FeedbackAbschluss-Umfrage
CBChefärzteBrief

Chefarztvertragsrecht Chefarztvertrag ist nicht allein wegen „unangemessen hoher Vergütung“ unwirksam

Abo-Inhalt27.08.202520 Min. LesedauerVon RA, FA MedR, ArbR und HGR Benedikt Büchling, Kanzlei am Ärztehaus, Hagen

| Ein Chefarztvertrag ist nicht allein wegen einer aus Sicht der Arbeitgeberseite überhöhten Vergütung unwirksam. Denn nur die Wahrnehmung einer Vergütung als überhöht kann das Vorliegen einer nach § 299a Strafgesetzbuch (StGB) erforderlichen Unrechtsvereinbarung nicht begründen. Die bloße Möglichkeit eines unrechtmäßigen Zuweiserverhaltens reicht für eine Unrechtsvereinbarung i. S. d. Antikorruptionsgesetzes (CB 11/2021, Seite 5) nicht aus. Für ein unrechtmäßiges Zuweiserverhalten bedarf es eines substanziiertem Vortrags, woraus sich das unrechtmäßige Zuweiserverhalten ergeben soll – etwa das ausdrückliche Auffordern von Patienten, sich in eine bestimmte Klinik zu begeben, entsprechende Empfehlungen an Patienten auszusprechen oder nach Vereinbarung mit der Geschäftsführung gezielt Patienten an die Klinik zu überweisen (Landesarbeitsgericht [LAG] Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.03.2024, Az. 2 Sa 125 öD/23). |

Rechtsnachfolgerin des Krankenhausträgers stellt Belegarzt als Chefarzt in Teilzeit ein

Ein niedergelassener Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe war zunächst zusätzlich als Belegarzt auf Basis einer Kooperationsvereinbarung für die Rechtsvorgängerin des klagenden Krankenhauses tätig. Aufgrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Korruption im Gesundheitswesen und des damit einhergehenden Strafbarkeitsrisikos wurde dieser Kooperationsvertrag gekündigt. Stattdessen wurde er fortan als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ab August 2017 als angestellter Chefarzt in Teilzeit in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf Basis eines gesonderten Änderungsvertrags beschäftigt, den die Parteien im November 2017 schlossen. Die einschlägigen Regelungen des Vertrags im Wortlaut können Sie unter Abruf-Nr. 50506044 herunterladen.

Durch diesen Vertrag wurde die zuvor als Belegarzt durchgeführte Tätigkeit im Bereich der Frauenheilkunde in die arbeitsvertragliche Chefarzttätigkeit integriert und die Jahresvergütung von 120.000 Euro brutto auf 170.000 Euro angehoben. Die vertraglich vorgesehene Arbeitszeit von 20 Wochenstunden wurde nicht geändert. Der Chefarzt nahm vormittags an Visiten teil und führte an Donnerstagen vormittags Operationen durch. Er erbrachte in erheblichem Umfang Rufbereitschaftsdienste, die zusätzlich vergütet wurden. Im Jahre 2018 erzielte er eine Bruttojahresvergütung in Höhe von insgesamt 282.850 Euro. Hiervon entfielen 170.000 Euro auf die vertragliche Grundvergütung sowie 110.850 Euro auf die geleisteten Rufbereitschaftsdienste. Konkret setzt sich der Betrag aus einem Nettoauszahlungsbetrag von 166.172,94 Euro, 96.823,47 Euro als Lohnsteuer und Abgaben, Arbeitnehmeranteile von 8.337,76 Euro als Kirchensteuer, 5.153,63 Euro Solidaritätszuschlag, 1.170,00 Euro als Arbeitslosenversicherung und 7.254,00 Euro an die berufsständische Versorgungseinrichtung zusammen.

Krankenhausträger kündigt Chefarztvertrag und fordert Vergütung für das Jahr 2018 auf dem Klageweg zurück

Für den Monat Mai 2022 wurde eine Abrechnung erstellt, jedoch keine Auszahlungen vorgenommen. Diese Abrechnung wies neben der Grundvergütung einen Betrag von 11.790,00 Euro für Rufbereitschaftsdienste aus. In den folgenden Monaten wurde ebenfalls keine Vergütung gezahlt. In der Folge wurde das Chefarztvertragsverhältnis ordentlich gekündigt. Der Chefarzt bot seine Arbeitsleistung an und erhob fristwahrend Kündigungsschutzklage.

