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FamilienvermögenDie Übertragung von Immobilien steueroptimiert innerhalb der Familie gestalten

Abo-Inhalt16.12.20243383 Min. LesedauerVon RA und Notar a. D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg

| In den letzten Jahrzehnten wurde in Deutschland erhebliches Immobilienvermögen geschaffen. Sowohl aus steuerlicher als auch strategischer Sicht kann es geboten sein, Ehegatten und Kinder schon zu Lebzeiten an diesen Vermögenswerten zu beteiligen. Gleichzeitig besteht aber die Sorge, dass das Familienvermögen nach der Übertragung durch Scheidung, Erbfall oder durch den Zugriff von Gläubigern zerschlagen werden könnte. Zudem wollen viele Schenker bis zum eigenen Versterben die Kontrolle über das Vermögen behalten, um bei unerwünschten Entwicklungen die Notbremse in Form einer Rückforderung ziehen zu können. Der Beitrag zeigt, wie eine steueroptimierte Gestaltung unter Berücksichtigung der Wünsche des Schenkers gelingen kann. |

1. Vereinbarung eines vorbehaltenen Nießbrauchs

1.1 Sachverhalt

Die Eheleute M und F (Veräußerer) sind Miteigentümer einer Immobilie zu gleichen Teilen, die an ein gemeinsames Kind K1 (Erwerber) zu Alleineigentum übertragen werden soll. Im Zuge der Übertragung soll zugunsten der Veräußerer ein umfassendes Nutzungsrecht an dem vermieteten Grundbesitz bestellt werden. Die Mieteinkünfte sollen M und F zur Verfügung stehen. K1 beabsichtigt keine Eigennutzung der Immobilie. Mit den weiteren gemeinsamen Kindern K2 und K3 soll ein beschränkter Pflichtteilsverzicht vereinbart werden, wozu allerdings nur K2 bereit ist.

1.2 Musterformulierung: Immobilienschenkung unter Vorbehaltsnießbrauch

Der Formulierungsvorschlag beschränkt sich auf die Regelungen zur Grundstücksübertragung, zur Bestellung des Nießbrauchs sowie zum Erb- und Pflichtteilsrecht.

Musterformulierung 1 / Übertragung

Die Veräußerer übertragen an den Erwerber zu dessen alleinigem Eigentum den genannten Grundbesitz mit allen Rechten, gesetzlichen Bestandteilen und Zubehör (im Folgenden „der Vertragsgegenstand“ genannt). Im Gegenzug verpflichtet sich der Erwerber, die nachfolgende Nießbrauchsbestellung und etwaige Auflagen zu erfüllen. Im Übrigen erfolgt die Übertragung unentgeltlich.

1.2.1 Anmerkung

Gegenstand der Zuwendung ist das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück. Der Vorbehaltsnießbrauch ist keine Gegenleistung, sondern als bereicherungsmindernder Faktor mit seinem nach §§ 13 bis 16 ErbStG zu ermittelnden Kapitalwert vom Steuerwert des Zuwendungsgegenstands abzuziehen. Nach § 16 BewG wird der zu berücksichtigende Jahreswert auf den Wert begrenzt, der sich ergibt, wenn der ermittelte Steuerwert des Wirtschaftsguts durch 18,6 geteilt wird. Dem liegt als Annahme eine 5,5%ige Verzinsung zugrunde.

Nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG ist in allen Fällen, in denen grundstücksbezogene Wertermittlungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer benötigt werden, eine gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte vorzunehmen (s. hierzu auch R B 151.2 Abs. 7 S. 2 ErbStR 2019). Hierbei besteht im Einzelfall die Möglichkeit, die Nießbrauchslast im Rahmen einer Verkehrswertermittlung durch Sachverständigengutachten bereits auf der Ebene der Bewertung des übertragenen Grundstücks zu berücksichtigen (§ 198 BewG).

Beachten Sie | Durch die abweichend von den §§ 13 bis 16 ErbStG erfolgende Bewertung entfällt die Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG. Bei einer höheren Verzinsung durch höhere Erträge des nießbrauchsbelasteten Gegenstands ergeben sich auf diese Weise höhere abzugsfähige Nießbrauchslasten, was im Rahmen einer Schenkung der Immobilie regelmäßig zu einem geringeren zu versteuernden Wert führt. Des Weiteren kann die Berücksichtigung des Nießbrauchs in der Wertfeststellung dann vorteilhaft sein, wenn die Duldungsverpflichtung (des Nießbrauchs) vorzeitig entfällt und die entsprechende Nachlassverbindlichkeit u. U. reduziert werden muss, verbunden mit der Folge, dass nachträglich eine höhere Steuer festgesetzt werden müsste. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, das bereits im Verfahren über die Feststellung des Grundbesitzwerts nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG ausgeübt werden muss. Er sollte sich daher frühzeitig mit diesem Thema auseinandersetzen.

