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VergütungSind Oberärzte nun doch nicht an den Erlösen des Chefarztes aus Privatliquidation zu beteiligen?
| Haben nachgeordnete Oberärzte Anspruch darauf, an den Privatliquidationserlösen des Chefarztes beteiligt zu werden, wenn der Chefarzt das originäre Liquidationsrecht besitzt (sog. Altvertragler)? Am 03.07.2019 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln dies bejaht (Az. 5 Sa 104/19, CB 09/2020, Seite 2 f.). Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Entscheidung im Rahmen der Revision des Krankenhauses aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das LAG Köln zurückverwiesen (30.03.2022, Az. 10 AZR 419/19). Direkt betroffen von dem Urteil sind nur sog. Altvertragler mit originärem Liquidationsrecht. |
Der Sachverhalt
Ein Oberarzt hatte gegen seinen Chefarzt und gegen den Träger des Krankenhauses geklagt, in dem er angestellt war. Streitig war die Beteiligung an den Erlösen, die der Chefarzt über das Liquidationsrecht erzielt hatte. Der Chefarztvertrag sah eine Beteiligung der nachgeordneten Ärzte an den Privatliquidationserlösen vor (für Details vgl. CB 09/2020, Seite 2 f.). Vertragliche Abreden über diese Beteiligung bestanden nicht. Der Chefarzt hatte dem Oberarzt über mehrere Jahre 2.000 Euro monatlich gezahlt, dann die Zahlungen auf 1.000 Euro monatlich reduziert und eine ggf. bestehende Verpflichtung gegenüber dem Oberarzt vorsorglich gekündigt. Das LAG hatte einen Anspruch auf Zahlung des Oberarztes gegen den Chefarzt aufgrund eines stillschweigend vereinbarten Vertrags bejaht. Mit der Revision des Krankenhausträgers hatte sich das BAG zu beschäftigen.
Darum verwies das BAG den Fall ans LAG Köln zurück
Das BAG verneinte einen Anspruch des Oberarztes auf Grundlage der bisherigen Sachverhaltsfeststellungen des LAG.
Grundlage des Anspruchs auf Erlösbeteiligung nicht abschließend geklärt
Zwar könne sich grundsätzlich ein Anspruch des Oberarztes auf Erlösbeteiligung ergeben. Grundlage eines solchen Anspruchs könne eine stillschweigende Vereinbarung über eine monatliche Beteiligung des Oberarztes an den Privatliquidationserlösen des Chefarztes oder ein unmittelbares Forderungsrecht aus dem zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhaus geschlossenen Chefarztvertrag sein. In letzterem Fall sei ein echter Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgebend. Eine solche rechtliche Wertung sei den bisherigen Feststellungen des LAG aber nicht zu entnehmen. Insbesondere sei nicht abschließend geklärt, ob eine Zahlungsverpflichtung des Chefarztes aus einer Individualvereinbarung mit dem nachgeordneten Arzt und/oder ein Vertrag zugunsten Dritter bestehe.
Keine vertragliche Beziehung zwischen Chefarzt und nachgeordnetem Arzt
Zwischen einem zur Privatliquidation berechtigten leitenden Chefarzt eines Krankenhauses und einem nachgeordneten Arzt bestehe nicht ohne Weiteres eine vertragliche Beziehung, wie dies in einem Arbeitsverhältnis der Fall sei. Es sei insoweit die Sache des nachgeordneten Arztes, die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass der leitende Arzt zu einer solchen Honorierung über die vom Arbeitgeber geschuldete Vergütung hinaus verpflichtet sei. Ein Anspruch des nachgeordneten Arztes gegen den leitenden Arzt auf Beteiligung an dessen Privatliquidationserlösen könne sich entweder aus einer unmittelbar zwischen diesen beiden Personen getroffenen Vereinbarung oder aus dem zwischen dem leitenden Arzt und dem Krankenhausträger geschlossenen Vertrag (hier: dem Chefarztvertrag) ergeben.
Annahmen des LAG lassen Interpretationsspielraum zu
Ein vertraglicher Anspruch setze zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit entsprechendem Rechtsbindungswillen gemäß §§ 145 ff. BGB voraus. Einen solchen Rechtsbindungswillen habe das LAG aufgrund der jahrelangen vorbehaltlosen Zahlung in gleicher Höhe angenommen. Diese Annahme sei revisionsrechtlich zu beanstanden, da die Feststellungen des LAG einen gewissen Auslegungsspielraum zuließen.
Mögliche Auslegungen zu den Zahlungen des Chefarztes an den Oberarzt |
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Wusste der Oberarzt von einer Erlösbeteiligung ausschließlich in Erfüllung seines Arbeitsvertrags?
Auch müsse das LAG klären, ob dem Oberarzt bekannt war, dass die Beteiligung an den Privatliquidationen ausschließlich in Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Krankenhausträger erfolgt sei. Sollte der Oberarzt hiervon Kenntnis gehabt haben, stünde das der Annahme einer individualvertraglichen Vereinbarung entgegen. Würden Leistungen erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht erbracht, könne der Leistungsempfänger nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer und unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden.
