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BerufsrechtKörperverletzung als Beziehungstat rechtfertigt noch keinen Entzug der ärztlichen Approbation
| Wenn ein Arzt wegen Körperverletzung verurteilt wurde, weil er gegenüber seiner Lebensgefährtin mehrfach gewalttätig wurde, rechtfertigt diese strafrechtliche Verurteilung nicht den Entzug der ärztlichen Approbation. Denn eine reine Beziehungstat betreffe weder die ärztliche Berufsausübung noch das Arzt-Patienten-Verhältnis. Das Urteil bricht mit der tradierten Vorstellung, dass für Ärzte höhere moralische Maßstäbe als für andere Freiberufler gelten (Verwaltungsgerichtshof [VGH] München, Urteil vom 06.08.2024, Az. 21 B 23.726). |
Arzt wird wegen Körperverletzung verurteilt ...
Ein Arzt hatte eine Beziehung zu einer Frau, die von Höhen und Tiefen geprägt war. Im Rahmen dieser Beziehung wurde der Arzt in den Jahren 2011 bis 2013 gegenüber seiner Partnerin mehrfach gewalttätig:
- In einem Fall zog der Arzt seine Lebensgefährtin an den Haaren aus der Badewanne und schlug ihren Kopf gegen eine Rigipswand.Diese Straftaten wurden dem Arzt u. a. zur Last gelegt
- Ein anderes Mal ohrfeigte er seine Partnerin und trat sie.
- In einem weiteren Fall zerrte er sie am rechten Arm von der Küche zur Wohnungstür, weil sie seiner mehrfachen Aufforderung, sein Haus zu verlassen, nicht nachgekommen war.
Unter anderem wegen dieser Taten wurde der Arzt wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Sachbeschädigung verurteilt. Das Amtsgericht verhängte am 12.09.2013 gegen ihn eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 120 Euro. Die Höhe eines Tagessatzes bemisst sich nach dem monatlichen Einkommen geteilt durch 30. Auf die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung erhöhte das Landgericht mit Urteil vom 17.11.2014 das Strafmaß auf 240 Tagessätze. Die dagegen eingelegte Revision des Arztes verwarf das Oberlandesgericht als unbegründet (Beschluss vom 07.09.2015).
..., bekommt die Approbation entzogen und klagt erfolgreich
Diese rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung nahm die Regierung von Oberbayern zum Anlass, dem Arzt mit Bescheid vom 12.09.2016 die Approbation zu entziehen. Dagegen erhob der Arzt erfolglos Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht (VG) München. Das VG war der Ansicht, dass die Verurteilung den Tatbestand der Unwürdigkeit für die Ausübung des ärztlichen Berufs erfülle. Diese Unwürdigkeit könne auch bei Straftaten außerhalb des Arzt-Patienten-Verhältnisses vorliegen. Denn es sei mit dem ärztlichen Gelöbnis und Berufsbild nicht zu vereinbaren, dass ein Arzt anderen Menschen durch Straftaten wesentlichen Schaden zufüge. Zulasten des Arztes spreche auch, dass diese Straftaten gegenüber einer Frau und im Rahmen einer auf Vertrauen basierenden Beziehung begangen wurden. Das VG München wies die Klage des Arztes ab (Urteil vom 30.10.2018, Az. M 16 K 16.4646). Die Berufung des Arztes zum VGH München hatte Erfolg.
Darum sah der VGH keinen Grund für den Approbationsentzug
Der VGH kam zu dem Schluss, dass das Fehlverhalten des Arztes keine Unwürdigkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung (BÄO) darstelle. Bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Arztes sei dessen Grundrecht auf Berufsausübung nach Art. 12 Grundgesetz mit dem Interesse der Allgemeinheit an einer beanstandungsfreien Tätigkeit des Arztes abzuwägen. Wegen des erheblichen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des Arztes seien an den Approbationsentzug hohe Anforderungen zu stellen. Nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das den Verbleib des Arztes in der Ärzteschaft als untragbar erscheinen lasse, könne zu einem Entzug der Approbation führen. Bei der hier vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung käme es unter anderem auf Art, Ausmaß und Dauer des Fehlverhaltens an.
Der VGH urteilte, dass angesichts dieser Maßstäbe keine Unwürdigkeit des Arztes anzunehmen sei. Denn sein Fehlverhalten stehe in keinem Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit und betreffe auch nicht das Arzt-Patienten-Verhältnis. Es handle sich um Beziehungstaten, an denen die Lebensgefährtin auch ihren Anteil habe, wie sich etwa aus einer von ihr gesendeten SMS mit bedrohlichem Inhalt ergebe.
So ist das Urteil zu bewerten
Das Urteil ist zu begrüßen und räumt mit der tradierten Vorstellung auf, dass Ärzte in einer höheren moralischen Sphäre weilen. Bei Verfehlungen führt dies zu einem weitaus strengeren Beurteilungsmaßstab als bei Angehörigen anderer freier Berufe. Bei Rechtsanwälten werden selbst Straftaten innerhalb der beruflichen Sphäre milder geahndet: So entzog man etwa einer Rechtsanwältin, die eine Waffe in den Gerichtssaal schmuggelte und ihrem Mandanten damit die Begehung eines Mordes ermöglichte, für nur fünf Jahre die Anwaltszulassung.
Darauf sollten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte achten |
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AUSGABE: CB 6/2025, S. 19 · ID: 50374401