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Strafrecht Augenblicksversagen kann auch strafrechtliche Folgen haben: Beugen Sie als Chefarzt vor
| Auch sehr erfahrene Ärzte, die eine Operationen in einer bestimmten Form zum ersten Mal durchführen, sollten dabei fachlich begleitet werden. Diese Begleitung kann durch die Anwesenheit eines anderen erfahrenen Arztes bei dem Eingriff oder durch eine intensive Besprechung der geplanten Operation erfolgen. Chefärzte sind gut beraten, die fachliche Begleitung ihrer nachgeordneten Ärzte sicherzustellen. Denn ein Augenblicksversagen birgt nicht nur haftungsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Risiken, wie die folgende höchstrichterliche Entscheidung zeigt: Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Verurteilung zweier Ärzte wegen fahrlässiger Tötung (Beschluss vom 20.03.2024, Az. 6 StR 17/24). |
Patient will Luftröhrenstent operativ entfernen lassen
Ein Patient hatte einen Kleinhirninfarkt mit einem akuten Lungenversagen erlitten. Er wurde längere Zeit über ein Tracheostoma beatmet und auch in ein künstliches Koma versetzt. Dadurch verengte sich seine Luftröhre, und er konnte selbst im Liegen und Sitzen nur schwer atmen. Deshalb ließ er sich von seinem behandelnden Arzt mittels eines Bronchoskops einen Stent in seine Luftröhre einsetzen. Das führte zu einer Verbesserung der Atemproblematik, sodass der Patient auch wieder seine berufliche Tätigkeit aufnehmen konnte. Später lagerten sich auf dem eingesetzten Stent jedoch Bakterien ab, die zu Mundgeruch führten. Daher wollte er den Stent in der Hoffnung entfernen lassen, dass aufgrund dessen Einsetzung sich seine Luftröhre ausreichend geweitet habe und er daher auf den Stent nicht mehr angewiesen sei.
Falsche Handhabung des Lasers führt zum Tod des Patienten
Um den Stent zu entfernen, musste dieser, wie während der Operation von den beiden beteiligten Ärzten angenommen wurde, zunächst mit einem Lasergerät gespalten werden. Der eine Arzt hatte davon noch nie etwas gehört. Der andere Arzt behauptete hingegen, diesen Eingriff durchführen zu können. Dieser Arzt hatte zwar Erfahrungen mit Lasern, aber nicht mit dem konkret eingesetzten Lasergerät. Bei der Aktivierung des Lasers war auf dem überwachenden Monitor eine Flamme zu sehen und ein lauter Knall zu vernehmen. Durch die im Rachenraum vorhandene hohe Sauerstoffkonzentration kam es zu einer erheblichen Schädigung des Luftröhrensystems und der Lunge.
Sauerstoffkonzentration hätte gesenkt werden müssen Merke | Wie der gerichtlich bestellte Sachverständige später feststellte, wäre es nicht zur Verpuffung gekommen, wenn die Sauerstoffkonzentration zuvor auf 40 Prozent reduziert worden wäre. |
Der Patient wurde wegen der Schädigung der Lunge auf die Intensivstation verlegt. Es kam dann zu einem akuten Atemnotsyndrom, welches eine Notfalloperation erforderlich machte. Infolgedessen verschlechterte sich der Allgemeinzustand des Patienten. In einer multidisziplinären Besprechung kamen die behandelnden Ärzte zu dem Schluss, dass der Patient nicht mehr erfolgreich zu behandeln wäre. Nach Rücksprache mit der Ehefrau des Patienten wurde daher die Therapie beendet und der Tod des Patienten gestattet.
Ärzte wegen fahrlässiger Tötung zu Geldstrafen verurteilt
Das Landgericht (LG) Hof verurteilte die die ursächliche Operation durchführenden Ärzte wegen fahrlässiger Tötung zu Geldstrafen von 31.500 Euro bzw. 15.600 Euro (Urteil vom 27.09.2023, Az. 1 Ks 214 Js 4150/17). Der BGH verwarf die dagegen gerichtete Revision.
Das LG Hof hatte festgestellt, dass bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die beteiligten Ärzte hätten erkennen müssen, dass die Sauerstoffzufuhr bei Einsatz des Lasers hätte gedrosselt werden müssen. Ferner hätten sie erkennen müssen, dass die Nichtbeachtung der korrekten Sauerstoffkonzentration zu einem Brand oder einer Verpuffung mit letaler Wirkung führen kann.
Ärzte, die in dem Wissen behandeln, dass sie an ihre Grenzen stoßen, begehen einen Behandlungsfehler
Ein Behandlungsfehler sei immer dann anzunehmen, wenn der behandelnde Arzt nicht die Standards erfüllt, die an einen besonnen und umsichtig handelnden Arzt zu stellen seien. Im hier entschiedenen Fall sei der Standard eines erfahrenen und durchschnittlichen Facharztes für Pneumologie heranzuziehen. Der Arzt müsse nicht zwingend Facharzt auf seinem Gebiet sein. Wenn er aber eine Behandlung durchführe, müsse er sich stets an den für einen Facharzt geltenden Standards messen lassen. Der Arzt unterliege der Therapiefreiheit. Daher müsse er nicht das sicherste oder neueste Therapiekonzept anwenden. Allerdings liege ein Behandlungsfehler vor, wenn er erkennt, dass seine Behandlungsmethode nach objektiver Ex-ante-Betrachtung an ihre Grenzen stoße. Da sei hier der Fall gewesen.
Diese Milderungsgründe sah das Gericht
Das Gericht sah hier eine Vielzahl an Milderungsgründen. Folgende Umstände wurden strafmildernd berücksichtigt.
- Beide Ärzte waren nicht vorbestraft und legten ein Geständnis ab.Diese Umstände sprachen für die beiden Ärzte
- Beide galten als gewissenhafte und erfahrene Ärzte, die in ihrem Fachgebiet von Kollegen hoch angesehen waren.
- Die Ärzte waren auf die von ihnen noch nicht durchgeführte Behandlungsmethode im Bronchialsystem fokussiert. Das lässt die vergessene Einhaltung der richtigen Sauerstoffzufuhr als Augenblicksversagen erscheinen.
- Einer der Ärzte entschuldigte sich per Brief bei der Witwe des Patienten.
- Auch das von der Ärztekammer eingeleitete Disziplinarverfahren könne negative Folgen haben, was ebenfalls strafmildernd berücksichtigt wurde.
- Da das Gericht Gutachterbeauftragungen zu spät erteilte, kam es zu einer Verfahrensverzögerung, welche sich auch strafmildernd auswirkte.
AUSGABE: CB 5/2025, S. 14 · ID: 50342627