Merke | Sofern das Nutzungsrecht bereits den Grundstückswert gemindert hat, ist der Erwerber damit nicht mehr wirtschaftlich belastet. Er kann das Nutzungsrecht deshalb nicht zusätzlich als bereicherungsmindernden Posten im Rahmen der Erbschaft- (vgl. § 10 Abs. 5 ErbStG) oder Schenkungsteuerveranlagung geltend machen (§ 10 Abs. 6, S. 11 ErbStG).

1.2.2 Schenkungsteuerrechtliche Folgen für den Musterfall

Angenommen, der Steuerwert der Immobilie beträgt 500.000 EUR. Davon ist der Wert des Nießbrauchsrechts abzuziehen. Dieser richtet sich nach den zurückbehaltenen Erträgen und dem Alter der Eltern (hier angenommen: 150.000 EUR). Vom steuerlichen Wert der Immobilie i. H. v. 500.000 EUR wird der Wert des Nießbrauchsrechts abgezogen. Der schenkungsteuerliche Wert der Immobilie beträgt daher 350.000 EUR. Es fällt keine Schenkungsteuer an, da der Wert unter dem Freibetrag von 400.000 EUR für Kinder liegt.

Musterformulierung 2 / Nießbrauchsbestellung

  • a) Die Veräußerer, nachstehend auch kurz „der Berechtigte“ genannt, behalten sich hiermit als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB und für den Überlebenden derselben allein auf Lebensdauer am Vertragsgegenstand den Nießbrauch vor.
  • b) Die Lastentragung richtet sich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Hiernach hat der Berechtigte insbesondere nur die gewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen an den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen auf seine Kosten vornehmen zu lassen. Zu den privatrechtlichen Lasten, die der Nießbraucher zu tragen hat, gehören die Zinsen, nicht aber die laufenden Tilgungsbeträge für die im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte und den Vertragsgegenstand betreffenden Verbindlichkeiten. …

1.2.3 Anmerkung

Nach der Rechtsprechung bewirkt der Tod eines Gesamtgläubigers keinen steuerbaren Erwerb des Mitberechtigten (BFH 7.2.01, II B 11/00, BStBl II 01, 245). Auch beim Schuldner hat der Wegfall nur eines Gesamtgläubigers keine Auswirkung. § 14 Abs. 2 BewG kommt nicht zum Tragen, selbst wenn bei zwei Gesamtgläubigern mit großem Altersunterschied der jüngere entgegen der Statistik vorverstirbt (FG Berlin-Brandenburg 5.5.10, 14 K 14168/08, EFG 10, 1624). Bei der Lastentragung – unabhängig, ob es sich um eine gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung handelt, gelten folgende Grundsätze (BFH 28.5.19, II R 4/16, DStR 19, 2639):

  • Bei der Berechnung des Jahreswerts des Nießbrauchs sind die vom Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen abzuziehen. Das gilt auch für die vom Nießbraucher nach § 1047 BGB im Innenverhältnis zum Grundstückseigentümer zu zahlenden Zinsen. Dem Nießbraucher steht nur der Reinertrag des seiner Nutzung unterworfenen Wirtschaftsguts zu.
  • Beim Bedachten einer Grundstücksschenkung mindern Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen ebenfalls den Jahreswert des Nießbrauchs, sofern diese vom Schenker während des Bestehens des Nießbrauchsrechts getragen werden. Denn der Bedachte ist bereichert, weil der Übergeber die Zinszahlungen weiterhin trägt. Der um die Schuldzinsen geminderte Wert des Nießbrauchs ist insoweit beim Bedachten derselbe wie beim Schenker.

Beachten Sie | Kreditverbindlichkeiten werden die Bemessungsgrundlage der Schenkung nur noch mindern, wenn der Beschenkte sie insgesamt und zur Entlastung des Schenkers übernimmt.

