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Best Practice„Namensschilder im OP sind eine kleine Intervention mit großer Wirkung!“
| Eine präzise und klare Kommunikation ist während einer Operation entscheidend – sie kann lebensrettend sein. Doch wie behält man im oft hektischen OP-Alltag, in dem alle Personen Mundschutz und Haube tragen, den Überblick über die Teammitglieder und ihre jeweiligen Rollen? Die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie (ACH) des Universitätsklinikums Münster antwortet auf diese Frage mit dem Projekt „Power of the First Name“. Deren Leiter, Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Pascher (iww.de/s12935), erläuterte Ursula Katthöfer (textwiese.com), was es mit dieser Kraft auf sich hat. |
Frage: Herr Professor Pascher, während einer Operation tragen Sie ein Namensschild an der OP-Haube. Was steht da drauf?
Antwort: Ich persönlich trage noch meinen Nachnamen auf der Stirn. Doch jeder kann schreiben, was er möchte: Vor-, Nach- oder Rufnamen. Auf akademische Titel verzichten wir komplett, allerdings auch außerhalb des OPs. Nur etwa 10–15 Prozent lassen sich im OP derzeit noch mit dem Nachnamen anreden. Es sind meist die Älteren. Ich habe mich dafür entschieden, um Vorbehalte zu vermeiden. Denn ich möchte nicht, dass andere im OP unsicher werden, weil sie überlegen, ob sie mich angesichts meines Vornamens duzen oder siezen sollen. Einige hatten schon Scheu, meinen Titel wegzulassen, weil es sehr verankert ist, Professoren als solche anzusprechen.
Frage: Worin liegt der Vorteil der Namensschilder?
Antwort: Grundidee ist eine persönliche, wertschätzende und sichere Kommunikation im OP, die eine schnelle Aufmerksamkeit und eindeutige Ansprache ermöglicht. Es sind dort viele Personen beteiligt: Chirurgie, Anästhesie, OP-Pflege, Anästhesie-Pflege, Service, Reinigung, Logistik, Gäste. Ohne eine gerichtete Kommunikation ist häufig kaum wahrnehmbar, wer gemeint ist, zumal wir in der minimal-invasiven Chirurgie weitgehend in abgedunkelten Räumen und teilweise an Konsolen arbeiten. Auch in Notfallsituationen ist es hilfreich zu wissen, wer welcher Profession angehört. Hinzu kommen Professionen mit und ohne Titel, Jung und Alt. Die häufig vorliegende asymmetrische Kommunikation kann in kritischen Situationen zu Unsicherheit führen. Mit dem Vornamen angesprochen zu werden, ruft hingegen unterbewusst die schnellste Reaktion hervor, weil unsere Eltern uns so gerufen haben. Wir lassen im OP aber alles zu: das Du oder den Vornamen plus Sie. Es ist völlig akzeptiert, dass ich als Leiter des Teams die meisten mit dem Vornamen und Sie anspreche.
Frage: Sind die Namensschilder differenziert, zum Beispiel nach Professionen?
Antwort: Form, Farbe und Position unterscheiden sich. Wer steril angezogen ist, kann das Namensschild nur am Kopf tragen. Einer Umfrage zufolge empfanden nur wenige das Etikett zentral an der Stirn als unangenehm. Sie tragen es nun seitlich am Kopf. Allein diese Variation hob viele Vorbehalte auf. Wer nicht-steril arbeitet, trägt das Schild unter der Schulter. Farben diversifizieren die Professionen. In der Ärzteschaft gibt es fachspezifische Etiketten, beispielsweise für chirurgische Einzeldisziplinen, Anästhesie, Urologie oder Gynäkologie. Die Pflege bat darum, zusätzlich Auszubildende von examinierten Fachkräften zu unterscheiden. Die Auszubildenden tragen ein ovales Etikett, sodass ich Rücksicht nehmen kann und sie nicht mit zu hohen Anforderungen überfordere. Hebammen haben unter anderen eine eigene Diversifizierung.
Frage: Gab es Vorbehalte von Personen, die Wert auf ihren Titel legen?
Antwort: Es gab Bedenken, dass nicht mehr respektvoll miteinander umgegangen oder die berufliche Erfahrung nicht gewürdigt würde. Das ließ sich ausräumen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem jemand mangelnden Respekt zeigte, ganz im Gegenteil. Ein Titel verschwindet ja nicht, wenn er im Alltag nicht benutzt wird. Das zeigen auch andere Kulturen. Obwohl im Englischen und Holländischen nicht zwischen Sie und Du unterschieden wird, kann man Respekt, Nähe und Distanz zum Ausdruck bringen.
Frage: Wie reagieren die Patienten?
Antwort: An der Patientenschleuse duzten tatsächlich einige Patienten das OP-Personal. Das empfanden einige Kolleginnen und Kollegen anfangs als unangenehm. Mittlerweile ist es Routine, die Patienten darauf hinzuweisen, dass die Namensschilder eine sicherheitsrelevante Form der Kommunikation innerhalb des Teams sind. Dies wird patientenseits sehr positiv bewertet. Doch geht es nicht nur um Kommunikation. Mit der direkten Ansprache können wir unser Risikomanagement verbessern. Beispielsweise operieren wir in der Robotik überwiegend im Dunkeln. Der Operateur sitzt an einer Konsole und spricht in ein Mikrofon. Für die Sicherheit des Patienten ist es sehr wichtig, einen Satz wie „Ich brauche bitte die Schere“ direkt zu adressieren.
Frage: Wie hat sich die geänderte Kommunikation auf Ihr Team und die gesamte Klinik ausgewirkt?
Antwort: Die direkte Ansprache wirkt integrierend. Vor zehn, zwanzig Jahren dachten wir, dass ein Operationssaal mit industrieller Effizienz geführt werden könne. Jetzt wissen wir, dass wir Fachpersonal eine Heimat bieten müssen. Tun wir dies nicht, stimmt es mit den Füßen ab und verlässt die Klinik. Kommunikation ist ein Mittel, um das Teamgefühl zu stärken. Wir merken, dass z. B. operationstechnische Assistenten, die zur Aus- und Weiterbildung zu uns kommen, bei uns bleiben wollen. Wir haben als Einzelklinik damit begonnen, weil wir auf flache Hierarchien setzen. Mittlerweile wurden die Namensschilder am gesamten Uniklinikum Münster, einschließlich der Notaufnahme, ausgerollt. Es ist eine kleine Intervention mit großer Wirkung. Das unterscheidet sie von vielen anderen Managementmaßnahmen.
Herr Professor Pascher, vielen Dank für das Gespräch! L
AUSGABE: CB 9/2025, S. 6 · ID: 50407193