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PatientenrechteMüssen (Chef-)Ärzte bei Zwangsmaßnahmen die Patientenverfügung beachten?
- Beitrag „Reihengeschäfte: Das neue BMF-Schreiben und seine Auswirkungen für die Praxis“, ASR 9/2023, Seite 7 → Abruf-Nr. 49668226 und ASR 10/2023, Seite 9 → Abruf-Nr. 49607901
| Bei einer Zustimmung zu einer ärztlichen Zwangsmaßnahme nach § 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung strafrechtsbezogener Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt in Nordrhein-Westfalen (StrUG NRW) ist die Patientenverfügung zu beachten. Das gilt selbst dann, wenn eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 25.09.2024, Az. XII ZB 327/24). |
Patient klagt erfolgreich gegen Zwangsmedikation
Ein gemäß § 63 Strafgesetzbuch (StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen untergebrachter Patient ging gegen die gerichtliche Zustimmung zu einer ärztlichen Zwangsmaßnahme vor. Auf Antrag der Einrichtungsleitung und nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sowie persönlicher Anhörung des Patienten hatte das Amtsgericht einer medikamentösen Zwangsbehandlung zugestimmt. Eine dem entgegenstehende Verfügung des Patienten wurde nicht beachtet. Der BGH hatte zu beurteilen, ob die Vorinstanzen die Beschwerde des Patienten zu Recht zurückgewiesen haben.
BGH: Zwangsbehandlung entgegen einer Patientenverfügung unzulässig
Der BGH entschied zugunsten des Patienten. Die ergangenen Beschlüsse seien rechtswidrig. Es habe keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Patientenverfügung stattgefunden. Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen sei in diesem Fall eindeutig: Sowohl nach § 10 Abs. 2 als auch nach § 11 Abs. 2 StrUG NRW sei eine Patientenverfügung i. S. v. § 1827 BGB bei einer ärztlichen Zwangsmaßnahme zu beachten – auch bei einer gegenwärtigen schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit anderer Personen. Eine Zwangsbehandlung bei entgegenstehender (wirksamer) Patientenverfügung sei unzulässig.
Es gibt keine bundesweiten Regelungen Praxistipp | Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer ärztlichen Zwangsmaßnahme kommt es auf die Rechtslage im betreffenden Bundesland an. Bundeseinheitliche Vorgaben gibt es insoweit nicht. Im Jahr 2023 hatte der BGH über eine Zwangsbehandlung zur Abwehr einer Fremdgefährdung in einer bayerischen Einrichtung zu entscheiden und stellte fest, dass das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz (BayMRVG) – anders als z. B. das nordrhein-westfälische Recht – Zwangsmaßnahmen auch entgegen einer Patientenverfügung ermöglicht, um eine konkrete Gefahr für eine andere Person abzuwenden (Beschluss vom 15.03.2023, Az. XII ZB 232/21 unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 1 Nr. 7 BayMRVG). (Chef-)Ärzte sollten die in ihrem Bundesland geltenden Voraussetzungen kennen. Zu dem in Ihrem Bundesland anwendbaren Recht erteilt möglicherweise die zuständige Ärztekammer Auskunft. Nehmen Sie im Zweifel rechtliche Beratung in Anspruch. |
AUSGABE: CB 6/2025, S. 16 · ID: 50351394