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KrankenhausabrechnungAuch ohne OPS kann ein „301er-Datensatz“ die Informationspflicht an die Krankenkasse erfüllen
| Immer öfter weigern sich Krankenkassen, die von den Krankenhäusern fakturierten Leistungen zu zahlen – oft auch ohne den Medizinischen Dienst (MD) einzuschalten. Ein typischer Einwand ist, die Fälligkeit der berechneten Leistungen sei nicht eingetreten. Das Krankenhaus sei seinen Informationsobliegenheiten bzw. -pflichten nicht nachgekommen, denn es habe einen unvollständigen Aufnahmedatensatz gemäß § 301 Sozialgesetzbuch (SGB) V („301er-Datensatz“) übermittelt. Die Krankenkassen stützen sich dabei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2015 (s. u.). Aus einem aktuellen Gerichtsurteil geht indes hervor, dass auch ein Aufnahmedatensatz, der keinen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) enthält, die Informationsobliegenheiten i. S. d. § 301 SGB V erfüllen kann (Sozialgericht [SG] Altenburg, Urteil vom 12.09.2024, Az. S 23 KR 563/23). |
So urteilte das BSG zur Informationspflicht nach § 301 SGB V
Das BSG hatte im Jahr 2015 entschieden, dass die Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten eine formal ordnungsgemäße Abrechnung ist. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen (BSG, Urteil vom 21.04.2015, Az. B 1 KR 10/15 R).
Krankenhaus übermittelt „301er-Datensatz“ ohne OPS
Im vom SG Altenburg entschiedenen Fall war streitig, ob das Krankenhaus seinen Informationsobliegenheiten nachgekommen und die Krankenhausabrechnung fällig geworden ist. Das Krankenhaus hatte einen Patienten wegen anhaltender stechender Unterbauchschmerzen rechts stationär aufgenommen und nach konservativer Behandlung zwei Tage später nach Hause entlassen.
Der an die Krankenkasse übermittelte „301er-Datensatz“ enthielt als Aufnahmediagnose R10.3 R, Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches – rechts. Das Krankenhaus berechnete für die stationäre Behandlung insgesamt 1.690,40 Euro mit der DRG G72B. Angegeben wurden
- als Hauptdiagnose I.88.0 (Unspezifische mesenteriale Lymphadenitis) undDiese Angaben wurden der Krankenkasse übermittelt
- als Nebendiagnosen
- Z11 (Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf infektiöse und parasitäre Krankheiten)
- U99.0! (Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf SARS-CoV-2) und
- Z03.8 (Beobachtung bei sonstigen Verdachtsfällen),
- aber keine OPS.
Krankenkasse zahlt nicht, Krankenhaus klagt erfolgreich
Die Krankenkasse wies die Rechnung per Datenträgeraustausch (DTA) mit der Begründung zurück, bei der Abrechnung fehle ein OPS und erbat eine medizinische Begründung zur Notwendigkeit der vollstationären Behandlung (MBEG). Das Krankenhaus erwiderte am selben Tage per DTA, das Fehlen eines OPS-Codes sei keine Rechtsgrundlage für die Forderung nach Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit. Die für die Beurteilung notwendigen Daten nach § 301 SGB V lägen alle vor.
Die Krankenkasse teilte dem Krankenhausträger daraufhin schriftlich mit, die Datenmeldung entspreche nicht den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zur Abrechnung bzw. Datenübermittlung. Die Rechnung sei nicht fällig. Dagegen erhob der Krankenhausträger Klage vor dem SG Altenburg – und bekam recht.
So begründete das SG Altenburg den Vergütungsanspruch
Das SG Altenburg schloss sich der Rechtsauffassung des Krankenhausträgers an, dass ihm der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung zusteht. Nach Ansicht des Gerichts lägen keine Umstände vor, die darauf hindeuten, dass die Berechnung der Vergütung der Höhe nach fehlerhaft sein könnte. Entgegen der Ansicht der Krankenkasse sei der Vergütungsanspruch des Krankenhauses aus der gestellten Rechnung auch fällig geworden. Das Krankenhaus sei seinen Informations- und Mitwirkungspflichten hinreichend nachgekommen.
Grundvoraussetzung ist eine ordnungsgemäße Abrechnung ...
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist – auf der ersten Prüfungsebene – eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.2015, Az. B 1 KR 10/15 R; BSG, Urteil vom 21.03.2013, Az. B 3 KR 28/12 R und BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 3 KR 14/11 R sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.02.2023, Az. L 10 KR 297/21 KH).
