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CBChefärzteBrief

KrankenhausabrechnungDürfen Krankenhäuser auch bei Notfällen die vorstationäre Pauschale berechnen?

Abo-Inhalt20.05.20254622 Min. LesedauerVon RA Malte Brinkmann, armedis Rechtsanwälte, Seesen

| Eine vorstationäre Krankenhausbehandlung gemäß § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V setzt voraus, dass mithilfe der durchgeführten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen abgeklärt wird, ob eine stationäre Behandlung notwendig ist. Maßnahmen, die auch im Rahmen einer ambulanten Notfallbehandlung hätten erfolgen können, sind keine vorstationäre Behandlung und lösen daher keine vorstationäre Kostenpauschale aus. Doch haben Krankenhäuser auch dann Anspruch auf die vorstationäre Kostenpauschale, wenn zwar eine vertragsärztliche Verordnung zugrunde liegt, der Patient aber notfallmäßig behandelt wird? Darüber hat Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschieden (Urteil vom 20.11.2024, Az. L 16 KR 41/22). |

Hausärztin überweist Patienten als „Notfall“ ins Krankenhaus

Ein Patient bekam von seiner Hausärztin eine Krankenhausbehandlung verordnet. Die Diagnose lautete: „3-fach Synkope mit Vigilianzstörung, Sturz und Atemnot; Z. n. Hirnblutung; Ausschl. MAS/zentrales Geschehen“. Auf der Verordnung war das Kästchen „Notfall“ angekreuzt. In der Spalte „Nächsterreichbare, geeignete Krankenhäuser“ hatte die Hausärztin „RST“ (Rettungsstelle) angegeben.

Am selben Tag stellte sich der Patient im Notfallzentrum im Krankenhaus vor. Dort wurde eine Computertomographie (CT) des Kopfes, eine Labordiagnostik und eine Vorstellung beim Neurologen veranlasst. Das neurologische Konzil wurde durch die neurologische Fachabteilung des Krankenhauses erbracht. Die neurologische Vorstellung ergab keinen Hinweis auf ein aktuell frisches Geschehen. Die Beschwerden des Patienten wurden „am ehesten“ als infektbedingt gewertet. Der Patient wurde kreislaufstabil in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.

Krankenkasse rechnet Vergütung auf, Krankenhaus klagt erfolgreich

Das Krankenhaus rechnete gegenüber der Krankenkasse einen Betrag i. H. v. 279,17 Euro ab. Dieser setzte sich zusammen aus der vorstationären Fachabteilungspauschale i. H. v. 164,64 Euro, der vorstationären Großgeräte-Leistung (CT – Kopf) i. H. v. 81,81 Euro sowie dem entsprechenden Zuschlag i. H. v. 32,72 Euro. Die Krankenkasse bezahlte den vollständigen Rechnungsbetrag und leitete ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst (MD) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der durchgeführten Behandlung um eine Notfallbehandlung auf der Rettungsstelle und nicht um eine vorstationäre Behandlung gehandelt habe. Sodann erfolgte seitens der Krankenkasse eine Aufrechnung.

Das Krankenhaus erhob gegen die Aufrechnung Klage. Es habe festgestanden, dass eine ambulante Behandlung nicht in Betracht zu ziehen gewesen sei. Dies sei bereits durch das Krankheitsbild und die Notfalleinweisung belegt. Die vorstationäre Behandlung sei auch geboten gewesen, um die Erforderlichkeit einer vollstationären KH-Behandlung abzuklären, da die Symptomatik einer raschen und im vertragsärztlichen Bereich nicht möglichen Diagnostik bedurft und aus Ex-ante Sicht eine vollstationäre Aufnahme wahrscheinlich gemacht habe.

Das LSG Berlin-Brandenburg schloss sich dem erstinstanzlichen Urteil nicht an und gab der Klage des Krankenhauses statt.

Merke | Das SG Berlin hatte die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.01.2022, AZ. S 76 KR 2013/19). Die Behandlung des Versicherten sei als ambulante Notfallbehandlung i. s. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu qualifizieren. Bei dem Patienten hätten Symptome vorgelegen, die aus der Sicht der behandelnden Vertragsärztin u. a. der dringlichen Prüfung der Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung bedurft hätten. Die im Notfallzentrum der Klägerin erbrachten Leistungen wären auch ambulant möglich gewesen. Mit der Behandlung in der Notfallambulanz sei noch keine Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin verbunden gewesen. Nur wenn der Patient aufgenommen werde, wäre die Aufnahmeuntersuchung Teil der stationären Behandlung und durch die Fallpauschale mit vergütet worden. Bei einer Versorgung im Rahmen einer akuten Notfallbehandlung ohne stationäre Aufnahme in das notfallbehandelnde Krankenhaus – wie im vorliegenden Fall –, liege nur eine ambulante Notfallbehandlung vor. Daher scheide ein Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung als vorstationäre Behandlung von vornherein aus.

Darum sah das LSG einen Vergütungsanspruch

Die Behandlung durch die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der vorstationären Behandlung gemäß § 115a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V. Dabei stehe dem Vergütungsanspruch nicht entgegen, dass eine stationäre Behandlung vorliegend nicht notwendig war und der Patient in die ambulante Weiterbehandlung entlassen wurde. Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V bestehe das Erfordernis der Aufnahme nur für die vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung.

Auch das Vorliegen eines Notfalls schließe die Annahme einer vorstationären Krankenhausbehandlung nicht zwingend aus. Eine Notfallbehandlung i. S. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei zunächst auf die Erstversorgung ausgerichtet. Behandlungen sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben und unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen. Die Parallele zur vorstationären Behandlung bestehe darin, dass auch die Notfallversorgung dazu dienen kann, die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären. Zudem sei die vorstationäre Behandlung grundsätzlich auch im Rahmen einer Notfallsituation möglich, da die Verordnungsvordrucke für Krankenhausbehandlungen explizit auch eine Verordnung von Krankenhausbehandlung beim Vorliegen eines Notfalls vorsehen.

Fazit | Die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg ist zu befürworten und entspricht ausdrücklich den gesetzlichen Regelungen zu § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Krankenhäuser können nunmehr anhand dieses Urteils den Einwänden der Krankenkassen entgegentreten, dass eine vorstationäre Abrechnung dann nicht vorzunehmen sei, wenn der Patient später nicht aufgenommen werde und auf der Verordnung des niedergelassenen Arztes das „Notfallkästchen“ angekreuzt sei. Diese Einwände sind nach dem o. g. Urteil sowie den gesetzlichen Regelungen irrelevant.

AUSGABE: CB 6/2025, S. 17 · ID: 50360150

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