Zu differenzieren: Erlöse aus stationärer und ambulanter Behandlung
Ferner müsse das LAG zwischen der Beteiligung an den Liquidationserlösen des Chefarztes für die stationäre und für die ambulante Behandlung von Privatpatienten differenzieren. Insoweit handele es sich um zwei verschiedene Ansprüche auf Beteiligung an den Privatliquidationserlösen.
Unklar, ob Kündigung der Verpflichtung durch den Chefarzt wirksam war
Zudem habe sich das LAG mit der Wirksamkeit der vorsorglich durch den Chefarzt ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zu beschäftigen. Zu klären sei, ob die Parteien ein Recht zur ordentlichen Kündigung vereinbart haben. Das Vertragsverhältnis, in dem sich ein leitender Arzt zur Erfüllung seiner Standespflichten oder aus anderen Gründen zur Beteiligung der nachgeordneten Ärzte an den Privatliquidationseinnahmen verpflichtet, sei kein unbefristetes Dauerschuldverhältnis. Vielmehr liege es nahe, darin eine doppelt auflösend bedingte Vereinbarung eigener Art zu sehen. Diese sei zugleich an die Erzielung von Privatliquidationserlösen durch den Chefarzt und an die Beteiligung des nachgeordneten Arztes an der Behandlung dieser Patienten geknüpft.
Merke | Die Richter waren der Auffassung, die Einordnung als auflösend bedingte Vereinbarung berücksichtige, dass die Beteiligung der nachgeordneten Ärzte an ihre Leistungserbringung im Rahmen des fortlaufenden Arbeitsverhältnisses anknüpfe. Zugleich sei der leitende Arzt standesrechtlich regelmäßig nur so lange zu einer Beteiligung verpflichtet, wie sich die nachgeordneten Ärzte an der Behandlung der Privatpatienten beteiligen. Ein Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung könne dann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein, wobei eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB nicht abdingbar und möglich sei. |
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Direkt relevant ist das Urteil nur für sog. Altvertragler mit originärem Liquidationsrecht. Laut Kienbaum Vergütungsreport 2019 lag deren Anteil noch bei 35 Prozent (CB 01/2020, Seite 3), dürfte aber inzwischen weiter gesunken sein.
Chefärzte mit originärem Liquidationsrecht („Altvertragler“)
Nach § 29 Abs. 3 Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) sind Chefärzte verpflichtet, nachgeordnete Ärzte im Sinne einer Poolzahlung angemessen zu „beteiligen“. Die MBO-Ä begründet indes keinen durchsetzbaren Anspruch des nachgeordneten Arztes gegen seinen Chefarzt auf Beteiligung an dessen Privatliquidationserlösen. Ein solcher Anspruch kann sich allenfalls aus einer vertraglichen Vereinbarung oder einem Vertrag mit Wirkung zugunsten Dritter (Chefarztvertrag) ergeben. Dies setzt einen Rechtsbindungswillen und eine entsprechende Einigung der Parteien voraus, was der nachgeordnete Arzt darzulegen und zu beweisen hat.
Erlösbeteiligung hilft, Personalstamm zu sichern Praxistipp | Aus hiesiger Sicht sind Krankenhausträger bzw. Chefärzte mit originärem Liquidationsrecht zur Wahrung einer gedeihlichen und loyalen Zusammenarbeit gut beraten, eine Regelung zur Beteiligung der nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu etablieren. Nur auf diese Weise kann dauerhaft ein qualifizierter Personalstamm sichergestellt bzw. akquiriert werden. |
Mögliches Modell einer Erlösbeteiligung bei originärem Liquidationsrecht |
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Chefärzte mit Beteiligungsvergütung: Krankenhausträger für Mitarbeiterbeteiligung verantwortlich
Nach den aktuellen Beratungs- und Formulierungshilfen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erhalten Chefärzte heute i. d. R. kein Liquidationsrecht mehr, sondern werden im Rahmen des Chefarztvertrags über eine sog. Beteiligungsvergütung an den Umsätzen aus Wahlleistungen beteiligt. Die Abrechnung der Liquidationseinnahmen obliegt dabei dem Krankenhausträger. Umfangreiche Regelungen zur Beteiligung der nachgeordneten Mitarbeiter an den Einnahmen aus der wahlärztlichen Leistungserbringung sind dann nicht erforderlich.
Beteiligungsvergütung statt Liquidationsrecht: Folgen für den Chefarzt |
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- Über die Urteile der Vorinstanzen berichtete der CB in folgenden Beiträgen: - Chefarzt kündigt Beteiligung an Privatliquidation und wird von seinem Oberarzt verklagt (CB 09/2020, Seite 2) - Oberarzt hat keinen vertraglichen Anspruch auf Beteiligungsvergütung durch den Chefarzt (CB 08/2016, Seite 16)
- Chefarztvergütung im Fokus: Ergebnisse des Kienbaum Vergütungsreports 2019 (CB 01/2020, Seite 3)
- Weitere Informationen zu den Themen Chefarztvergütung und Chefarztvertrag finden Sie in den CB-Sonderausgaben - So optimieren Sie Ihr Einkommen als Chefarzt (Abruf-Nr. 45447887) und - Chefarzt-Verträge im Fokus (Abruf-Nr. 46390907).
AUSGABE: CB 11/2022, S. 8 · ID: 48568425