... sowie die vorherige Übermittlung aller notwendigen Angaben
Auf der Grundlage von § 301 Abs. 1 SGB V haben die Krankenhäuser den Krankenkassen alle notwendigen Angaben zur Verfügung zu stellen, die diese insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötigen. Zur gebotenen Information gehört, dass das Krankenhaus in Fällen, in denen regelhaft ambulante Behandlung ausreichend ist, nicht nur eine Aufnahmediagnose benennt, die die ärztliche Behandlung rechtfertigen kann, sondern auch Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen macht, die Anlass für die stationäre Versorgung des Versicherten hätten geben können. Ohne solche Angaben darüber, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich ist, fehlen Informationen über den „Grund der Aufnahme“ und damit eine der zentralen Angaben gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2015, Az. B 1 KR 26/14 R; BSG Urteil vom 21.04.2015, Az. B 1 KR 10/15 R; BSG, Urteil vom 14.10.2014, Az. B 1 KR 27/13 R). Lassen weder die übermittelte Hauptdiagnose noch die OPS-Nr. den naheliegenden Schluss zu, dass die Behandlung stationär erfolgen musste, hat das Krankenhaus von sich aus schon zur Begründung der Fälligkeit der Forderung gegenüber der Krankenkasse die erforderlichen ergänzenden Angaben zu machen – so das SG Altenburg.
Die vom Krankenhaus übermittelten Daten genügten den Anforderungen
Die vom Krankenhaus im streitgegenständlichen Behandlungsfall übermittelten Daten genügten den gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Anforderungen. Aus diesen kann auch ein nicht besonders medizinisch geschulter Beurteiler den naheliegenden Schluss ziehen, dass es sich bei der erbrachten stationären Leistung nicht um eine solche handelte, die „regelhaft ambulant“ zu erbringen ist und deshalb gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V weitergehende Angaben zum „Grund der Aufnahme“ erforderlich macht.
Stationäre Beobachtung war beim vorliegenden Krankheitsbild erforderlich
Die abgerechnete Hauptdiagnose beschreibt mit I88.0 eine unspezifische mesenteriale Lymphadenitis. Auch wenn es sich bei dieser Lymphknotenschwellung bzw. -entzündung nicht zwingend um eine Vorstufe der Appendizitis handeln muss, lässt der Einbezug der Nebendiagnose Z03.8 darauf schließen, dass bei dem versicherten Jugendlichen ein Erkrankungsbild vorlag, welches über bloße Bauchschmerzen hinausging und deshalb eine Beobachtung bei sonstigen Verdachtsfällen erforderlich machte. Etwaige Zweifel an der Notwendigkeit des stationären Aufenthalts seien nicht mehr zu prüfen, da die Krankenkasse den MD nicht eingeschaltet habe.
Fazit | Die Entscheidung des SG Altenburg verdeutlicht, dass die pauschalisierenden Abweisungen der Krankenkasse mangels Fälligkeit der Rechnungen aufgrund von (hypothetischen) Informationspflichtverletzungen der Krankenhäuser für den Einzelfall geprüft werden müssen. Eine medizinische Begründung zum Grund der Aufnahme wird nur dann erforderlich, wenn aus dem „301er-Datensatz“ nicht plausibel eine stationäre Aufnahme begründet – nicht zwingend auch bewiesen – werden kann. Die Überprüfung der tatsächlichen Notwendigkeit einer stationären Aufnahme des Patienten durch den MD darf nicht dadurch umgangen werden, indem den Krankenhäusern immer mehr vorgelagerte Verwaltungstätigkeiten übertragen werden. |
- Achten Sie bei Behandlungen mit ambulantem Potenzial auf sorgfältige Dokumentation! (CB 04/2025, Seite 16 f.)
- Kein Abrechnungsverbot nach „Informationsschreiben“ – nutzen Sie diese Rechtsmittel! (CB 01/2025, Seite 8 ff.)
- 16 Minuten intensive Notfallbehandlung berechtigen zur stationären Abrechnung (CB 07/2024, Seite 14 f.)
- MD stuft stationären Fall als ambulant ein, Zusatzversicherung fordert ihr Geld zurück – wer zahlt? (CB 07/2024, Seite 3)
AUSGABE: CB 9/2025, S. 18 · ID: 50470083