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CBChefärzteBrief

HaftungsrechtKooperationen: Aufnehmendes Krankenhaus kann auch für Fehler des Kooperationspartners haften

Abo-Inhalt28.09.20228914 Min. LesedauerVon RA, FA MedR Dr. Kyrill Makoski, LL. M. (Boston University), Möller und Partner, Düsseldorf

| Immer häufiger kooperieren Krankenhäuser untereinander, um Leistungen anbieten und Strukturvorgaben erfüllen zu können. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten: Neben Abrechnungsproblemen (CB 10/2022, Seite 6) kann eine Kooperation auch haftungsrechtliche Risiken mit sich bringen: Ist die Kooperation so organisiert, dass sich z. B. Notfallbehandlungen erheblich verzögern können, haftet das aufnehmende Krankenhaus auch für Fehler des Kooperationspartners (Landgericht [LG] München II, Urteil vom 10.05.2022, Az. 1 O 4395/20). |

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall klagte eine Patientin gegen einen Krankenhausträger. Die Klägerin war am frühen Abend bewusstlos in das Krankenhaus des beklagten Trägers eingeliefert worden. Dieses Krankenhaus kooperierte mit einem benachbarten Großklinikum im Bereich der Schlaganfallversorgung. Etwa eine halbe Stunde nach der Aufnahme war im aufnehmenden Krankenhaus eine CT-Untersuchung veranlasst und von den Ärzten des Kooperationspartners befundet worden. Nachdem keine Besserung eingetreten war, hatten die behandelnden Ärzte des beklagten Krankenhauses nach einer halben Stunde erneut um eine Neubefundung gebeten. Anderthalb Stunden später hatten sie von ihren Kollegen im Haus des Kooperationspartners die Information erhalten, dass bei der Patientin ein akuter ischämischer Schlaganfall (Mediainfarkt rechts) vorliege. Daraufhin war eine Verlegung der Patientin veranlasst worden, die sich noch einmal um eine Dreiviertelstunde verzögert hatte, weil kein Rettungsmittel verfügbar war. Seither ist die Klägerin entsprechend beeinträchtigt mit Pflegegrad III und einem Grad der Behinderung (GdB) von 100.

Die Klägerin begehrte Schadenersatz und Schmerzensgeld. Vor Gericht trug sie vor, die Krankenhausärzte hätten sowohl die erforderlichen diagnostischen Maßnahmen als auch die Verlegung zur Weiterbehandlung in der Klinik des Kooperationspartners schuldhaft verzögert. Bei rechtzeitiger adäquater Versorgung hätte eine bleibende Schädigung mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Das Gericht verurteilte den Krankenhausträger zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 120.000 Euro.

Entscheidungsgründe

Das Gericht hielt dem beklagten Krankenhausträger insbesondere ein erhebliches Organisationsverschulden vor. Dieses äußere sich in folgenden Fehlern:

  • Die indizierte CT-Angiografie sei um mindestens 80 Minuten verzögert worden. Dabei sei irrelevant, ob diese Verzögerung vom beklagten Krankenhaus oder vom Kooperationspartner verursacht worden sei. Denn mit der Aufnahme der Patientin habe das beklagte Krankenhaus die vollumfängliche Behandlungsverantwortung übernommen und müsse sich daher auch Fehler des Kooperationspartners zurechnen lassen.
  • Im vorliegenden Fall waren die Organisationsabläufe nicht klar geregelt. Es fehlte an entsprechenden Standardprozeduren. Die alleinige Verständigung, im Bereich der Schlaganfallversorgung zusammenarbeiten zu wollen, reiche insoweit nicht aus.
  • Beim Kooperationspartner wurden nur die Radiologen und nicht auch die Neurologen hinzugezogen. Aufgrund der Symptome lag der Verdacht auf einen Schlaganfall nahe, sodass die Einbindung des neurologischen Sachverstands zeitnah notwendig gewesen wäre.

Folgerungen für die Praxis

Es ist heutzutage praktisch unvermeidbar, dass gerade in der Akutversorgung verschiedene Krankenhäuser kooperieren. Eine gute Organisation hilft, Haftungsrisiken im Rahmen von Kooperationen zu minimieren.

Entwickeln Sie Standardverfahren zur Einbindung externer Spezialisten!

Eine notwendige zeitnahe Therapie in einem Krankenhaus der Grundversorgung vor Ort erfordert die Einbindung des Fachverstands von Schwerpunkt- und Maximalversorgern. Dies kann heutzutage regelmäßig auch im Wege der Telemedizin geschehen, indem z. B. radiologische Bilddaten oder sonstige Befunde entsprechend übermittelt werden. Damit müssen die Spezialisten nicht unbedingt vor Ort sein. Sie müssen aber dennoch zeitnah eingebunden werden und alle notwendigen Informationen erhalten. Dabei sind zunächst einmal beide Seiten – sowohl das erstversorgende Krankenhaus als auch die Spezialklinik – gemeinsam dafür verantwortlich, eine optimale Versorgung für den Patienten zu gewährleisten.

Merke | In der haftungsrechtlichen Verantwortung ist jedoch primär das erstversorgende Krankenhaus, weil bei diesem der Behandlungsvertrag mit dem Patienten besteht. Kooperationen erfordern daher entsprechende Standardverfahren und Ablaufschemata. Diese müssen allen beteiligten Ärztinnen und Ärzten bekannt sein.

Teilen Sie die Verantwortlichkeiten im Binnenverhältnis klar auf!

In vielen Bundesländern werden die Krankenhauspläne gerade überarbeitet. Dabei werden insbesondere Kooperationen zur Erfüllung von Strukturanforderungen genauer geprüft. Das Land Nordrhein-Westfalen verlangt z. B. im Rahmen der Krankenhausplanung die Vorlage von Kooperationsvereinbarungen, aus denen sich insbesondere klar und deutlich ergibt, wie die Verantwortlichkeiten aufgeteilt sind und wer wen wann zu informieren hat. Eine derartige Vereinbarung ist auch aus haftungsrechtlicher Hinsicht dringend anzuraten, denn auch wenn im Außenverhältnis das erstbehandelnde Krankenhaus gegenüber dem Patienten einstandspflichtig ist, kann sich dennoch im Innenverhältnis der Kooperationspartner ein entsprechender Regressanspruch ergeben.

AUSGABE: CB 11/2022, S. 6 · ID: 48575646

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