Das Krankenhaus als Kläger war nun der Ansicht, dass die im Jahr 2018 gezahlte Vergütung i. H. v. 262.996,41 Euro gegen die §§ 299a, 299b StGB verstoße – wegen strafbarer Zuweisung gegen Entgelt unangemessen hoch sei und deshalb der Chefarztvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig sei und klagte auf Rückzahlung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Zur Berufungsbegründung führte es aus, dass die erzielte Gesamtvergütung für die Halbtagsstelle des Chefarztes das angemessene Maß einer marktüblichen Vergütung um ein Vielfaches übersteige, sodass darin eine verdeckte Zuweisungsprämie enthalten sei. Üblich für eine halbe Stelle seien entsprechend den Angaben des Kienbaum-Reports für das Jahr 2019 87.000 Euro brutto bei der Versorgung einer 12-Betten-Klinik (vgl. CB 01/2020, Seite 3 ff.).

Chefarzt erhebt Widerklage und bekommt recht

Der Chefarzt erhob Widerklage und forderte Vergütung für die Monate April bis August 2022 wegen Leistung/Urlaubsentgelt/Entgeltfortzahlung/ Rufbereitschaftsvergütung für April 2022 und Annahmeverzugsvergütung in Höhe von insgesamt 189.086,64 Euro. Darüber hinaus begehrte er die Abführung von Beiträgen auf das Versorgungskonto des Beklagten beim Versorgungswerk der Ärztekammer Schleswig-Holstein i. H. v. 3.278,25 Euro. Wie die Vorinstanz (Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 04.11.2023, Az. 3 Ca 1531 öD/21) wies das LAG die Rückzahlungsklage ab und gab der Widerklage des Chefarztes im Wesentlichen statt.

Merke | Das Arbeitsgericht hatte ausgeführt, dass die Zahlungen an den Chefarzt stets mit Rechtsgrund erfolgt seien, da der geschlossene Chefarztvertrag rechtswirksam sei. Der Vertrag verstoße nicht gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB wegen Unterlassens der Vereinbarung fester Arbeitszeiten. Er sei auch nicht gemäß § 134 i. V. m. §§ 299a, 299b StGB unwirksam wegen Vereinbarung unangemessen hoher Vergütung oder Rufbereitschaftsvergütung.

Darum gab das LAG dem Chefarzt recht

Das LAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und stellte fest, dass dem Krankenhausträger kein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB und Abtretung von Sozialversicherungsbeiträgen zustehe. Der Chefarztvertrag sei rechtswirksam und nicht nach § 134 BGB i. V. m. § 299a StGB nichtig. Der Krankenhausträger trage die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch und die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 299a StGB. Voraussetzung dafür sei u. a. das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung.

Unrechtsvereinbarung nur bei Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung

Eine Unrechtsvereinbarung liege nur vor, wenn der Vorteil als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb, hier bei der Zuführung von Patienten angeboten, versprochen oder gewährt wird. Erforderlich ist eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung. Konkret müssten der Teilzeit-Chefarztvertrag und die darin vorgesehene Vergütung sowie weitere Leistungen auf eine unlautere Bevorzugung der Rechtsvorgängerin gerichtet sein. Eine Bevorzugung ist gegeben, wenn der Vorteilsgeber eine Besserstellung im Wettbewerb erfährt, auf die er keinen Anspruch hat. Die Bevorzugung müsste geeignet sein, Mitbewerber durch die Umgehung der Regelungen des Wettbewerbs oder durch die Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen.

Bloße Möglichkeit unrechtmäßigen Zuweiserverhaltens genügt nicht

Die bloße Möglichkeit eines unrechtmäßigen Zuweiserverhaltens reiche für eine Unrechtsvereinbarung nicht aus. Für ein derartiges Zuweiserverhalten hätte der Krankenhausträger weitere Anhaltspunkte substanziiert vortragen müssen. Dafür müsste vorgetragen werden, dass der Chefarzt gezielt Patientinnen aufgefordert hat, sich in die Klinik zu begeben, oder entsprechende Empfehlungen ausgesprochen hat. Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 S. 4 der Musterberufsordnung-Ärzte scheide bereits aufgrund des Wortlauts und des Sinns und Zwecks der Berufungsordnung aus.