1.2.4 Grunderwerbsteuer

Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Da eine Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als eine Schenkung unter Auflage anzusehen ist, ist der Wert der Auflage als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Der Wert der Auflage i. S. d. § 8 Abs. 1 GrEStG wird nach der Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchs im Rahmen der Schenkungsteuerveranlagung bemessen. Dabei ist der Jahreswert – anders als bei der Berücksichtigung für Zwecke der Schenkungsteuer – nicht auf den 18,6-fachen Teil des Grundbesitzwerts nach § 17 Abs. 3 S. 2 BewG beschränkt (vgl. Schur/Schur, ZEV 20, 317).

Beachten Sie | Nach § 3 Nr. 6 GrEStG bleibt jedoch ein Grundstückserwerb durch Personen, die mit dem Schenker in gerader Linie verwandt sind, von der Grunderwerbsteuer befreit.

Musterformulierung 3 / Erbrechtsrelevante Regelungen

Soweit mit den heutigen Vereinbarungen unentgeltliche Zuwendungen verbunden sind, ordnen die Veräußerer an, dass sich der hiervon Begünstigte den Wert auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche am Nachlass des jeweils unentgeltlich zuwendenden Veräußerers anrechnen lassen muss. Eine Ausgleichung wird nicht angeordnet. Weitere erbrechtlich relevante Regelungen werden nicht getroffen.

1.2.5 Anmerkungen

Sind neben dem Beschenkten weitere Pflichtteilsberechtigte vorhanden, ist es empfehlenswert, z. B. einen Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung oder einen gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren. K2 ist hierzu bereit. Die mit ihm zu treffende Vereinbarung könnte etwa wie folgt lauten:

Musterformulierung 4 / Pflichtteilsverzicht, Abfindung

  • a) K2 verpflichtet sich, gegenständlich beschränkt auf die in dieser Urkunde an K1 übertragene Immobilie auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass seiner Eltern M und F und auf sämtliche im Pflichtteilsrecht wurzelnden Ansprüche und Rechte zu verzichten, wobei sich der Pflichtteilsverzicht auf seine Abkömmlinge zu erstrecken hat.
  • b) K2 erhält für seinen Verzicht keine Abfindung.
  • c) K2 verzichtet gegenüber den dies annehmenden M und F mit Wirkung für sich und seine Abkömmlinge gegenständlich beschränkt auf die in dieser Urkunde an K1 übertragene Immobilie auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass von M und F und auf sämtliche im Pflichtteilsrecht wurzelnden Ansprüche und Rechte (§ 2346 Abs. 2 BGB).
  • d) Die Vereinbarungen in dieser Urkunde erfolgen unabhängig vom Wert der Immobilie jetzt und im Zeitpunkt des Erbfalls. Sämtliche Ansprüche und Rechte der K1 und K2 wegen eventueller Irrtümer hierüber werden ausgeschlossen. Ansprüche und Rechte wegen arglistiger Täuschung bleiben jedoch unberührt.

1.2.6 Anmerkungen zu K3

Grundsätzlich werden die durch die unentgeltliche Zuwendung des Grundbesitzes entstehenden Pflichtteilsergänzungsansprüche von K3 über zehn Jahre abgeschmolzen (vgl. § 2325 Abs. 3 S. 1, 2 BGB). Die Zehnjahresfrist läuft nach der Rechtsprechung des BGH nur an, wenn die Zuwendung i. S. d. § 2325 Abs. 3 BGB geleistet wurde. Das ist nicht der Fall, wenn der Veräußerer nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, im Übrigen aber durch vorbehaltene Rechte im Genuss der Sache bleibt (vgl. BGH 27.4.94, IV ZR 132/93, NJW 94, 1791 zum Vorbehalt eines Totalnießbrauchs). Überwiegend wird vertreten, dass eine hinreichende starke Einbuße nicht vorliegt, wenn der Veräußerer sich mindestens 50 % der Nutzungen vorbehält. In diesen Fällen beginnt der Fristenlauf nicht (vgl. MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, § 2325 Rn. 76 ff.). Im Ergebnis wird man dies in jedem Einzelfall aufgrund einer Gesamtbetrachtung entscheiden. Bei K3 dürfte die Frist nicht anlaufen, weil M und F im Genuss der Immobilie bleiben.

Beachten Sie | Weitere Bestimmungen und Hinweise befassen sich mit den Regelungsbereichen Besitz-, Lasten- und Gefahrübergang, Mängel des Vertragsgegenstands sowie Übergang der Mietverträge kraft Gesetzes gem. §§ 566 ff. BGB. Insoweit wird von einem Formulierungsvorschlag abgesehen.

AUSGABE: ErbBstg 1/2025, S. 16 · ID: 50214398

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