Notar dann vor jeder einzelnen Ermittlungshandlung dem Pflichtteilsberechtigten mehrere Terminvorschläge unterbreiten müsste, liefe dies dem Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses, schnell einen umfassenden Überblick über den Nachlass zu verschaffen, zuwider. Zudem hätte ein solches Vorgehen für den Pflichtteilsberechtigten keine Vorteile, da er weder ein Mitwirkungsrecht bei einzelnen Handlungen noch ein Einsichtsrecht in Unterlagen hat. Soweit vertreten wird, der Auskunftsgläubiger könne dem Notar bei der Durchsicht der Unterlagen „über die Schulter“ schauen (Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022), teilt das Gericht diese Ansicht jedenfalls nicht.

Im Rahmen des Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 Abs. 1 BGB besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Vorlage von Belegen. Würde man dem Pflichtteilsberechtigten nun gestatten (und den Notar verpflichten, dies zu ermöglichen), dem Notar bei der Durchsicht von Belegen „über die Schulter“ zu schauen, würde der nicht bestehende Anspruch auf Belegvorlage faktisch leerlaufen. Hinzu komme, dass durch Offenlegung der Kontounterlagen des Erblassers gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten schwerwiegend in das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers eingegriffen würde: Dem Pflichtteilsberechtigten würden Informationen zugänglich gemacht, die einerseits keine pflichtteilsrechtliche Relevanz haben, an deren Geheimhaltung der Erblasser andererseits aber auch nach seinem Tod ein erhebliches Interesse haben kann.

Es genügt danach zur Erfüllung des Anspruchs auf Zuziehung, wenn mit dem Pflichtteilsberechtigten vor der Fertigung des Nachlassverzeichnisses ein Besprechungstermin stattgefunden hat, bei dem er sich äußern konnte.

Relevanz für die Praxis

Das Gericht stellt nochmals zu Recht dar, dass der Auskunftsberechtigte im Rahmen des Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen hat. Des Weiteren hat der Pflichtteilsberechtigte auch keinen Anspruch auf Rechnungslegung. Diese gesetzliche Wertung würde tatsächlich unterlaufen, wenn dem Pflichtteilsberechtigten selbst oder dessen beauftragtem Rechtsanwalt im Rahmen der Zuziehung gestattet wäre, dem Notar bei der Aufnahme des Verzeichnisses „über die Schulter“ zu schauen.

AUSGABE: ErbBstg 1/2025, S. 10 · ID: 50262463

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