Vergütung war nach Auffassung des Gerichts nicht unangemessen

Eine Begrenzung der Vergütung nach oben sei der deutschen Rechtsordnung fremd, sodass die Vergütung – selbst wenn diese unangemessen hoch sein sollte – nur ein Verdachtsmoment für eine Unrechtsvereinbarung begründen könne. Nach Auffassung des Gerichts sei die Vergütungshöhe unter Berücksichtigung des Aufgabenkatalogs, der mit der Tätigkeit verbundenen Verantwortung und der Einbindung der Belegarzttätigkeit durchaus angemessen.

Rechtliche Würdigung des Urteils

Behandelt ein Arzt einen Patienten ambulant in seiner Funktion als niedergelassener Arzt und zugleich – weil er diesen eingewiesen hat – in einem mit ihm vertraglich verbundenen Krankenhaus, könnte hierin ein tatbestandsmäßiges Zuführen im Sinne des § 299a StGB zu sehen sein. Das Honorar kann als verdeckte Vermittlungsprovision oder aber als angemessene und mithin zulässige Vergütung für die (operativen) Leistungen im Krankenhaus qualifiziert werden. Der Gesetzgeber erkennt eine unangemessene und damit als überhöht erscheinende Vergütung als ein Indiz an, das zum Schluss einer Unrechtsvereinbarung beitragen kann. Allerdings ist die Höhe der Vergütung nur ein einzelnes Sachverhaltsindiz, das für und gegen eine Unrechtsvereinbarung streitet. Der Gesetzgeber verlangt allerdings das „Hinzutreten weiterer Umstände“; ein Abstellen auf einen veralteten Kienbaum-Report in Bezug auf die Angemessenheit der Vergütung genügt nicht für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung, zumal Chefärzte regelmäßig eine Vielzahl von Dienstaufgaben durch den Chefarztvertrag übertragen werden und eine Gesamtwürdigung auch eine angemessene und daher zulässige Vergütung für die operativen Leistungen in der betreffenden Klinik darstellen kann. Die Entscheidung ist daher zu begrüßen.

Weiterführende Hinweise

Praxistipp | Behandelt ein Arzt einen Patienten ambulant in seiner Funktion als niedergelassenen Arzt und zugleich – weil er diesen eingewiesen hat – in einem mit ihm vertraglich verbundenen Krankenhaus, könnte hierin ein tatbestandsmäßiges Zuführen im Sinne des § 299a StGB zu sehen sein. Das Honorar kann als verdeckte Vermittlungsprovision oder aber als angemessene und mithin zulässige Vergütung für die (operativen) Leistungen im Krankenhaus qualifiziert werden. Der Gesetzgeber erkennt eine unangemessene und damit als überhöht erscheinende Vergütung als ein Indiz an, das zum Schluss einer Unrechtsvereinbarung beitragen kann. Allerdings ist die Höhe der Vergütung nur ein einzelnes Sachverhaltsindiz, das für und gegen eine Unrechtsvereinbarung streitet. Der Gesetzgeber verlangt vielmehr das „Hinzutreten weiterer Umstände“; ein Abstellen auf einen veralteten Kienbaum-Report in Bezug auf die Angemessenheit der Vergütung genügt nicht für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung, zumal Chefärzte regelmäßig eine Vielzahl von Dienstaufgaben durch den Chefarztvertrag übertragen werden und eine Gesamtwürdigung auch eine angemessene und daher zulässige Vergütung für die operativen Leistungen in der betreffenden Klinik darstellen kann. Die Entscheidung ist daher zu begrüßen.

  • Wahlleistungen durch niedergelassene Ärzte mit Teilzeitanstellung im Krankenhaus möglich (CB 10/2022, Seite 8 ff.)
  • Erlaubte Kooperation oder unerlaubte Korruption? – Was hat das Antikorruptionsgesetz verändert? (CB 11/2021, Seite 5 ff.)
  • Die Rückabwicklung des Honorararztvertrags oder „Das dicke Ende kommt zuletzt!“ (CB 06/2020, Seite 8 f.)
  • Blick über den Tellerrand: Kooperation zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten (CB 12/2017, Seite 15 f.)

AUSGABE: CB 9/2025, S. 8 · ID: 50490263

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte